30.000 Pflege-Studienplätze gefordert
Stiftungen warnen vor sinkenden Bildungsstandards und raten zu mehr Professionalisierung.
KÖLN (RP) Die Robert-Bosch-Stiftung, die Bertelsmann-Stiftung und die Stiftung Münch warnen davor, die Bildungsstandards in der Pflege zu senken. In einemPositionspapier rät die Stiftungsallianz zu einem entschlossenen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik. Ziel müsse eine nachhaltige Professionalisierung und Aufwertung der Pflege sein, mit erheblich mehr akademisch ausgebildeten Pflegekräften und Karrieremöglichkeiten für alle Beschäftigten. Notwendig seien zeitnah rund 30.000 Studienplätze und entsprechende Konzepte für den sinnvollen Einsatz akademischer Fachkräfte in der Pflegepraxis.
„Die Realität zeigt, dass das Bild „Pflege kann jeder“gefährlich ist und nicht gegen den Fachkräftemangel hilft“, sagt Bernadette Klapper, Leiterin des Bereichs Gesundheit der Robert-Bosch-Stiftung. „Deutschland leistet sich eine sehr gute Breitenmedizin, eine wettbewerbsfähige Spitzenmedizin und zugleich einen Dauerpflegenotstand. Um die Pflege in der Fläche zu sichern, müssen wir zusätzlich für Spitzenpflege sorgen. Nur wenn die Attraktivität des Berufsbildes steigt, werden wir langfristig genügend Personal gewinnen können“, so Klapper.
Unter dem Titel „Pflege kann mehr“formulieren die Stiftungen in ihrem Papier fünf zentrale Positionen: zur Professionalisierung, zu erweiterten Kompetenzen, zur Akademisierung und Selbstverwaltung sowie zur Förderung von Exzellenz in der Pflege. Die aktuellen Bemühungen um Verbesserungen wie zuletzt in der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) vereinbart, begrüßt die Stiftungsallianz. In ihren Positionen weist sie insbesondere auf Aspekte hin, die in der Umsetzung der KAP-Ergebnisse noch zu stärken sind. Dazu gehört der spürbare Ausbau von Pflegestudiengängen an Hochschulen und Universitäten. Der Wissenschaftsrat empfiehlt, bis zu 20 Prozent eines Ausbildungsjahrgangs in den Gesundheitsberufen akademisch zu qualifizieren. Dafür müssten jährlich mindestens 10.000 Studienplätze bereitgestellt werden. Bei drei Jahren Studiendauer seien das rund 30.000 Studienplätze und damit deutlich mehr, als es heute gibt.
In ihrem Papier verweisen die Stiftungen auf internationale Beispiele, die zeigen, wie der professionellen Pflege mehr Verantwortung übertragen werden kann. „In vielen Nachbarländern werden seit langem gute Erfahrungen mit der partnerschaftlichen Aufteilung der Heilkundeverantwortung zwischen verschiedenen Berufsgruppen gemacht. Dabei wird verstärkt auf akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen gesetzt, die in enger Kooperation mit Ärzten und weiteren Akteuren Patienten und Pflegebedürftige eigenverantwortlich diagnostisch und therapeutisch versorgen“, betont Boris Augurzky von der Stiftung Münch. Auch die Kompetenz, bestimmte Medikamente und Hilfsmittel selbständig verordnen zu können, gehört für die professionell Pflegenden in anderen Ländern zum Alltag. Eine entsprechende Neujustierung der Gesundheitsberufe in Deutschland wird derzeit vom Bundesgesundheitsministerium geprüft. „Es braucht jetzt den entschiedenen Umsetzungswillen bei Politik und Verantwortlichen, dies auch bei uns zeitnah anzugehen“, so Augurzky.
Darüber hinaus raten die Stiftungen dazu, die Rolle der Pflege in der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen zu stärken. „Dort, wo es um Entscheidungen geht, die Auswirkungen auf die pflegerische Versorgung haben, muss auch die professionelle Pflege mit am Tisch sitzen“, sagt Uwe Schwenk von der Bertelsmann-Stiftung. „Ihre Kompetenzen und ihr Mittun sind ja schon jetzt unverzichtbar. Die Pflegenden sollten sich selbst aber auch stärker organisieren und in die Debatten einbringen“, so Schwenk. So existieren beispielsweise schon heute Pflegekammern in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wird an deren Errichtung gearbeitet.
Diese Entwicklung sollte aus Sicht der Stiftungen von den politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern gefördert werden. „Die Pflegekammern mit ihrer Pflichtmitgliedschaft bieten eine gute Möglichkeit zur organisierten Selbstbestimmung der Pflege, auch wenn damit die freiwillige Selbstorganisation der Pflegenden keineswegs obsolet wird“, betont Schwenk.