Für Klinsmann ist alles vorbei
Jürgen Klinsmann hat sich selbst durch seinen bockigen Abgang in Berlin alle Türen zugeschlagen. Der begabte Egomane wird so keinen Job mehr finden. Und das ist gut.
Lars Windhorst hat in seinem Leben bestimmt nicht immer das Richtige gesagt oder getan. Zwei krachende Pleiten (2003 und 2009) sind dafür bereits Beleg genug. Aber was der Unternehmer und Haupt-Anteilseigner von Hertha BSC zum Abgang des einst so schillernden Trainers Jürgen Klinsmann gesagt hat, ist weder an Deutlichkeit noch an Berechtigung zu übertreffen. „Das kann man als Jugendlicher machen, aber im Geschäftsleben unter Erwachsenen kann man das nicht“, erklärte Windhorst.
Bei seinem vorerst letzten Alleingang hat sich Klinsmann derart im Gestrüpp der öffentlichen Meinung festgelaufen, dass es gewagtere Thesen als diese gibt, nach der die Karriere des Sonnyboys mit Wahlheimat Kalifornien nun wirklich zu Ende ist. Er hat sie selbst beendet.
Extreme Ich-Bezogenheit kann im Profifußball zielführend sein. Beispielsweise im Beruf des Fußballstürmers, den Klinsmann mit viel Eigensinn und großem Erfolg ausübte. Er wurde Europaund Weltmeister, er schoss viele Tore, weil er wie die meisten Torjäger einen gesunden Egoismus an den Tag legte. Und er begeisterte mit seinem jungenhaften Jubel die Fans.
Seine Arbeitgeber begeisterte er nicht immer. Denn Klinsmann zog seine Karriere ausschließlich nach den eigenen Wünschen durch, nach links und rechts sah er dabei nicht. Er wechselte seine Klubs ganz nach (Eigen-)Bedarf. Und wenn ihm etwas nicht passte, erlebte die Fußballwelt seine andere Seite. Als er in München vor Wut über eine Auswechslung ein Loch in eine Werbetonne trat, da sah ein jeder, wie wenig das Gemeinwohl sein Antrieb war.
Für den Job als Bundestrainer von 2004 bis 2006 war Klinsmanns Ich-Bezogenheit gut. Er ließ sich auf keinen Kompromiss ein, und weil das so war, konnte er den Deutschen Fußball-Bund mal so richtig entrümpeln. Der größte Glanz des Sommermärchens fiel auf ihn, den Trainer, den Reformer.
Dass er dafür viele Helfer gebraucht hatte, die längst nicht so ins Scheinwerferlicht gerieten, hat zum Beispiel Bayern Münchens Firmenleitung verdrängt. Klinsmanns mit großem Theaterdonner inszeniertes Gastspiel als Coach des Rekordmeisters endete schnell und unspektakulär. Hinter der Fassade des publikumswirksam lächelnden Erneuerers war nicht viel. Nur viel Gedöns.
Die Elf-Wochen-Operette von Berlin hat Klinsmann endgültig entzaubert. Er kam mit viel Brimborium, mischte fröhlich im Personal herum und sagte viele wirtschaftsenglische Wörter, von denen Commitment sein liebstes war. Er faselte Fantasien vom kommenden „Big-City-Klub“und ignorierte bestehende Strukturen. Er ignorierte sie derart, dass er ohne erkennbar hochwertigen Arbeitsnachweis sportliche Alleinherrschaft nach englischem Vorbild verlangte. Dass die Hertha da nicht begeistert zustimmen konnte, hat nur Klinsmann nicht begriffen.
Und als es ihm klar wurde, trat er nicht wie in München in eine Tonne, sondern verschwand einfach, nachdem er eine wirre Videobotschaft hinterlassen hatte. Es spricht für seinen Verlust an Realitätssinn, dass er bis zum Donnerstag noch glaubte, er werde weiterhin im Aufsichtsrat des Bundesligisten über das große Vereinsschicksal mitbestimmen können.
Windhorst setzte ihm den Stuhl allerdings mit gehörigem Nachdruck vor die Tür. Auch das war richtig. Klinsmanns wohl letztes Solo ist damit gestoppt. Er hat mal wieder hoch gepokert, aber diesmal verloren.
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