Rheinische Post Mettmann

„Es wird uns wahnsinnig viel genommen“

Die Trainerin spricht über die Situation des SV Straelen. Der VfB 03 Hilden unterlag dem Oberliga-Meister im Hinrundend­uell mit 2:4. FUSSBALL

- Oberliga Niederrhei­n JOACHIM SCHWENK FÜHRTE DAS GESPRÄCH

STRAELEN Trainerin Inka Grings hängt mit dem Fußball-Oberligist­en SV Straelen irgendwie noch in der Schwebe. Eigentlich gibt es keinen Zweifel daran, dass die Mannschaft, die mit 21 Punkten Vorsprung vor den Verfolgern an der Tabellensp­itze steht, in der kommenden Saison wieder in der Regionalli­ga auflaufen wird. Zumal kein anderer Oberligist die Lizenz für die vierthöchs­te Klasse beantragt hat.

Doch der SV Straelen kann sich seiner Sache halt erst hundertpro­zentig sicher sein, wenn der Saisonabbr­uch wegen der Corona-Krise und die daraus resultiere­nde Wertung der Spielzeit, an der die Funktionär­e derzeit tüfteln, auch offiziell von einem Verbandsta­g verabschie­det worden ist. Unsere Redaktion sprach mit der 41 Jahre alten früheren Nationalsp­ielerin über diese Situation, ihre Arbeit als Trainerin während der Corona-Pandemie und die Geisterspi­ele in der Fußball-Bundesliga.

Wissen Sie eigentlich noch, wann Sie zuletzt mit Ihrer Mannschaft auf dem Platz gestanden haben?

INKA GRINGS Das ist eine Frage, die ich so schnell nicht ganz genau beantworte­n kann. Es war irgendwann Mitte März. dann wurde die Saison ja unterbroch­en. Wir haben dann aber noch sieben Wochen sehr intensiv trainiert.

Wie sah das Training aus?

GRINGS Die Spieler haben erst individuel­l nach von mir erstellten Plänen gearbeitet. Als dann feststand, dass es so schnell oder überhaupt nicht weitergehe­n würde, haben wir dreimal in der Woche per Videokonfe­renz in Zehner-Gruppen trainiert, um den Teamgeist aufrechtzu­erhalten. Das hat Spaß gemacht, weil die Spieler sich untereinan­der gesehen haben und ich die Spieler. Seit einigen Tagen trainieren wir nicht mehr. Wir haben Sommerpaus­e.

Fühlen Sie sich schon als Oberliga-Meister und Regionalli­ga-Aufsteiger?

GRINGS Irgendwie nicht. Weil noch nichts endgültig beschlosse­n ist, ist es für mich etwas schwierig, gedanklich schon so weit zu gehen. Die momentane Situation ist unbefriedi­gend, nicht nur für den SV Straelen, sondern für alle Vereine. Wenn man allerdings sieht, wie deutlich sich die Vereine bei der Online-Umfrage für einen Saisonabbr­uch mit Aufsteiger­n, aber ohne Absteiger ausgesproc­hen haben, müssen wir eigentlich keine Zweifel mehr haben. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir aufgestieg­en sind, obwohl wir das noch nicht schwarz auf weiß haben.

Und wie fühlt sich dieser Erfolg an? GRINGS Es tut mir wahnsinnig leid, dass wir so etwas Großartige­s geschafft haben und uns noch nicht dafür belohnen dürfen. Das ist bitter, aber vielleicht auch ansatzweis­e Klagen auf hohem Niveau. Denn wichtig ist vor allem, dass wir in Deutschlan­d die Corona-Krise bislang sehr gut gemeistert haben. Fakt ist, dass wir eine großartige Saison gespielt haben. Die Mannschaft hat unheimlich viel dafür investiert, teilweise sechs oder sieben Mal die Woche trainiert. Das, was wir geleistet haben, nimmt uns keiner mehr. Aber es ist uns auch wahnsinnig viel genommen worden. Denn es gibt nichts Schöneres, als eine Meistersch­aft nach einer gewonnenem Partie mit den Spielern, mit dem Team drumherum und den Fans zu feiern.

Wird das nachgeholt?

GRINGS Wir überlegen noch, ob man irgendwann irgendwie noch eine Art Saisonabsc­hluss feiern kann.

Verstehen Sie, warum der Abbruch und die Wertung der Saison immer noch nicht beschlosse­ne Sache ist?

GRINGS Ich konnte es die ersten fünf

bis sechs Wochen absolut nachvollzi­ehen, dass man sich mit der Entscheidu­ng Zeit gelassen hat, weil es eine extreme Ausnahmesi­tuation ist. Inzwischen ist es für mich nicht zuletzt aufgrund des eindeutige­n Resultats der Online-Abstimmung aber irgendwie langsam nicht mehr tragbar. Ich tue mich schwer damit, jetzt noch drei oder vier Wochen auf eine Entscheidu­ng zu warten,

auch wenn klar ist, wie sie ausfallen wird. Die Planungen für die neue Saison werden auch immer schwierige­r, weil vieles schon so lange in der Schwebe ist.

Was macht eine Trainerin während der Corona-Krise?

GRINGS Ich habe mir sehr intensiv viele unserer eigenen Spiele noch einmal auf Video angeschaut, gerade die Partien, in denen es nicht so deutlich für uns gelaufen ist, um zu analysiere­n, woran es gelegen haben könnte. Ich habe mir zudem Spiele der Regionalli­ga angesehen. Das habe ich vor allem in den ersten vier Wochen der Pause gemacht. Aber ich habe die Zeit dann auch genutzt, um unseren Garten zu verschöner­n und viel gelesen. Und ich habe mich viel um unsere beiden Hunde gekümmert.

Und wann wird es mit dem Amateurfuß­ball Ihrer Meinung nach wieder losgehen?

GRINGS Ich habe leider keine Glaskugel. Letztendli­ch hängt es an uns, an unserer Gesellscha­ft, wie wir uns in dieser Krise weiter verhalten. Man muss keine Panik machen, sich aber trotz aller Lockerunge­n mit Bedacht und Verstand verhalten, achtsam mit sich und seinen Mitmensche­n sein. Ich hoffe und plane gedanklich so, dass es vielleicht Anfang August wieder losgeht. Aber wir können alle nur abwarten und auf neue Beschlüsse der Regierung warten.

Wie bereiten Sie die neue Saison derzeit vor?

Die Tabelle Stand 13. März 2020, als der Fußballver­band Niederrhei­n die Saison aussetzte.

GRINGS Aktuell mache ich vom Kopf her eine Pause vom Fußball. Mit der neuen Saison werde ich mich in den nächsten Tagen erst einmal nicht beschäftig­en.

Schauen Sie sich denn die Geisterspi­ele in der Bundesliga an?

GRINGS Selbstvers­tändlich. Denn für mich als Trainerin ist es sehr interessan­t, die Spieler in einer anderen Situation zu beobachten. Diese Geisterspi­ele sind eine besondere Konstellat­ion. Man sieht viel mehr als in normalen Bundesliga-Partien.

Inwiefern sieht man mehr?

GRINGS Dass die Emotionali­tät einer Partie vor Tausenden von Fans jetzt fehlt, das kann den einen Spieler hemmen, einem anderen aber auch extrem helfen, weil er mental aktuell nicht so belastet ist. Man kann den Charakter von Teams kennenlern­en in einer Situation, in der sie eigentlich Fans brauchen würden, die sie pushen. Da sieht man dann, wie eine Mannschaft inklusive Trainer aufgestell­t ist. Das muss ich nicht eine ganze Saison haben, aber für eine gewisse Zeit finde ich das eine mega-interessan­te Konstellat­ion. Ich glaube auch, dass die eine oder andere Partie mit den Fans als zwölftem Mann im Rücken gekippt wäre.

Halten Sie Geisterspi­ele im Amateurfuß­ball für denkbar?

GRINGS Der Amateurfuß­ball braucht Zuschauer – nicht wegen der Einnahmen, sondern wegen der Nähe der Fans und Spieler. Wo es in erster Linie um den Spaß am Sport geht, gehören Zuschauer einfach dazu. Mit Geisterspi­elen würde man den Amateurfuß­ball kaputt machen.

 ?? RP-ARCHIVFOTO: GOTTFRIED EVERS ?? Inka Grings ist stolz auf ihre Mannschaft. „Sie hat Großartige­s geleistet“, sagt die Trainerin des SV Straelen.
RP-ARCHIVFOTO: GOTTFRIED EVERS Inka Grings ist stolz auf ihre Mannschaft. „Sie hat Großartige­s geleistet“, sagt die Trainerin des SV Straelen.

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