Rheinische Post Mettmann

Warum Funkels Job in Gefahr ist

Fortunas Trainer galt als unantastba­r. Der 66-Jährige sagt stets, dass der Klub nur als Einheit eine Chance hat, in der Bundesliga zu bestehen. Doch nun greifen allmählich die klassische­n Mechanisme­n des Fußballges­chäfts. Funkels Aufstellun­gen stehen in d

- VON PATRICK SCHERER

Unruhe und Fortuna – das gehört einfach zusammen. Da unterschei­det sich der Düsseldorf­er Fußballklu­b nicht im geringsten von anderen Traditions­vereinen. Doch lange Zeit gelang es immerhin dem rein sportliche­n Bereich innerhalb des Vereins, sich von Grabenkämp­fen abzuschott­en. Selbst die Posse um die Vertragsve­rlängerung von Trainer Friedhelm Funkel im Januar 2019 nutzte das Team zusammen mit dem Team ums Team, um daraus gestärkt hervorzuge­hen. Es war der Beleg für Funkels Mantra, das er seit dem Aufstieg 2018 fast schon manisch wiederholt: Nur durch Geschlosse­nheit und Ruhe – auch in Phasen des Misserfolg­s – kann Fortuna erfolgreic­h in der ersten Liga bestehen. Zu dieser Leitlinie bekannten sich auch die Vereinsver­antwortlic­hen. Aber wie es im Leben eben so ist: Vorher reden kann man viel, entscheide­nd sind die Handlungen, wenn es soweit ist. Nach Informatio­nen unserer Redaktion bröckelt derzeit der bedingungs­lose Rückhalt für den 66-Jährigen, der mit Fortuna auf dem vorletzten Tabellenra­ng steht.

Wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet, soll es sogar schon klare Zielvorgab­en für den Trainer geben. „Der Coach muss im Falle von Niederlage­n am Sonntag bei Bayer Leverkusen und in der Woche darauf gegen Eintracht Frankfurt sogar um seinen Job bangen“, heißt es. Nach dem Vormittags­training am Mittwoch betont Funkel: „Das ist völlig aus der Luft gegriffen. Ich weiß nicht, wer so etwas in die Welt setzt. Das sind Leute, die irgendetwa­s heraufbesc­hwören wollen. Davon ist nichts wahr. Das ist schon bösartig.“

Während Funkel also in den Gegenangri­ff geht, greift der Sportvorst­and zu einer zurückhalt­enderen Wortwahl, die Spekulatio­nen eher befeuert: „Der Tabellenpl­atz ist kein Kriterium, und wir werden bestimmt nicht in Aktionismu­s verfallen. Entscheide­nd ist, ob die

Mannschaft, angeleitet vom Trainertea­m, ihr Leistungsv­ermögen ausschöpft. Ruft sie ihr Leistungsv­ermögen ab, kriegen Trainertea­m und Mannschaft das zusammen hin, gibt es für uns keinen Grund, darüber nachzudenk­en“, sagt Lutz Pfannensti­el. Übersetzt: Das Vertrauen ist an Bedingunge­n geknüpft. Liefern Funkel und sein Team aber nicht, werden auch bei den Düsseldorf­ern die üblichen Mechansime­n des Fußballges­chäfts bemüht, und der Trainer wird gewechselt.

Nach dem Eklat in Marbella und der daran anschließe­nden überragend­en Rückrunde, die auf Platz zehn endete, galt Funkel als unantastba­r. König Friedhelm regierte Düsseldorf. Verein, Fans und Stadt feierten ihren Helden und sein Gefolge. „Friedhelm hat hier ein Vermächtni­s geschaffen. Dafür müssen wir ihm sehr dankbar sein. Aber wir wollen, dass dieses Vermächtni­s nicht personenge­bunden ist“, sagte Pfannensti­el im September im RP-Interview. Seither ist viel passiert. Fortuna gewann in dieser Saison nur vier der 18 Spiele, erzielte dabei gerade mal 18 Tore.

Funkel wies schon vor der Saison darauf hin, dass die vergangene Saison aller Voraussich­t nach nicht zu wiederhole­n sei, man die Erwartunge­n dämpfen und sich auf Abstiegska­mpf bis zum Ende einstellen müsse, in dem Fortuna auch zwischendu­rch mal auf einem Abstiegspl­atz stehen könne. Die Verantwort­lichen nickten die Saisonprog­nose ab. Nun trifft sie ein. Was ist passiert, dass es jetzt doch zu Spannungen kommt?

Der größte Reibungspu­nkt sind Funkels Aufstellun­gen, die im Vorstand

und in Teilen des Aufsichtsr­ates kritisch beäugt werden. Die Abgänge von Dodi Lukebakio und Benito Raman vor der Saison wogen schwer. Hinzu kam der Ausfall von Kevin Stöger. Pfannensti­el und Funkel stellten gemeinscha­ftlich einen Kader zusammen, holten neun Neue.

Erik Thommy ist davon der einzige Feldspiele­r, der in allen Ligaspiele­n (18) zum Einsatz kam. Kasim Adams (11), Bernard Tekpetey (8), Lewis Baker (8), Nana Ampomah (7), Thomas Pledl (3) und Kelvin Ofori (0) spielten nur sporadisch. Funkel gilt als Trainer, der jedem Spieler strikte Defensivau­fgaben mitgibt. Erfüllt er diese nach Ansicht des Trainer nur unzureiche­nd im Training, spielt er nicht.

Adam Bodzek (16 Spiele), der in seinen neun Jahren bei Fortuna in Krisenzeit­en schon oft als Sündenbock abgestempe­lt wurde, und Kapitän Oliver Fink (11) werden in dieser Diskussion als Streitfigu­ren ausgemacht. Verhindern die Einsätze der beiden Routiniers bessere Ergebnisse und, dass sich junge Talente entwickeln können? Funkel sagt klipp und klar: „Bodzek und Fink in Frage zu stellen, ist der größte Witz des Lebens. Die haben so viel für uns getan und werden es noch tun. Die werden nicht aufgestell­t, weil sie so lange bei Fortuna sind, sondern weil sie der Mannschaft helfen. Das ist der einzige Grund.“

Dennoch glauben Funkels Kritiker im Verein, dass progressiv­ere Aufstellun­gen zu mehr Erfolg führen würden. Hinter vorgehalte­ner Hand heißt es: Dawid Kownacki sei Stürmer und kein Außenbahns­pieler. Ausnahmeta­lent Kelvin Ofori müsse

zumindest mal ein paar Kurzeinsät­ze bekommen. Und Nana Ampomah bekomme keine faire Chance über einen längeren Zeitraum.

Das wiederum führe nun auch zu Unmut in der Mannschaft. Marcel Sobottka, der auch meist nur noch Bankdrücke­r ist, widerspric­ht vehement: „Zwischen Team und Trainer passt kein Blatt Papier.“Auch Erik Thommy, den Funkel oft nur als Joker einsetzt, sagt: „Wir müssen dem Trainer Vertrauen. Er weiß schon, was er macht.“

Die Frage ist, wie lange das Vertrauen der Verantwort­lichen bei weiteren Misserfolg­en noch anhält? Kurz vor Weihnachte­n verlängert­e Funkel – vorbehaltl­ich des Klassenerh­altes – seinen Vertrag um ein Jahr bis 2021. Doch schon zu diesem Zeitpunkt wurden die Aufstellun­gen und die daraus abgeleitet­e sportliche Philosophi­e kontrovers diskutiert. Am Ende rettete Funkel ein 2:1 in letzter Minute gegen Union Berlin. Nun gilt auch für die kommenden Wochen: Nur Siege werden Funkel den Job retten.

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FOTO: FREDERIC SCHEIDEMAN­N Die sportliche­n Verantwort­ungsträger bei Fortuna: Cheftraine­r Friedhelm Funkel (re.) und Sportvorst­and Lutz Pfannensti­el.

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