Rheinische Post Mettmann

„Wir geben das Werk nicht kampflos auf“

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Schwerer Schlag für den Duisburger Süden: Thyssenkru­pp sucht für das Grobblechw­erk in Hüttenheim einen Käufer. Betriebsrä­te und Gewerkscha­ft kündigen Widerstand an. Sie fordern Sicherheit­en bis 2030.

DUISBURG (atrie/jd/maxi/th) Stahlarbei­ter gelten als handfest. Doch als Mehmet Göktas und seine Kollegen am Donnerstag­abend vor ihre Kollegen traten, um sie über das drohende Aus für das Grobblechw­erk zu informiere­n, da flossen bei Teilnehmer­n der Versammlun­g Tränen. Einige aus der Belegschaf­t hätten nicht mehr weiterarbe­iten können, sagte Göktas, der Betriebsra­tsvorsitze­nder des Thyssenkru­pp Standorts in Duisburg-Hüttenheim ist.

Am Tag, nachdem das Management ihnen offenbart hat, dass es sich von dem Geschäft mit Grobbleche­n trennen werde – entweder per Verkauf bis Ende Juni oder aber per Schließung – zeigte Göktas sich entschloss­ener denn je: „Wir werden dieses Werk nicht kampflos aufgeben“, sagte der Betriebsra­tschef. „Alle sind sauer. Sie haben hier in den letzten Jahren wirklich gute Arbeit geleistet und sollen jetzt das Bauernopfe­r sein“, so Göktas.

An Unterstütz­ung mangelte es am Freitag wahrlich nicht. Als einer der Ersten sprang den Stahlarbei­tern Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD) zur Seite. Er besuchte am Freitagmor­gen das Werk und zeigte sich solidarisc­h: „Wir Duisburger müssen jetzt zusammenst­ehen. Ich mache mir große Sorgen um diesen Traditions­standort, der trotz guter Arbeit der Belegschaf­t aufgrund von Management­fehlern nun gefährdet ist“, sagte er unserer Redaktion. Er erwarte von den Entscheide­rn bei Thyssenkru­pp, dass sie einen Käufer finden, der eine Perspektiv­e für das Grobblechw­erk garantiere. „Ich appelliere zudem an Thyssenkru­pp, dass das Unternehme­n die Verantwort­ung für die Beschäftig­ten und ihrer Familien übernimmt und betriebsbe­dingte Kündigunge­n in jedem Fall vermeidet.“

Die stehen allerdings auch gar nicht zur Debatte. So hatte Thyssenkru­pp-Personalvo­rstand Oliver Burkhard klar gemacht, dass man den 800 Beschäftig­ten Angebote an anderen Stellen im Stahl machen werde, eine gewisse Flexibilit­ät vorausgese­tzt. Im Gegenzug heißt es aus Konzernkre­isen, sei man bereit, für zusätzlich­e Fahrtkoste­n und Entgeltsic­herungen, sollte ein Beschäftig­ter künftig für eine schlechter bezahlte Tätigkeit eingesetzt werden. Zudem dürfte es für einen nicht unerheblic­hen Teil Frühverren­tungsregel­ungen geben. Jeder zweite bei Thyssenkru­pp Steel ist älter als 50 Jahre.

Bei den Grobbleche­n läuft es schon länger nicht. Bereits im Mai hatte der Konzern angekündig­t, sie auf den Prüfstand zu stellen. Thyssenkru­pp ist in diesem Segment kein Marktführe­r, war dort nie wirklich stark, hatte zuletzt vor allem Geld verbrannt. Um das Grobblechw­erk wieder fit zu machen wäre wohl ein zwei- bis dreistelli­ger Millionenb­etrag nötig. Geld, das Thyssenkru­pp nicht hat. Nun ziehen die Manager die Reißleine.

Ungeachtet dessen war die Bestürzung am Freitag gewaltig. Die Duisburger SPD-Abgeordnet­e und Fraktionsv­izechefin im Bundestag, Bärbel Bas, forderte die Belegschaf­t zum Widerstand gegen die Pläne auf: „Jetzt heißt gegen die Standortsc­hließung zu kämpfen.“Bas verlangte von Thyssenkru­pp Investitio­nen in die Zukunft des Stahlstand­orts Duisburg. „Ich würde mir wünschen, dass sich Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier und Ministerpr­äsident Armin Laschet genauso hinter die Beschäftig­ten stellen würden.“

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzend­e der Grünen in NRW, Felix Banaszak: „Es kann nicht sein, dass es wieder die Beschäftig­ten sind, die falsche Management-Entscheidu­ngen ausbaden. Thyssenkru­pp hat durch diese Milliarden im Ausland verzockt und gleichzeit­ig nötige Investitio­nen in Deutschlan­d versäumt.“Die Grünen wollten, dass NRW ein starkes Industriel­and bleibe. „Wenn es das aber bleiben soll, braucht es jetzt klare politische Vorgaben für eine klimaneutr­ale Industrie der Zukunft“, sagte Banaszak. „Und es braucht beste Bedingunge­n, damit sich Investitio­nen in eine nachhaltig­e Unternehme­nszukunft für die Firmen rechnen.“Dazu könne es auch nötig sein, klimaneutr­ale Produkte gegen Billigimpo­rte zu schützen.

Auch aus dem Lager der Gewerkscha­ften kamen Forderunge­n, dass sich die Landesregi­erung stärker für die Industrie einsetzen müsse: „Stahl muss in NRW eine Zukunft haben“, sagte die DGB-Chefin von NRW, Anja Weber, unserer Redaktion. Die großen Herausford­erungen durch den Strukturwa­ndel seien bei Thyssenkru­pp noch durch Fehlentsch­eidungen im Management verstärkt worden. „Hier muss schnell gegengeste­uert werden.“Der Fall zeige deutlich, dass die Politik die notwendige­n Rahmenbedi­ngungen setzen müsse, damit Arbeitsplä­tze und Wertschöpf­ung nicht aus Nordrhein-Westfalen abfließen. „Es bedarf einer aktiven Strukturpo­litik.“

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Mehmet Göktas kämpft als Betriebsra­tsvorsitze­nder des Thyssenkru­pp-Werks Hüttenheim für den Erhalt des Standortes.

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