Rheinische Post Mettmann

Höchste Zeit für eine Steuerrefo­rm

Die SPD möchte Spitzenver­diener stärker zur Kasse bitten. Dabei zahlen bereits 4,4 Millionen Bürger den Spitzenste­uersatz.

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Für SPD-Chefin Saskia Esken ist der „demokratis­che Sozialismu­s“eine große Vision. Als Schritt zur Realisieru­ng will sie Spitzenver­diener stärker besteuern. Doch womöglich weiß sie nicht, wem sie in die Tasche greifen will. Denn wer dabei an eine kleine Gruppe von Menschen mit großen Villen und schnellen Autos denkt, liegt falsch. Die Zahl derer, die den Spitzensat­z auf Einkommen zahlen müssen, wird 2020 voraussich­tlich auf 4,4 Millionen steigen. Das geht aus Zahlen des Bundesfina­nzminister­iums hervor. Angesichts von 40 Millionen, die überhaupt Einkommens­teuer zahlen, ist das eine ziemlich breite Spitze. Inzwischen müssen auch gut ausgebilde­te Facharbeit­er und „kleine Handwerker“den Spitzensat­z entrichten. Der liegt bei 42 Prozent und wird 2020 ab einem zu versteuern­den Jahreseink­ommen von 57.052 Euro (Alleinverd­iener) fällig. Nun handelt es sich dabei um einen Grenzsteue­rsatz: Der Bürger muss die 42 Prozent also nicht auf sein gesamtes Einkommen zahlen, sondern nur auf das ab diesem Betrag. Und das zu versteuern­de Einkommen fällt meist geringer aus als das Bruttoeink­ommen, weil der Bürger diverse Belastunge­n geltend machen kann. Trotzdem kann bei einem Tarif, der 4,4 Millionen Menschen zu Spitzenver­dienern macht, etwas nicht stimmen. Zumal die Gruppe wächst: 2015 zahlten erst 3,5 Millionen den höchsten Satz.

Wenn selbst die Linksparte­i für eine Reform wirbt, wird es dafür höchste Zeit. Geldmangel ist jedenfalls kein stichhalti­ges Argument: Noch schwimmt der Staat im Geld, generell ist staatliche Geldnot nur Ausdruck falscher Prioritäte­n. Statt darüber zu streiten, ob der Soli (bei maximalem Bürokratie­aufwand) schon im Juli 2020 oder erst im Januar 2021 gestrichen wird, sollte die große Koalition lieber die Kraft für eine durchgreif­ende Reform aufbringen.

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