Der neue Auf bruch ins All
Drei Tage nach dem ersten Versuch soll am Samstag um 21.22 Uhr in Florida eine Rakete starten, mit der zwei Astronauten zur Raumstation ISS fliegen. Das Datum könnte Geschichte schreiben: als Beginn einer neuen Ära der kommerziellen Raumfahrt.
Der vergangene Mittwoch war ein frustrierender Tag für die beiden US-Astronauten Bob Behnken und Douglas Hurley. Sie hatten ihre Anzüge angelegt, sie waren in ihr Raumschiff, die „Crew Dragon“, eingestiegen. Und sie waren bereit, mit der Falcon-9-Rakete abzuheben und zur Internationalen Raumstation ISS zu fliegen. Doch dann passierte das, was sie schon im Vorfeld befürchtet hatten: Schlechtes Wetter sorgte 20 Minuten vor dem Start zum Abbruch der Mission „Demo-2“. Sie wurde auf Samstag verschoben. Auf 21.22 Uhr unserer Zeit.
Es ist ein neuer Termin für einen Tag, der Geschichte schreiben könnte: Mit Behnken und Johnson starten zum ersten Mal zwei Menschen ins Weltall mit einer Rakete und einer Kapsel eines privaten Unternehmens. Dahinter steht SpaceX. Die Firma wurde 2002 von dem exzentrischen Milliardär Elon Musk gegründet. Und der ist nicht nur von Raumfahrt begeistert und träumt davon, den Mars zu kolonisieren. Er hat es auch in Rekordzeit geschafft, aus SpaceX ein erfolgreiches Unternehmen zu machen. Mittlerweile befördert man gewinnbringend Satelliten ins All, unternimmt Versorgungsflüge zur Internationalen Raumstation – und möchte nun auch mit Astronauten starten.
Das war bislang nur staatlichen Institutionen vorbehalten, aufgrund der hohen Sicherheitsstandards und technischen Herausforderungen – und der Kosten. Nach dem Ende des Space-Shuttle-Programms aber hat die US-Weltraumbehörde Nasa keine Möglichkeit, selbst Astronauten zur ISS zu bringen. Dafür werden russische Sojus-Kapseln gebraucht. Das kostet allerdings ca. 80 Millionen US-Dollar pro Raumfahrer. Gerade in Zeiten eines US-Präsidenten Donald Trump bedeutet das für viele Amerikaner eine Demütigung für die Nation, die als erste auf dem Mond gelandet war. Die Nasa hat für den ersten Start von US-Astronauten vom Boden der USA seit 2011 darum auch den patriotischen Namen „Launch America“gefunden: Starte Amerika.
Dabei ist die Nasa nur Auftraggeber. Die Mission ist Teil eines 2,6 Milliarden Dollar schweren Vertrags zwischen SpaceX und der US-Weltraumbehörde. Und mit dem will Elon Musk auch beweisen, dass Raumfahrt nicht so teuer wie bislang sein muss. Schon vor Jahren kritisierte er auf einer Konferenz die immensen Kosten für den Start mit Raketen und Systemen, die nur einmal benutzt werden können. „Wie teuer wären Flugreisen, wenn wir für jeden Start ein Flugzeug neu bauen
„Prinzipiell ist zu befürworten, dass in der Raumfahrt mehr und
mehr private Aktivitäten sind“
Jan Wörner
müssen?“, fragte er. Eine Antwort darauf sollte schon im Jahr 1981 das Space-Shuttle-Programm der Nasa liefern. Das Ziel war damals ebenfalls, die Ausgaben zu senken, indem ein Shuttle mehrmals benutzt werden könnte. Diese Erwartungen haben sich nie erfüllt. Die Technik war zu komplex. Die Wartungskosten wurden zudem immer höher. Insbesondere nach den tragischen Unglücken mit den Raumgleitern Challenger (1986) und Columbia (2003), die insgesamt 14 Todesopfer forderten.
Vor neun Jahren wurde das Shuttle-Programm schließlich eingestellt. Als die US-Regierung dann ein neues System entwickeln wollte, um Menschen ins All zu befördern, folgte die nächste Ernüchterung. Unter Federführung der eigenen Weltraumagentur explodierten nicht nur die Kosten bereits im Vorfeld, es offenbarte sich auch das schlechte Management innerhalb der Nasa. 2010 fiel darum der Startschuss für ein neues Programm, mit dem man private Unternehmen ins Boot holen wollte. Nach mehreren Projektphasen konnten am Ende nur zwei Firmen überzeugen: Boeing, das mit seinem Starliner-Konzept erstmals 2021 Astronauten zur ISS fliegen soll. Und SpaceX, das nun erneut Pionier der kommerziellen Raumfahrt sein wird.
Musk hat indes aus den Fehlern des Space Shuttles gelernt. Die erste Stufe der Falcon-9-Rakete, mit der die Astronauten am Samstag abheben wollen, wird zwei Minuten und 36 Sekunden nach dem Start abgeworfen, soll auf der Erde landen und wiederverwendet werden. Das ist SpaceX bei unbemannten Flügen bereits mehrfach gelungen. Es würde in Zukunft die Kosten für die bemannte Raumfahrt drastisch senken.
Auf Nachfrage unserer Redaktion sagt darum auch Jan Wörner, Generaldirektor der europäischen Weltraumorganisation ESA: „Prinzipiell ist zu befürworten, dass in der Raumfahrt mehr und mehr private Aktivitäten sind. Dies gilt für Firmen wie Blue Origin, Virgin Galactic, SpaceX und Boeing in den USA, aber auch für viele Firmen in Europa, die mit der ESA im Rahmen von Public Private Partnerships oder auch direkt auf dem kommerziellen Markt aktiv sind.“
Allerdings, so Wörner, sei der Raumtransport von Menschen speziell, da hier besonders hohe Sicherheitsanforderungen bestünden. SpaceX sei hier offensichtlich weit vorn. Aber auch Europa sei in der bemannten Raumfahrt aktiv – „mit den europäischen Astronauten, aber auch mit dem Servicemodul für die neue amerikanische Trägerrakete, die Astronautinnen und Astronauten – hoffentlich auch aus Europa – zum Mond bringen soll.“
ESA-Generaldirektor
Der Mond ist der Schlüssel für die kommerzielle Raumfahrt. Tatsächlich hat US-Präsident Donald Trump unter den Namen „Artemis“bereits ein Programm mit dem Ziel auf dem Weg gebracht, im Jahr 2024 wieder mit Raumfahrern auf dem Mond zu landen. Dahinter stehen nicht nur patriotische oder wissenschaftliche Gründe: Im Weißen Haus arbeitet man unter dem gleichen Namen „Artemis“zugleich an einem Gesetzes- und Vertragspaket. Darin geht es darum, dass Unternehmen alle Ressourcen behalten dürfen, die sie auf dem Mond fördern. Sicherheitszonen rund um Mondbasen sollen dafür sorgen, dass die Förderung von Rohstoffen nicht gefährdet werden. Die US-Regierung will sogar mehrere ausgesuchte internationale Partner dafür gewinnen, diese Vereinbarungen zu unterzeichnen – ohne den Umweg über die Vereinten Nationen.
Das ist eine Abkehr vom Mondvertrag aus dem Jahr 1979. Der sieht vor, dass es keine profitorientierten Aktivitäten gibt und sämtliche Aktionen den Vereinten Nationen gemeldet werden. Diesen Vertrag haben die USA indes nie akzeptiert. Die Vereinigten Staaten sehen in ihrem Artemis-Entwurf auch keinen Verstoß gegen den Weltraumvertrag von 1967, der eine Okkupation von Himmelskörpern wie dem Mond untersagt.
Tatsächlich geht es dem Weißen Haus vor allem um die Sicherung von kommerziellen Interessen. Und die hegen nicht nur die Vereinigten Staaten: Auch Luxemburg hat bereits gesetzlich geregelt, dass Unternehmen sich Eigentumsrechte an Ressourcen sichern können – im Weltraum. So will man Raumfahrt-Unternehmen ins Land locken.
Und der Mond scheint das nächste und lukrative Ziel zu sein. Das Jet Propulsion Laboratory etwa, das seit Jahrzehnten Satelliten und Raumsonden für die Nasa baut und steuert, gibt an: Auf dem Mond lasse sich Helium-3 fördern, das eine Schlüsselrolle bei zukünftigen Energie-Technologien wie Kernfusion spielen könne. Vor allem aber: Es gibt auf dem Mond auch Elemente, die unter die sogenannten „Seltenen Erden“fallen. Die sind unabdingbar für Elektronik-Produkte wie Akkus, Smartphones oder Fernseher. Derzeit baut vor allem China die „Seltenen Erden“ab und dominiert den Markt. Das könnte sich mit der Förderung auf dem Mond ändern. Wenig überraschend hat darum auch die asiatische Großmacht unseren Trabanten im Visier und denkt über eine bemannte Basis nach 2030 nach.
Noch herrscht keine Goldgräber-Stimmung. Aber Nasa-Chef Jim Bridenstine sprach bereits vergangenes Jahr von den profitablen Möglichkeiten, die sich für Unternehmen noch in diesem Jahrhundert bieten. Die Demo-2-Mission könnte mit einem erfolgreichen Start in die Geschichte eingehen: als Beginn einer neuen Ära der kommerziellen Raumfahrt, die auch die Ausbeutung des Mondes einläutete.
Damit käme auch der Visionär Elon Musk der Erfüllung seines großen Traums einen Schritt näher: die Landung und Besiedelung des Mars. In den Mondkratern findet sich nahe der Polarregionen Eis. Daraus lässt sich Sauerstoff und Wasser gewinnen – und damit Raketentreibstoff. Auf dem Weg zum Mars könnte der Mond ein Sprungbrett sein.