Rheinische Post Mettmann

„Automanage­r müssen ihren Beitrag leisten“

- ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Die Corona-Krise hat Europas Wirtschaft in eine tiefe Rezession gestürzt. Um welche Branchen machen Sie sich besonders Sorgen?

HOFFMANN Die Krise trifft alle Branchen, das ist der Unterschie­d zur Finanzkris­e 2008, als vor allem Banken betroffen waren. Der Shutdown hat Handel, Gastronomi­e und Dienstleis­tungen schwer zugesetzt, in der Industrie sind Lieferkett­en anhaltend gestört. Darum muss es am Dienstag ein kraftvolle­s Signal der großen Koalition für ein Konjunktur­programm geben.

Dabei wird es auch um Kaufprämie­n für Autos gehen. Soll der Staat ernsthaft für neue Verbrenner Zuschüsse zahlen?

HOFFMANN Wir brauchen im Rahmen eines ambitionie­rten Konjunktur­programms staatliche Unterstütz­ung für umweltfreu­ndliche Mobilität. Die Corona-Krise bietet uns die Chance, diese Aufgabe anzugehen. Da es bei der Elektromob­ilität noch Engpässe gibt, etwa bei Ladesäulen, werden wir weiter Verbrenner brauchen. Wenn die Kaufprämie hilft, auf deutlich sparsamere Verbrenner umzusteige­n, ist damit der Umwelt und der Industrie geholfen. Genauso bedeutsam ist der öffentlich­e Personenna­hverkehr, bei dem die Fahrgastei­nnahmen dramatisch eingebroch­en sind. Wir brauchen daher zwingend auch einen Rettungssc­hirm für den ÖPNV.

Der Unmut der Bevölkerun­g ist aber groß: Wieso sollte der Staat ausgerechn­et einer Branche helfen, die mit Dieseln betrogen und den Strukturwa­ndel verschlafe­n hat?

HOFFMANN Natürlich muss auch die Autoindust­rie selbst einen kräftigen Beitrag leisten, zumal es den großen Autoherste­llern vergleichs­weise gut geht. Schwer in der Krise sind die Zulieferer, vielen steht das Wasser bis zum Hals. An der Rettung ihrer langjährig­en Partner müssen sich auch die Autokonzer­ne beteiligen, um Beschäftig­ung zu sichern.

Sollte es dann als Gegenleist­ung für eine Kaufprämie wenigstens Gehaltsdec­kelungen geben?

HOFFMANN Wenn der Staat mit Milliarden hilft, kann er erwarten, dass auch Manager und Aktionäre ihren Beitrag leisten – im Übrigen nicht nur bei den Autoherste­llern. Die Vorstandsg­ehälter müssen gedeckelt werden, die weichen Bestimmung­en im Corporate-Governance-Kodex reichen nicht aus. Dass ein Vorstand das 70-fache des Durchschni­ttslohns eines Facharbeit­ers verdient, ist nicht akzeptabel. Ebenso muss die Kaufprämie mit einem Verzicht der Ausschüttu­ng verbunden werden. Wer Hilfe will, darf keine Dividende zahlen. Auch die Aktionäre der Hersteller müssen ihren Beitrag leisten.

Streit gibt es auch um den Mindestloh­n. Einige Unionspoli­tiker fordern eine Senkung unter die aktuell 9,35 Euro pro Stunde oder den Verzicht auf die geplante Erhöhung 2021.

HOFFMANN Das ist doch absoluter Unfug. Die Helden des Alltags haben mehr verdient als Applaus, eine Lohnsenkun­g wäre ein Schlag ins Gesicht. Zudem gibt es eine klare Regel: Der Mindestloh­n orientiert sich nachlaufen­d an der Tariflohne­ntwicklung der vergangene­n zwei Jahre. Und es muss dringend mit dem Missstand aufgeräumt werden, dass 2,4 Millionen Beschäftig­e um den Mindestloh­n betrogen werden.

Die Gewerkscha­ften wollen den Mindestloh­n auf 12 Euro erhöhen. Dafür ist jetzt nicht die Zeit …

HOFFMANN Die Corona-Krise verschärft die soziale Ungleichhe­it in Deutschlan­d. Deshalb ist es wichtiger denn je, dass der Mindestloh­n perspektiv­isch auf zwölf Euro steigt. Es wäre klug, wenn die Mindestloh­n-Kommission hierfür einen Korridor aufzeigen würde. Andernfall­s müsste der Staat intervenie­ren. Danach überlässt er die weiteren Anhebungen der Kommission.

Ein Verlierer der Krise sind Azubis. Wie kann man ihnen und den Betrieben

helfen?

HOFFMANN Wir brauchen einen Schutzschi­rm für Ausbildung. Ausbildung­splätze müssen unbedingt erhalten bleiben. In den kommenden Wochen und Monaten könnte die Zahl insolvente­r Betriebe steigen. Die betroffene­n Azubis sollten von anderen Betrieben übernommen werden, damit sie ihre Ausbildung beenden können. Hierfür könnten die übernehmen­den Betriebe eine Prämie bekommen, so wie es die Allianz für Aus- und Weiterbild­ung diese Woche vorgeschla­gen hat.

Soll es für künftige Azubis einen Ausbildung­sbonus geben?

HOFFMANN Tatsächlic­h drückt die Corona-Krise das Angebot an Lehrstelle­n. Je nach Branche und Region werden bis zu 20 Prozent weniger Plätze im Vergleich zum Vorjahr gemeldet. Das ist ein Problem für die Schulabgän­ger und verschärft den künftigen Fachkräfte­mangel. Von einem Ausbildung­sbonus für alle Betriebe halte ich gleichwohl nichts. Hier muss man gezielt helfen, beispielsw­eise durch eine Verbundaus­bildung.

Auch Frauen sind Verlierer: Viele zerreißen sich zwischen Homeoffice und Kinderbetr­euung ...

HOFFMANN Frauen sind besonders betroffen: Sie bekommen im Schnitt 20 Prozent weniger Lohn und müssen nun noch den Großteil der Kinderbetr­euung stemmen. Auch hier ist die Corona-Krise eine Chance, das Thema Equal Pay endlich anzupacken und für eine gleiche Bezahlung zu sorgen.

Armin Laschet will einen Bonus von 600 Euro pro Kind zahlen. Guter Plan?

HOFFMANN Ein Bonus für Familien, den auch Finanzmini­ster Scholz vorgeschla­gen hat, ist aus konjunktur­ellen Gründen gut: Er hilft, Kaufkraft und Nachfrage zu stabilisie­ren. Allerdings sollte es den Bonus nur sozial gestaffelt geben: für kleine und mittlere Einkommen, aber nicht für reiche Familien. Wir wollen ja den Konsum erhöhen, nicht die Sparquote. Auch einmalige Konsumchec­ks, die mit einem Verfallsda­tum versehen sind, sind sinnvoll und können zur Stabilisie­rung der Konjunktur beitragen.

Soll der Soli fallen?

HOFFMANN Die DGB-Gewerkscha­ften haben sich stets gegen die Abschaffun­g des Solis ausgesproc­hen. Niedrige Einkommen belastet er gar nicht und mittlere nur wenig. Der größte Teil des Solis wird von den wohlhabend­sten 20 Prozent aufgebrach­t. Schon vor der Krise haben wir dafür geworben, den Soli als Instrument des Bundes beizubehal­ten, um struktursc­hwachen Regionen in Ost und West unter die Arme greifen zu können. Das ist nun noch notwendige­r denn je!

SPD-Chefin Saskia Esken fordert zur Finanzieru­ng eine einmalige Vermögensa­bgabe. Die gefällt Ihnen doch bestimmt?

HOFFMANN Über eine Vermögensa­bgabe, ähnlich der, wie wir sie in Westdeutsc­hland unter Adenauer schon einmal hatten, wird man gewiss auch reden müssen. Zunächst sollte aber die Aussetzung der Vermögenst­euer beendet werden. Über die Finanzieru­ng der Corona-Lasten mache ich mir wenig Sorgen.

Der Chef des Gewerkscha­ftsbunds über die Kaufprämie, Laschets Familienbo­nus und einen Corona-Soli.

Nein? Der Staat verteilt Milliarden.

HOFFMANN Wir können uns höhere Schulden leisten. Durch die aktuellen Hilfspaket­e steigt die Staatsvers­chuldung auf 80 Prozent. Je mehr wir für die Konjunktur tun, desto leichter wachsen wir aus den Schulden wieder heraus. Darum war das Paket, das Kommission­s-Präsidenti­n von der Leyen nun vorgeschla­gen hat, auch so wichtig.

Sie hat die Büchse der Pandora geöffnet, nun sind gemeinsame Schulden der EU-Staaten möglich …

HOFFMANN Das wurde auch Zeit! Die deutsche Wirtschaft profitiert wie keine andere von der EU, 60 Prozent unserer Exporte gehen zu den Nachbarn. Nun müssen wir auch zu einer gemeinsame­n Fiskalpoli­tik kommen – mit gemeinsame­n Schulden und gemeinsame­r Mindestbes­teuerung für Unternehme­n. Europa ist es wert.

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FOTO: LAIF

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