EU legt gegen Lufthansa nach
Die Wettbewerbs-Kommissarin fordert von der Airline, Startrechte in Frankfurt und München abzugeben. Das soll Vorteile der Staatshilfe ausgleichen. Eine Analyse zeigt die Dominanz der Lufthansa an diesen Standorten.
FRANKFURT/BRÜSSEL Der Streit um die Rettung der Lufthansa spitzt sich zu. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verteidigte am Freitag ihre Forderung, dass die Airline an ihren zwei Hauptflughäfen Frankfurt und München viele Start -und Landerechte („Slots“) abgeben solle, um den Vorteil durch den Einstieg des deutschen Staates mit bis zu 25 Prozent auszugleichen. Die EU wolle sicherstellen, dass „Wettbewerbsverzerrungen behoben werden“, sagte sie. Es stärke eine Airline mehr, wenn ein Staat wie in Deutschland mit Eigenkapital einsteige als wenn er (wie Frankreich bei Air France) nur Kredite vergebe. Lufthansa soll neun Milliarden Euro vom Bund erhalten, drei Milliarden Euro als Kredit. Die EU fordert laut Branchenkennern die Abgabe von rund 100 Start- und Landerechten pro Tag zu attraktiven Uhrzeiten wie am frühen Abend und am Morgen.
Dabei zeigt eine für unsere Redaktion erstellte Analyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dass die Kranichairline in München und Frankfurt mit jeweils mehr als 66 Prozent einen deutlich höheren Marktanteil hat als die zwei großen anderen Airline-Gruppen Europas Air France/KLM und British Airways/Iberia an ihren Hauptflughäfen mit maximal 53,5 Prozent. Das sind Amsterdam, Paris, London und Madrid. Alle Zahlen beziehen sich auf das vergangene Jahr. „Lufthansa hat ihre Festungen gut verteidigt“, sagt der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. „Da ist verständlich, wenn die EU hinschaut.“
Aus Sicht der Lufthansa gleicht die Dominanz in Frankfurt und München nur den Nachteil aus, dass diese zwei Airports ein längst nicht so großes Einzugsgebiet haben wie insbesondere London und Paris. „Aus diesen Riesenstädten startende Jumbojets nach Asien oder Amerika werden immer zu weit mehr als 60 Prozent mit Passagieren aus der Region gefüllt, also brauchen die nur wenige Umsteiger aus Zubringerflügen“, sagt ein Lufthansa-Manager. Dagegen würden in Frankfurt und München rund 80 Prozent der Langstreckenpassagiere mit einem Kurzstreckenjet kommen, bevor sie weiterreisen.
Würde Lufthansa in Frankfurt und München auf 100 Starts und Landungen pro Tag verzichten, würde dies 1,2 Milliarden Euro Umsatz im Jahr kosten, rechnete der Konzern intern aus. Vielen Langstreckenjets würden gut zahlende Gäste fehlen. Entsprechend hart wird auf die EU-Ansagen reagiert. Am Mittwoch lehnte der Aufsichtsrat des Konzerns es ab, das Rettungspaket des Bundes anzunehmen, weil die EU-Auflagen inakzeptabel seien. Ein Aufsichtsrat drohte anonym, es sei möglicherweise besser, das Unternehmen in Insolvenz gehen zu lassen statt die EU-Forderungen zu erfüllen. Ein Brief von Lufthansa-Mitarbeitern an EU-Kommisionschefin Ursula von der Leyen (CDU) und Vestager macht dem Unmut Luft: „Die Bedingung, die Sie an die Rettung unseres Unternehmens knüpfen, sind für uns erschütternd.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Widerstand gegen die Abgabe der Flugrechte angekündigt. „Das lassen wir nicht mit uns machen“, sagte sie am Montag in einer Sitzung im CDU-Präsidium. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) legte am Freitag nach: „Es wäre fatal, Lufthansa durch die Abgabe von attraktiven Start- und Landezeiten an Mitbewerber zu schwächen, die die hohen Standards der Lufthansa nicht erfüllen.“Gemeint ist vorrangig Ryanair.
Rund 100 Slots will die EU umverteilen, Lufthansa bot angeblich freiwilllig die Abgabe von 24 Slots an. „Ein Kompromiss dürfte möglich sein, gerade weil die EU Deutschland in der Corona-Krise dringend braucht“, sagt Großbongardt.