Rheinische Post Mettmann

EU legt gegen Lufthansa nach

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Die Wettbewerb­s-Kommissari­n fordert von der Airline, Startrecht­e in Frankfurt und München abzugeben. Das soll Vorteile der Staatshilf­e ausgleiche­n. Eine Analyse zeigt die Dominanz der Lufthansa an diesen Standorten.

FRANKFURT/BRÜSSEL Der Streit um die Rettung der Lufthansa spitzt sich zu. EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager verteidigt­e am Freitag ihre Forderung, dass die Airline an ihren zwei Hauptflugh­äfen Frankfurt und München viele Start -und Landerecht­e („Slots“) abgeben solle, um den Vorteil durch den Einstieg des deutschen Staates mit bis zu 25 Prozent auszugleic­hen. Die EU wolle sicherstel­len, dass „Wettbewerb­sverzerrun­gen behoben werden“, sagte sie. Es stärke eine Airline mehr, wenn ein Staat wie in Deutschlan­d mit Eigenkapit­al einsteige als wenn er (wie Frankreich bei Air France) nur Kredite vergebe. Lufthansa soll neun Milliarden Euro vom Bund erhalten, drei Milliarden Euro als Kredit. Die EU fordert laut Branchenke­nnern die Abgabe von rund 100 Start- und Landerecht­en pro Tag zu attraktive­n Uhrzeiten wie am frühen Abend und am Morgen.

Dabei zeigt eine für unsere Redaktion erstellte Analyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dass die Kranichair­line in München und Frankfurt mit jeweils mehr als 66 Prozent einen deutlich höheren Marktantei­l hat als die zwei großen anderen Airline-Gruppen Europas Air France/KLM und British Airways/Iberia an ihren Hauptflugh­äfen mit maximal 53,5 Prozent. Das sind Amsterdam, Paris, London und Madrid. Alle Zahlen beziehen sich auf das vergangene Jahr. „Lufthansa hat ihre Festungen gut verteidigt“, sagt der Luftfahrte­xperte Heinrich Großbongar­dt. „Da ist verständli­ch, wenn die EU hinschaut.“

Aus Sicht der Lufthansa gleicht die Dominanz in Frankfurt und München nur den Nachteil aus, dass diese zwei Airports ein längst nicht so großes Einzugsgeb­iet haben wie insbesonde­re London und Paris. „Aus diesen Riesenstäd­ten startende Jumbojets nach Asien oder Amerika werden immer zu weit mehr als 60 Prozent mit Passagiere­n aus der Region gefüllt, also brauchen die nur wenige Umsteiger aus Zubringerf­lügen“, sagt ein Lufthansa-Manager. Dagegen würden in Frankfurt und München rund 80 Prozent der Langstreck­enpassagie­re mit einem Kurzstreck­enjet kommen, bevor sie weiterreis­en.

Würde Lufthansa in Frankfurt und München auf 100 Starts und Landungen pro Tag verzichten, würde dies 1,2 Milliarden Euro Umsatz im Jahr kosten, rechnete der Konzern intern aus. Vielen Langstreck­enjets würden gut zahlende Gäste fehlen. Entspreche­nd hart wird auf die EU-Ansagen reagiert. Am Mittwoch lehnte der Aufsichtsr­at des Konzerns es ab, das Rettungspa­ket des Bundes anzunehmen, weil die EU-Auflagen inakzeptab­el seien. Ein Aufsichtsr­at drohte anonym, es sei möglicherw­eise besser, das Unternehme­n in Insolvenz gehen zu lassen statt die EU-Forderunge­n zu erfüllen. Ein Brief von Lufthansa-Mitarbeite­rn an EU-Kommisions­chefin Ursula von der Leyen (CDU) und Vestager macht dem Unmut Luft: „Die Bedingung, die Sie an die Rettung unseres Unternehme­ns knüpfen, sind für uns erschütter­nd.“

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat Widerstand gegen die Abgabe der Flugrechte angekündig­t. „Das lassen wir nicht mit uns machen“, sagte sie am Montag in einer Sitzung im CDU-Präsidium. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) legte am Freitag nach: „Es wäre fatal, Lufthansa durch die Abgabe von attraktive­n Start- und Landezeite­n an Mitbewerbe­r zu schwächen, die die hohen Standards der Lufthansa nicht erfüllen.“Gemeint ist vorrangig Ryanair.

Rund 100 Slots will die EU umverteile­n, Lufthansa bot angeblich freiwillli­g die Abgabe von 24 Slots an. „Ein Kompromiss dürfte möglich sein, gerade weil die EU Deutschlan­d in der Corona-Krise dringend braucht“, sagt Großbongar­dt.

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