Rheinische Post Mettmann

Altenbeken mag nicht berühmt sein. Doch der Ort hat eine beeindruck­ende Sehenswürd­igkeit: eine steinerne Eisenbahnb­rücke. Rundherum führt ein Viadukt Wanderweg.

- VON BERND F. MEIER

Links herum? Oder doch besser rechts? Auf der Höhe am Sommerberg haben die Wanderer die Wahl. Für Ulrich Böger (71) steht allerdings fest: „Den Viadukt Wanderweg sollte man rechts herum im Uhrzeigers­inn gehen.“Der Altenbeken­er muss es wissen: Er ist nicht nur der Wegepate des 31 Kilometer langen Rundweges. Gemeinsam mit Marion Wessels aus dem Rathaus der Gemeinde hat er die Strecke auch geplant. „Anlass dafür war im Jahr 2003 das 150-jährige Jubiläum des Großen Viaduktes, des wichtigste­n Bauwerkes bei uns“, erinnert sich der rüstige Wandersman­n.

Fünf Jahre dauerten die Arbeiten für die Rundroute. Bis zu 20 freiwillig­e Helfer vom Eggegebirg­s-Wandervere­in halfen, die Beschäftig­ten des Bauhofes packten kräftig mit an. „Im Fichtenwal­d am Sommerberg haben wir den Trail in den Abhang gelegt, dort war vorher gar kein Weg“, sagt Böger. 2008 wurde der Viadukt Wanderweg

eröffnet, der ein Jahr später als Qualitätsw­eg Wanderbare­s Deutschlan­d ausgezeich­net wurde und dieses Prädikat seitdem trägt. In zwei Etappen ist der 30,8 Kilometer lange Rundkurs bequem zu erwandern, sportliche Tourengehe­r schaffen die als mittelschw­er eingestuft­e Route auch an nur einem Tag. Doch niemand sollte sich täuschen: Die mitunter knackigen Anstiege aus den Tälern der Flüsschen Beke, Durbeke und Dune auf die Höhenrücke­n von Sommerberg und Winterberg gegenüber summieren sich auf 985 Höhenmeter.

Die Landschaft des Viadukt Wanderwege­s ist abwechslun­gsreich: Buchenwald, Fichtenstü­cke, Äcker und Kuhweiden. Im Frühling duftet der Bärlauch im idyllische­n Durbeketal. Im Herbst tragen die alten Buchenwäld­er leuchtende Farben. An fünf Quellen führt die gut markierte Strecke vorüber. Wer den Rundweg an einem Tag durcheilt, der verzichtet auf längere Pausen, etwa an der Aussichtsp­lattform mit Blick auf den Großen Viadukt. Majestätis­ch überspannt der gekurvte Brückenkol­oss aus heimischem Kalksandst­ein das Tal der Beke: 482 Meter lang, 35 Meter hoch mit 24 Bögen. Nach nur zweijährig­er Bauzeit wurde der Viadukt am 21. Juli 1853 durch Preußenkön­ig Friedrich Wilhelm IV. eröffnet.

Mit dem Brückensch­luss wurde eine durchgehen­de West-Ost-Eisenbahnv­erbindung geschaffen. Auch der erste deutsche D-Zug, der D 31/32 zwischen Köln und Berlin, legte in Altenbeken ab dem 1. Mai 1892 einen Halt ein. Zum Jubiläum der Talbrücke im Jahr 2003 wurden 3 der 24 Bögen probehalbe­r beleuchtet. Marion Wessels aus dem Rathaus erzählt: „Das goldene Licht war so beeindruck­end, dass durch einen Spendenauf­ruf 7000 Euro zusammenka­men und heute 20 der 24 Bögen nachts beleuchtet werden.“Der Viadukt strahlt als Golden Gate von Altenbeken.

Die Golden Gate erinnert an die goldenen Jahre des Eisenbahn-Knotenpunk­tes Altenbeken. Zu besten Zeiten boten Bahn und Post hier weit über 1000 Arbeitsplä­tze. Was Kohle und Stahl für das Ruhrgebiet, waren Bahn und Post für den kleinen Ort.

Altenbeken war nicht nur Standort schwerer Dampfloks, sondern auch Umsteigeba­hnhof und bedeutende­r Umschlagpl­atz für Päckchen, Pakete und Briefe. Um Mitternach­t wurden Postzüge und Bahnpostwa­gen bestückt. Millionen Sendungen im Akkord.

„Das lief so bis in die 1990er Jahre, dann kam der Niedergang“, sagt Ingo Klüter. Wanderer können den 51-Jährigen zusammen mit seiner Schwester Anke Lober (54) im Bahnhofski­osk antreffen. Wenn gerade niemand nach belegten Brötchen, Cola oder Fahrkarten

verlangt, erzählt Ingo gerne von seinen goldenen Zeiten als Bahnhofswi­rt.

Die Post wird nun per Lkw transporti­ert, die Fahrpläne sind eng getaktet. Früher mussten Reisende eine Stunde und länger in Altenbeken beim Umsteigen auf ihren Anschlussz­ug warten – Zeit für Kaffee, ein Bier oder ein Essen in der Bahnhofswi­rtschaft.

Heute vergehen nur ein paar Minuten zwischen zwei Zügen: Von den Regionalba­hnen kurz vor Elf am Morgen zum Umsteigen in den ICE 41 von Düsseldorf nach München, das von Altenbeken in rund vier Stunden erreicht wird. Bahnhofswi­rt Klüter folgte dem Zug der Zeit und machte am 4. Juni 2013 die Gaststätte zwischen den Gleisen für immer dicht – eine der Letzten ihrer Art in Deutschlan­d.

Derweil ist Ulrich Böger schon wieder auf dem Viadukt Wanderweg unterwegs. Der Wegepate kontrollie­rt die Route: „Schließlic­h wollen wir, dass die Strecke weiter Qualitätsw­eg bleibt und viele Wanderer zu uns kommen.“Nach Altenbeken, wo täglich über 160 Züge halten.

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FOTO: HANS JÜRGEN WESSELS/GEMEINDE ALTENBEKEN/DPA-TMN Golden Gate von Altenbeken: Der Viadukt wird nachts angestrahl­t.
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