Kabinettsumbildung als Rettungsanker
In der Union werden neue Minister in Verbindung mit einem neuen Parteichef als Aufbruch gewertet.
BERLIN Die CSU beschleicht nach dem angekündigten Rückzug von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer eine düstere Vorstellung: Erreicht die CDU kein Einvernehmen zwischen den potenziellen Konkurrenten im Ringen um Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur, könnten Fliehkräfte freigesetzt werden, die die Union bei der nächsten Bundestagswahl dezimieren. Die Lage sei sehr ernst, heißt es in der CSU. Vor allem in ihren Reihen wird ein Ausweg gesehen: eine Kabinettsumbildung. Das könne Druck nehmen und die CDU in die Lage versetzen, doch erst nur den Parteivorsitzenden zu wählen und deutlich später mit der CSU über die Kanzlerkandidatur zu entscheiden. Ein Rettungsanker.
Mit einer Kabinettsumbildung könnte bei den Bürgern Aufbruchstimmung
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)
verbreitet werden, glauben Christsoziale unter Söder, der zu Jahresbeginn einen entsprechenden Vorstoß gemacht hatte. Merkel hatte allerdings erklärt, sie arbeite mit allen Ministern gut zusammen. Nun könnte es darauf hinauslaufen, dass Söder seine Zustimmung zu einem CDU-Kanzlerkandidaten von einer Kabinettsumbildung abhängig macht. Auch in der CDU gibt es Sympathien für die Idee, mit neuen Ministern der Regierung eine Frischzellenkur zukommen zu lassen. Recht unverhohlen wird darüber gesprochen, dass der 70-jährige Horst Seehofer abgezogen werden solle, um einem Jüngeren Platz zu machen, etwa dem Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer (46, CSU). Oder dass Andreas Scheuer (45, CSU) wegen des Maut-Desasters ausgetauscht und das Verkehrsministerium abgegeben werden könnte. Dafür hätte die CSU dem Vernehmen nach
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gern das Bildungsministerium, was das Aus für die glücklose Ministerin Anja Karliczek (CDU) bedeuten würde.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier, ein Vertrauter von Merkel, wird auch als Wackelkandidat gesehen. Er könnte zum Beispiel Jens Spahn Platz machen müssen, wenn dieser zwar nicht Kanzlerkandidat wird, aber in ein Führungsteam eingebunden werden soll. In der Koalition wird zudem nicht ausgeschlossen, dass einer der beiden neuen SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken ihren Einfluss mit einem Kabinettsposten vergrößern wollten. Der SPD-Chef schließt seit Neustem nicht aus, selbst als Kanzlerkandidat anzutreten.
Eigentlich sollten die möglichen Konkurrenten Friedrich Merz, Gesundheitsminister Spahn und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ja erst einmal miteinander
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprechen, bevor der parteiinterne Wahlkampf richtig ausbricht. Aber aus dem Umfeld von Merz wurde am Mittwochabend bekannt, dass er zur Kandidatur entschlossen sei. Der ehemalige Unionsfraktionsvorsitzende verspürt Rückenwind. Nach dem ARD-Deutschlandtrend sind 40 Prozent der Bürger der Meinung, dass der 64-Jährige ein guter Kanzlerkandidat wäre. Für 30 Prozent der Befragten wäre Laschet der richtige Mann. Spahn hielt jeder Vierte (24 Prozent) für einen guten Kanzlerkandidaten. Unter den Unions-Anhängern liegt Merz mit 69 Prozent noch deutlicher in Führung.
Am Donnerstagabend war Laschet in Berlin bei einem Treffen mit dem CDU-Wirtschaftsrat, dessen Vizepräsident Merz ist. Es drang wenig nach draußen. Bis zum 24. Februar soll Klarheit über das Verfahren herrschen. Zukunftsentscheidung im Turbogang.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)