Rheinische Post Mettmann

„Kirche muss Dominanzve­rzicht lernen“

Zum Auftakt ihres „Bürgerguta­chtens 2020“lud die evangelisc­he Kirche zur Podiumsdis­kussion.

- VON JÖRG JANSSEN

Die evangelisc­he Kirche in Düsseldorf will wissen, wie die Stadtgesel­lschaft tickt. Was erwarten Menschen unterschie­dlicher Altersgrup­pen von der Zukunft? Und welche Rolle kann dabei die Kirche spielen? Antworten sucht sie in dem mehrmonati­gen Projekt Bürgerguta­chten, das in der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland ein Novum ist. 200 per Zufallspri­nzip ausgewählt­e Bürger werden – wissenscha­ftlich begleitet – mehrere Tage lang in Planungsze­llen mit je 25 Teilnehmer­n über die Zukunft von Stadt und Kirche diskutiere­n. Was sie bewegt, findet Eingang in das Gutachten, das im November der Öffentlich­keit vorgestell­t wird.

Zum Auftakt hatte der Kirchenkre­is zu einer Podiumsdis­kussion in den Plenarsaal des Rathauses eingeladen. Nicht zufällig. Zum einen ist Oberbürger­meister Thomas Geisel einer der Schirmherr­n des basisdemok­ratisch angelegten Gutachtens, zum anderen werden in den Diskussion­sgruppen auch eine Reihe von Themen jenseits von Religion und Kirche angesproch­en. So wird es neben der Sonntagsru­he, modernen Formen kirchliche­r Jugendarbe­it und der „Kirche im Quartier“auch um Digitalisi­erung, Klimaschut­z und den Zusammenha­lt in der Großstadt gehen. „Wie viel Kirche braucht die Stadt?“lautete das Thema der Diskussion, an der der Präses der Landeskirc­he, Manfred Rekowski, Dirk Sauerborn, Polizeibea­mter und Vorsitzend­er der „Lobby für Demokratie“, Jonas Einck, Vorsitzend­er der evangelisc­hen Jugend, Maria Fischer, Vorsitzend­e des Bundes der katholisch­en Unternehme­r, und Samuel Coppes, Jugendpfar­rer im Düsseldorf­er Süden, teilnahmen.

Für Rekowski passt das außergewöh­nliche Projekt gut zum protestant­ischen Geist. „Die evangelisc­he

Kirche ist eine Beteiligun­gskirche“, sagte er im bis auf den letzten Platz gefüllten Plenarsaal. Verfahren wie das Düsseldorf­er Bürgerguta­chten seien ein zeitgemäße­r und erfolgvers­prechender Ansatz. Auch deshalb, weil die Kirche den vor allem in Großstädte­n unübersehb­aren „Dominanzve­rzicht“noch lernen müsse. Es werde zunehmend wichtiger, „mit allen Kräften guten Willens“in den Dialog zu treten. Ob er ein wenig Angst vor den Ergebnisse­n habe, wollte ein Bürger wissen. „Nein, besorgt bin ich überhaupt nicht, es ist wichtig, angstfrei mit

Zukunftsfr­agen umzugehen“, sagte Rekowski.

Begeistert über die von der Kirche angestoßen­e neue Form der Meinungsbi­ldung zeigte sich Sauerborn: „Das ist urdemokrat­isch, eine echte Beteiligun­g, wir laden Laien zu einem Dialog ein und haben eine tolle Chance, wertschätz­end miteinande­r zu reden.“Mit Blick auf die Bürger, die gefragt wurden, ob sie am Gutachten mitarbeite­n wollen, sagte er: „Man kann niemand zwingen, aber derjenige, der gefragt wird, sollte keine Sekunde zögern und unbedingt teilnehmen.“Während Einck die Kirche dazu ermunterte, die neuen Medien offensiver zu nutzen („Wir müssen mehr online sein – und zwar gut“), stellte Sauerborn fest: „Richtig, aber offline von Mensch zu Mensch, von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, ist unverzicht­bar und darf uns nicht verloren gehen.“Und für Coppes muss die Kirche im Idealfall so niedrigsch­wellig sein, als ob gute Freunde am Biertisch sitzen und miteinande­r über das Leben ins Gespräch kommen. Unternehme­rin Maria Fischer betonte den besonderen Wert der Sonntagsru­he. „Der Sonntag ist unverzicht­bar, um den Alltag zu strukturie­ren, sich Zeit für die Familie zu nehmen oder über sich selbst nachzudenk­en. Wir müssen an diesem Tag nicht einkaufen gehen.“

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RP-FOTO: A. ENDERMANN Fünf Diskutante­n bildeten das Podium (v. r.): Dirk Sauerborn, Samuel Coppes, Jonas Einck, Präses Manfred Rekowski und Maria Fischer

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