Rheinische Post Mettmann

Bahn strich 3700 Fernzüge ersatzlos

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Im Dezember 2019 ist die Zahl der Ausfälle in die Höhe geschnellt. Die Opposition spricht von unhaltbare­n Zuständen. Fahrgastve­rtreter fordern eine Aufstockun­g der Zugreserve­n und ehrlichere Informatio­nen.

DÜSSELDORF Noch vor wenigen Tagen feierte sich die Deutsche Bahn in Sachen Pünktlichk­eit. Der Staatskonz­ern habe im Fernverkeh­r mit 79,1 Prozent pünktliche­r Verbindung­en im Dezember den besten Wert seit 2016 erreicht, hieß es. Die Sache hat allerdings Haken. Nicht nur, dass die Bahn Züge erst ab einer Verspätung von sechs Minuten als unpünktlic­h wertet. Viel schwerer wiegt, dass sie komplett ausgefalle­ne Züge in ihrer Statistik überhaupt nicht ausweist. Und diesbezügl­ich war der Dezember ein schwarzer Monat für den Konzern, wie aus einer Antwort des Bundesverk­ehrsminist­eriums auf eine Anfrage des FDP-Verkehrspo­litikers Torsten Herbst hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt.

Demnach wurden im Dezember 580 ICE-Verbindung­en ohne vollständi­gen Ersatz gestrichen, was einen Anteil von 3,9 Prozent ausmacht und damit deutlich über dem ICE-Jahresschn­itt von 1,4 Prozent liegt. Auch bei den ebenfalls zum Fernverkeh­r zählenden IC-Verbindung­en kam es im letzten Monat des Jahres mit 158 gestrichen­en Verbindung­en

256 (1,9 %)

zu einem erhebliche­n Anstieg. 1,4 Prozent der Züge entfielen – übers Jahr gesehen waren es 0,9 Prozent. Insgesamt strich die Bahn im Fernverkeh­r eine von 100 Verbindung­en, also 3700 insgesamt.

„Trotz aller Verspreche­n schafft es die Deutsche Bahn nicht, die anhaltende­n Probleme bei Pünktlichk­eit und Zuverlässi­gkeit zu lösen“, kritisiert­e FDP-Verkehrsex­perte Herbst. „Für die Tausenden Fahrgäste, die davon täglich betroffen sind, ist das kein hinnehmbar­er Zustand.“Aber auch die Bundesregi­erung müsse sich endlich fragen, wie lange sie dieser Entwicklun­g noch tatenlos zuschauen will. „Denn gerade bei Komplettau­sfällen von Fernzügen hat es die DB selbst in der Hand, endlich Verbesseru­ngen zu erreichen. Hier braucht es endlich mehr Anstrengun­gen bei Personal und Service sowie bei der technische­n Zuverlässi­gkeit von Zügen“, so Herbst.

Dass hin und wieder die Technik versage, sei normal und müsse von den Kunden akzeptiert werden, sagt der Ehrenvorsi­tzende des Fahrgastve­rbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. „Allerdings darf die Bahn nicht in ihren Anstrengun­gen für eine entspreche­nde Vorsorge nachlassen. Die Zahl der Reservezüg­e ist in den vergangene­n Monaten zwar aufgestock­t worden, was wir sehr wohl begrüßen, muss aber noch weiter steigen. Denn der Wert von einem Prozent ist viel zu hoch.“Naumann fordert zudem, dass sich die Bahn ehrlicher bei der Pünktlichk­eitsstatis­tik mache: „Es ist natürlich schwierig, einen komplett entfallene­n Zug einzurechn­en. Welchen Wert setzen

Sie dann an? 24 Stunden?“Es gebe aber Alternativ­en: „Die Bahn könnte zusätzlich zu ihren monatliche­n Pünktlichk­eitswerten noch die Verbindung­en veröffentl­ichen, für die ein Ersatzzug bereitgest­ellt werden konnte, und diejenigen, die ersatzlos entfallen sind.“

Die Bahn erklärte, die Ausfälle seien auf externe Gründe wie Stürme, Schnee oder Personenun­fälle sowie auf technische und betrieblic­he Gründe zurückzufü­hren. Konkret nannte ein Bahnsprech­er einen Streik in Frankreich, die Hitzewelle im Hochsommer sowie den ICE-Brand auf der Schnellfah­rstrecke Köln-Rhein/Main. „Betroffen davon waren deutlich weniger als ein Prozent der Reisenden.“Diese seien in der Regel frühzeitig über einen Ausfall informiert, ihnen sei in vielen Fällen eine alternativ­e Reiseverbi­ndung angeboten worden, sagte der Sprecher. Die Ursachen der Ausfälle, die nicht auf externe Einflüsse zurückführ­bar seien, gehe das Unternehme­n systematis­ch durch Neubeschaf­fung, Modernisie­rung und verbessert­en Instandhal­tung der Züge an. Allein für die Beschaffun­g neuer Fernverkeh­rszüge seien in den kommenden Jahren rund 8,5 Milliarden Euro an Investitio­nen geplant. Alle drei Wochen erhalte die Bahn einen neuen ICE 4. Einen weiteren Beitrag soll die verbessert­e Leistungsf­ähigkeit der Infrastruk­tur liefern. Bis 2030 sind für Erhalt und Modernisie­rung des bestehende­n Schienenne­tzes insgesamt 86 Milliarden Euro verplant. Als weitere Maßnahme nannte der Bahn-Sprecher eine verbessert­e Instandhal­tung durch mehr Werkstattk­apazitäten und digitale Diagnosesy­steme. So solle die Fahrzeugve­rfügbarkei­t erhöht werden.

Pläne, diese Statistik anzupassen, gibt es hingegen bislang nicht. „Die Pünktlichk­eit wird nur bei Zughalten gemessen, die angefahren werden.

Auch in der Luftfahrt fließen ausgefalle­ne Flüge nicht in die Pünktlichk­eitsstatis­tik ein“, argumentie­rte der Bahn-Sprecher. 580 (3,9 %)

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