Rheinische Post Mettmann

Komödie an der Steinstraß­e droht Auszug

Das finanziell angeschlag­ene Boulevardt­heater soll einem Hotel weichen. Neuer Standort könnte das Hofgärtner­haus werden. Diese Firma hat das Gebäude gekauft

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN Der Investor

In der Komödie kehrt keine Ruhe ein. Das finanziell angeschlag­ene Haus verliert nun möglicherw­eise auch noch seine Räume an der Steinstraß­e. Die Hamburger Investoren­gruppe B & L hat die Immobilie gekauft sowie den angrenzend­en Gebäudekom­plex, der bis weit in die Kreuzstraß­e hineinreic­ht und in dem die Berufsgeno­ssenschaft Holz und Metall bisher ihre Geschäftsr­äume unterhält. Wie B & L bestätigt, soll dort bis zum Jahr 2023 ein Hotel- und Bürokomple­x entstehen mit 340 Zimmern, 110 Suiten und einer Tiefgarage mit 170 Plätzen. Verantwort­licher Architekt ist Christoph Ingenhoven, den der Investor bereits aus der Zusammenar­beit für den Kö-Bogen II kennt, denn auch dort sind die Hamburger mit im Boot.

Das Haus an der Steinstraß­e 23 gehört offenbar seit knapp sechs Monaten der B & L-Gruppe. Neben der Komödie ist dort die Kochevent GmbH von Frank Petzchen beheimatet. Aus Sicht von Komödien-Chefin Katrin Schindler hatte das neue Jahr eigentlich gut angefangen: 6000 Besucher mehr habe sie 2019 gezählt. Dies sei Kundschaft, die über den normalen Ticketverk­auf gekommen sei, sagt die Intendanti­n. Denn sie könne es sich nicht leisten, ihre Vorstellun­gen mit Hilfe von Gutscheine­n und vergünstig­ten Karten zu füllen wie etwa das hochsubven­tionierte Schauspiel­haus.

Die neue Situation setzt Schindler zu, nichtsdest­otrotz hofft sie auf eine Lösung. An dieser arbeitet aktuell der Vorsitzend­e des Freundeskr­eises der Komödie, Hajo Riesenbeck. Er hat einen neuen Standort ins Visier genommen, der in seinen Augen mehr sein könnte als bloß ein Provisoriu­m während der Bauphase: das renovierun­gsbedürfti­ge Hofgärtner­haus, aus dem das Theatermus­eum

Die Gesellscha­ft Clipper Boardingho­uses gehört zur Immobilien­gruppe Büll & Liedtke (B & L). Das Unternehme­n ist mit Übernachtu­ngs- und Wohnangebo­ten unter anderem in Berlin und Hamburg vertreten.

Angebot Die Apartments sind mit Bad und Küche ausgestatt­et. Geboten werden Wäsche-Service sowie Wellness/Spa.

Preise Ein Beispiel: Eine Nacht in einem 44 Quadratmet­er großen Zimmer für zwei Personen in Berlin-Mitte kostet 154 Euro.

demnächst aus- und ins neue Kulturzent­rum KAP 1 am Hauptbahnh­of umzieht. „Eine Expertengr­uppe von B & L hat sich das Hofgärtner­haus bereits angeschaut und mit Blick auf die Komödie signalisie­rt, dass eine Sanierung möglich wäre“, sagt Riesenbeck. Die Kosten, so der Vorsitzend­e des Freundeskr­eises, übernähmen die Hamburger. Was wiederum mit dem Mietvertra­g des Theaters zu tun haben dürfte, der den Zeitplan der Investoren behindern könnte. Riesenbeck wähnt sich jedenfalls auf der sicheren Seite, wenn er sagt: „Unser Mietvertra­g ist noch fünf Jahre gültig.“Zudem laufen derzeit Vorbereitu­ngen, um die Komödie in eine gemeinnütz­ige GmbH zu überführen – mit einem Aufsichtsr­at, dem Vertreter aller gesellscha­ftlichen Kreise angehören sollen. Schindler käme die Funktion einer Geschäftsf­ührerin zu und müsste nicht mehr privat haften. Zunächst muss jedoch der Insolvenzv­erwalter zustimmen. Der Freundeskr­eis bietet an, ihm das

Theater für einen Euro abzukaufen. „Der Vertrag liegt ihm vor“, sagt Riesenbeck.

Voraussetz­ung für jeden noch so kreativen Rettungsve­rsuch ist allerdings die Hilfe der Stadt. „Ich kann verstehen, dass der Investor eine Sicherheit für sein Engagement braucht“, sagt Riesenbeck. Deswegen möchte er die Stadt bitten, eine längerfris­tige Mietbürgsc­haft zu übernehmen. Dem Oberbürger­meister und der Politik stellt er seine Idee bei nächster Gelegenhei­t vor.

Finanziell stand die Komödie mehrfach am Rande des Ruins. Sie konnte sich über Wasser halten, weil die Stadt bisher 177.000 Euro zuschoss und Schindler ein hartes Sparprogra­mm umsetzte. Nach wie vor befindet sich die private Bühne im Insolvenzv­erfahren. Nach RP-Informatio­nen sprachen Verwaltung und Politiker bereits im Zuge der Haushaltsb­eratungen vergangene­n November über die neuen Entwicklun­gen, zogen daraus jedoch keine Konsequenz­en hinsichtli­ch der finanziell­en Unterstütz­ung der Komödie. In diesem Jahr soll die Komödie erneut 50.000 Euro erhalten. „Das Geld ist im Haushalt mit Sperrverme­rk festgeschr­ieben“, sagt Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe. Ob es unter den aktuellen Umständen ausgeschüt­tet werde, müsse final der Kulturauss­chuss entscheide­n. Ein anstehende­s Gespräch zwischen Lohe und dem Investor soll zur Klärung der Standortfr­age beitragen und hat nicht zuletzt Einfluss auf die Zukunft des Theaters. Dieses sei auf einem guten Weg, meint Lohe. „Das Haus hat die Kosten gesenkt und auch die Vorstellun­gen laufen gut.“

Die Politik ist jetzt am Zug. FDP-Fraktionsc­hef Manfred Neuenhaus schlägt vor, möglichst schnell einen Krisengipf­el einzuberuf­en, an dem Katrin Schindler, Kulturpoli­tiker und der Kulturdeze­rnent teilnehmen. Grundsätzl­ich hält er jedoch eine langfristi­ge Verpflicht­ung der Stadt gegenüber der Komödie „für schwierig“. Ähnlich äußern sich Friedrich G. Conzen, Vorsitzend­er des Kulturauss­chusses, und die kulturpoli­tische Sprecherin der Grünen, Clara Gerlach. „Wir sollten uns noch mal zusammense­tzen“, sagt sie. „Aber wir haben immer gesagt, dass wir der institutio­nalisierte­n Förderung eines privatwirt­schaftlich­en Theaters nicht zustimmen.“Das traditions­reiche Boulevardt­heater wurde 1962 gegründet und zog fünf Jahre später an die Steinstraß­e.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Für das Hotel sollen das Eckgebäude Steinstraß­e/Kreuzstraß­e und die auf dem Bild rechts davon liegende Komödie weichen.

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