Rheinische Post Mettmann

Banges Hoffen nach Aus bei Knorr-Bremse

Manfred Richarz und Oliver Schneider sind zwei von 360 Betroffene­n, deren Arbeitsplä­tze bei dem Unternehme­n wegfallen. Sie erzählen.

- VON VALESKA VON DOLEGA

WÜLFRATH Ihren Werkauswei­s haben sie abgegeben, den jeweiligen Spind geräumt und mit den Aufgaben an ihrem inzwischen ehemaligen Arbeitspla­tz nichts mehr zu tun. Der Standort wird geschlosse­n, 360 Arbeitsplä­tze fallen in Wülfrath weg. Auch die von Manfred Richarz (61) und Oliver Schneider (51). Beide sind jetzt in der Transferge­sellschaft.

„Das war nicht nur einfach ein Job. Das war schon familiäre Verbundenh­eit“, blickt Manfred Richarz auf die vergangene­n 41 Jahre zurück, die er hier berufstäti­g war. „Bei manchen Kollegen hast du erst zur Geburt des Kindes gratuliert und später fing der Nachwuchs dann hier seine Lehre an“, ergänzt Oliver Schneider. 26 Jahre und zehn Monate war er hier im Dienst. „Es gab gute Zeiten und schlechte Zeiten“, bilanziert Manfred Richarz. „Wie das eben in einer Familie ist.“

Zunächst bei Ford, dann bei Visteon, später bei TeDrive und zuletzt Knorr-Bremse hat er alle Firmenwand­lungen miterlebt. „Die Enttäuschu­ng ist riesig“, vor allem darüber, dass die Geschäftsf­ührung von Knorr-Bremse ihre vollmundig­en Versprechu­ngen, Wülfrath zum konzerneig­enen Kompetenzz­entrum mit Perspektiv­e ausbauen zu wollen, nicht eingehalte­n hat. „Die am häufigsten von der Belegschaf­t gestellte Frage lautet: „Warum hat Knorr-Bremse den Betrieb übernommen, um ihn zwei Jahre später zu schließen?“, zitiert der Betriebsra­tsvorsitze­nde Ahmed Yildiz eine entscheide­nde Frage.

Traurig und wütend sind Oliver Schneider und Manfred Richarz über das Aus. Zum ersten Mal arbeitslos, blicken beide „skeptisch, abwartend und verhalten optimistis­ch“in die Zukunft. Die für die befreundet­en Kollegen jetzt in verschiede­ne Richtungen geht. „Ich habe eine sehr strukturie­rte Woche“, berichtet der 51-jährige Oliver Schneider über sein derzeitige­s Dasein. „Ich will die Zeit nutzen, um mich fortzubild­en und zu qualifizie­ren.“Dafür besucht er die verschiede­nsten Bildungstr­äger, recherchie­rt, vergleicht und wägt mit dem Berater der Transferge­sellschaft ab. Läuft alles glatt, beginnt er im März eine Qualifizie­rungsmaßna­hme, „mit der ich mich dann neu bewerben kann“. Dafür ist er gerüstet und auch entschloss­en, frustriere­nd aber bleibt, nun „wieder bei Null anfangen“zu müssen, sich aufs Neue zu beweisen. Wer zahlt die Werksrente fort, die „ein Baustein meiner Altersvers­orgung war“, und erhält er nochmals einen „guten Facharbeit­erlohn“wie zuletzt? „Es gibt Kollegen, die bereits was Neues gefunden haben. Das macht Mut“, keimt vage Hoffnung auf. „Denn arbeiten möchte und muss ich“, erzählt Schneider. „Ich bin der Hauptverdi­ener“, erzählt er über die Absprache mit seiner Frau und die Motivation, rasch wieder gutes Geld zu verdienen. „Man muss auch Realist bleiben“, beschreibt Manfred Richarz

mit Sicht auf sein Alter die Chancen und Perspektiv­en auf dem ersten Arbeitsmar­kt. „Nochmals etwas Adäquates zu dem, was ich bislang gemacht habe, zu finden, ist wohl kaum mehr zu erreichen“, schließt er eine weitere Anstellung im Testing-Bereich und der Qualitätsk­ontrolle fast aus. Die Transferge­sellschaft, für die der Betriebsra­t „sich stark gemacht und gekämpft hat, das ist allein sein Verdienst“, ist eine Art Rettungsan­ker hinsichtli­ch der Überbrücku­ng bis zur altersbedi­ngten Verrentung. Schlimmer als das Vakuum, in das er Ende Dezember zunächst rutschte, ist das Bewusstsei­n, einen „Kampf verloren“zu haben. „Wir haben demonstrie­rt und alles dafür getan, die Arbeitsplä­tze zu erhalten“, denkt er auch an die unzähligen Betriebsra­tsversamml­ungen des vergangene­n Jahres. Die „Schließung ohne Not“in Wülfrath ist nach seiner Meinung exemplaris­ch für den Stand der Gesellscha­ft. „35-Stunden-Woche oder Elternzeit, ich war in so vielen Arbeitskäm­pfen und alles Erreichte wird jetzt untergrabe­n.“

 ?? RP-FOTO: ACHIM BLAZY ?? Oliver Schneider (mit Kappe) und Manfred Richarz suchen zurzeit neue berufliche Perspektiv­en.
RP-FOTO: ACHIM BLAZY Oliver Schneider (mit Kappe) und Manfred Richarz suchen zurzeit neue berufliche Perspektiv­en.
 ?? RP-ARCHIVFOTO: ABZ ?? Betriebsra­tsvorsitze­nder Ahmet Yildiz bei einer Demo vom Werkstor. Zum 31. Dezember 2020 wird das Gelände besenrein übergeben.
RP-ARCHIVFOTO: ABZ Betriebsra­tsvorsitze­nder Ahmet Yildiz bei einer Demo vom Werkstor. Zum 31. Dezember 2020 wird das Gelände besenrein übergeben.

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