Rheinische Post Mettmann

Fit für die Zukunft

Die Innovation­szyklen werden immer kürzer. Gefühlt altern deshalb auch unsere Autos schneller. Doch gehören sie deshalb zum alten Eisen? Hersteller und Zulieferer wollen genau das verhindern.

- VON THOMAS GEIGER

Drive-by-Wire, Connectivi­ty oder User Experience – über solche Begriffe kann KarlHeinz Rehkopf nur lachen. Denn der Unternehme­r aus Einbeck bei Göttingen sitzt bisweilen am Steuer eines Benz Victoria aus dem Jahr 1894, der amtlich als ältestes zugelassen­es Auto in Deutschlan­d gilt. Doch auch wenn Rehkopf hoch oben auf dem Bock seines Benz den technische­n Fortschrit­t ignoriert, dürften sich viele Autofahrer Sorgen um die Halbwertsz­eit ihres Wagens machen. „Denn in den letzten Jahren und Jahrzehnte­n haben sich die Innovation­szyklen dramatisch verkürzt“, sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverstä­ndigen-Organisati­on KÜS.

Selten seien deshalb neue Fahrzeuge so schnell gealtert wie heute. Es drängt sich angesichts technische­r Revolution­en wie der zunehmende­n Digitalisi­erung und der Elektrifiz­ierung des Antriebs die Frage auf, wie alt neue Autos heute tatsächlic­h noch werden können. Zwar spricht die Statistik eine andere Sprache und der Europäisch­e Automobilh­erstellerv­erband ACEA meldet ein steigendes Durchschni­ttsalter für den Fuhrpark auf den Straßen des Kontinents. Lag es 2013 noch bei 10,5 Jahren, ist es bis 2017 auf mehr als 11 Jahre geklettert. Doch selbst wenn diese Entwicklun­g anhalten sollte, ist es schwer vorstellba­r, dass Rehkopfs Ur-UrEnkel in 100 Jahren mit einem Mercedes Baujahr 2020 durch Einbeck fahren werden.

Werke verweisen auf bessere Haltbarkei­t Grund zur Sorge gibt es allerdings keinen, heißt es bei den Autoherste­llern und ihren Zulieferer­n: „Ein Audi im

Jahr 2020 wird nach den gleichen Vorgaben für Laufzeit und Dauerhaltb­arkeit entwickelt, wie ein Audi aus den 1990ern“, sagt Audi-Pressespre­cher Udo Rügheimer und sieht die Kunden von heute sogar besser gewappnet. „Egal ob der Guss und die Legierunge­n von Motoren, Beschichtu­ngen gegen mechanisch­en Verschleiß oder Lacke - wann immer es um Materialgü­te geht, führt Jahrzehnte­lange Erfahrung zu einer kontinuier­lich verbessert­en Ausgangsba­sis“, sagt Rügheimer.

Auch Funktionst­eile wie die Scheinwerf­er seien mit der LED-Technik mittlerwei­le wartungsfr­ei, ergänzt Rügheimer und attestiert etwa Kunststoff­en ebenfalls mehr Widerstand gegen den Zahn der Zeit.

„Und falls doch mal etwas kaputtgeht, gilt bei Audi für mindestens 15 Jahre das Verspreche­n einer gesicherte­n Ersatzteil­versorgung.“Solange sind also zumindest Audi-Kunden auf der sicheren Seite.

E-Mobilität heißt auch weniger Verschleiß Auch Zulieferer Continenta­l ist überzeugt von einer langen Halbwertsz­eit: „Die Chancen stehen gut, dass wir zukünftig längere Lebensdaue­rn sehen können, wenn wir an privat genutzte Fahrzeuge denken“, sagt Pressespre­cher Enno Pigge und nennt dafür gleich mehrere Gründe: Elektromob­ilität sorge dafür, dass bei weniger bewegten Teilen der Verschleiß reduziert ist. „Die Elektronik­plattforme­n basieren immer häufiger auf Standards, die auch bei Generation­swechseln zueinander kompatibel sind.“Und nach dem Ende einer Lieferfähi­gkeit von Bauteilen biete der 3D-Druck auch lange nach dem Serienende die Möglichkei­t für neue Ersatzteil­e. Selbst externe Faktoren spielten den Autoherste­llern in die Hände, sagt Pigge: So werde in den meisten Fällen etwa bei neuen Mobilfunks­tandards auf die Abwärtskom­patibilitä­t geschaut. Zwar gäbe es auch Beispiele, bei denen erste Standards später dann vernachläs­sigt wurden. Doch können dann neue Formen von Adaptern für eine weitere Funktional­ität sorgen. Während der

E-Motor den Verschleiß reduziert, wird die Batterie zur großen Unbekannte­n, sagt KÜS-Sprecher Marmit. Doch erstens verweist zum Beispiel VW-Sprecher Christian Buhlmann darauf, dass die erste Generation von Hybriden und E-Fahrzeugen gezeigt habe, dass die Dauerhaltb­arkeit der Komponente­n vergleichb­ar mit denen von konvention­ellen Fahrzeugen ist. Und zweitens muss mit der Batterie nicht auch das Auto altern, gibt Marmit zu bedenken: „Nicht umsonst lassen sich Akkus tauschen und werden deshalb oft getrennt vom Auto zum Leasing oder zur Miete angeboten.“

Auch die zunehmende Vernetzung ist eher Vor- als Nachteil, sagt Buhlmann: Dank Apple Carplay oder Android Auto und einer direkten Internet-Anbindung könne das Auto heute und künftig in der gleichen Geschwindi­gkeit von neuen Apps und Funktionen profitiere­n wie das angebunden­e Smartphone selbst. Und die Elektronik-Architektu­ren neuer Fahrzeuge seien so programmie­rt, dass sie teilweise sogar über die Mobilfunkv­erbindung und ohne Werkstattb­esuch updateund upgrade-fähig seien. Marmit: „So können neue Funktionen auch noch Jahre nach dem Autokauf implementi­ert werden.“

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FOTO: DAIMLER AG/DPA-TMN Für kleine Ewigkeiten gedacht: Autoherste­ller verweisen bei der Materialgü­te der Fahrzeuge auf jahrzehnte­lange Erfahrunge­n und Verbesseru­ngen.

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