NRW-Städte fordern Rettungsschirm
Die Steuerschätzung dürfte einen Rückgang der Einnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe wegen der Corona-Krise vorhersagen. Die Kommunen schlagen Alarm: Anstatt weiterer Kredite verlangen sie direkte Finanzhilfen.
BERLIN Angesichts wegbrechender Gebühren und Steuern dringen die Kommunen auf Hilfen von Bund und Ländern. „Wir erwarten, dass sich die Corona-Krise verheerend auf die kommunalen Haushalte auswirkt“, sagte Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds NRW, Bernd Jürgen Schneider. Er sprach von „Ausfällen in nie dagewesenem Ausmaß“.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wird am heutigen Donnerstag die Ergebnisse der amtlichen Steuerschätzung bekannt geben. Im Vorfeld hatte sein Ministerium die möglichen Mindereinnahmen gegenüber der letzten Prognose im Herbst allein für 2020 auf knapp 120 Milliarden Euro geschätzt. Jeweils die Hälfte davon entfielen auf den Bund sowie auf Länder und Gemeinden. An der Steuerschätzung sind neben Experten von Bund und Ländern auch Wirtschaftsforscher und die Bundesbank beteiligt.
Schneider sagte: „Wir brauchen dringend einen echten finanziellen Schutzschirm.“Er warnte, es werde nicht reichen, „den Kommunen durch ein gelockertes Haushaltsrecht lediglich einen Freischein zur weiteren Verschuldung zu überreichen. Es geht nicht um Almosen. Es geht um die Funktionsfähigkeit der Städte und Gemeinden.“
Unterstützung kam von Bundesebene: „Die Kommunen brauchen einen Rettungsschirm von Bund und Ländern, da sie insgesamt mit Einnahmeausfällen in der Größenordnung von 40 bis 60 Milliarden Euro für die Jahre 2020 und 2021 rechnen müssen“, sagte der Präsident des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg. Ohne diesen Rettungsschirm könnten viele Gemeinden notwendige Ausgaben bald nicht mehr leisten und nach der Sommerpause auch keine Haushalte für 2021 aufstellen. „Zusätzlich fordern wir ein kommunales Investitionsprogramm im Rahmen des von Finanzminister Scholz angekündigten Konjunkturpakets“, sagte Landsberg. Dazu will die Koalition im Juni erste Pläne vorlegen.
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) verwies auf den Ende März beschlossenen Acht-Punkte-Plan der Landesregierung zum Schutz der Kommunen, der auch vorsehe, dass diese einen anteiligen Ausgleich der corona-bedingten Schäden aus dem 25-Milliarden-Euro-Rettungsschirm des Landes erhalten. Zudem verwies sie auf ein Hilfskreditprogramm, sogenannte Haftungsfreistellungen in Höhe von zehn Milliarden Euro, die derzeit im Landtag beraten werden, um die Kommunen abzusichern und zugleich öffentliche mit privaten Unternehmen beim Zugang zu Bürgschaften und günstigen Darlehenskonditionen gleichzustellen. „Die Landesregierung freut sich sehr, wenn die Bundesregierung an dieser Stelle auch endlich Waffengleichheit im Hinblick auf die öffentliche Hand herstellen würde“, sagte Scharrenbach.
Da die weitere Steuerentwicklung in diesem Jahr besonders unsicher ist, soll es Anfang September eine weitere außerordentliche Steuerschätzung geben. Erst auf dieser Grundlage will Scholz seinen Plan für den Bundeshaushalt 2021 vorlegen. Üblich ist das sonst vor der parlamentarischen Sommerpause Anfang Juli. Ähnlich will es NRW handhaben: „Die Landesregierung wird den Haushaltsentwurf für 2021 zeitlich parallel zum Bundeshaushalt im Oktober 2020 in den Landtag einbringen“, sagte Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU). Der Haushalt könnte dann mit einer verkürzten Beratungsfrist in den Ausschüssen oder mit einer Bündelung der zweiten und dritten Lesung in einer Plenumswoche vor Weihnachten verabschiedet werden.
Bund und Länder wollen die Steuermindereinnahmen durch eine Erhöhung der Neuverschuldung ausgleichen. Doch die SPD-Spitze fordert auch Steuererhöhungen für Reiche und Besserverdienende. Die Union lehnt das jedoch ab. Auch Ökonomen wandten sich dagegen: „Ich halte eine Diskussion über Steuererhöhungen derzeit für völlig verfehlt. Es muss jetzt darum gehen, Vertrauen zu schaffen und nicht Unternehmen und Bürger durch die Androhung von Steuererhöhungen zu verunsichern“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Leitartikel