Schalke im Krisenmodus
Die Königsblauen sind nach einer durchaus vorzeigbaren Hinrunde komplett aus dem Tritt gekommen.
GELSENKIRCHEN Tradition wird auf Schalke einfach großgeschrieben. Doch sehr wahrscheinlich könnte man im sportlichen Bereich durchaus darauf verzichten. In diesen Tagen geht es mal wieder hoch her bei den Königsblauen. Denn auf dem Platz läuft überhaupt nichts mehr rund und David Wagner wirkt zusehends ratlos. Alles, was der Trainer mit seiner tief verunsicherten Mannschaft auf dem Platz probiert, funktioniert nicht. Selbst der erneute Wechsel auf der Torwartposition blieb ohne Wirkung. Doch am zurückgekehrten Alexander Nübel, der zur kommenden Saison bei Bayern Nationaltorhüter Manuel Neuer in die Lehre geht, ist die 0:1-Pleite gegen Werder Bremen nicht festzumachen.
Gepatzt hatte vor dem Siegtreffer von Leonardo Bittencourt (32. Minute) am Samstag Jean-Clair Todibo, der sich im Mittelfeld einen unnötigen Ballverlust leistete. Das 25. Gegentor im elften Spiel ohne Sieg war Wagner schwer zu ertragen. Die Zeichen stehen auf Trennung von dem bis Saisonende vom FC Barcelona ausgeliehen Innenverteidiger, der für 25 Millionen Euro hätte verpflichtet werden können. Doch der Deal wäre für Schalke ohnehin zu teuer gewesen.
„Am Ende steht wieder eine Niederlage, steht wieder ein wahnsinniger individueller Fehler. Deshalb haben wir wieder verloren, auch wenn wir nicht viele Torchancen zugelassen haben“, sagte der 48 Jahre alte Coach nach der vierten Pleite seit der Corona-Pause, die sein Team völlig aus der Spur gebracht hat. Schon der Wiederbeginn im Derby war zum Debakel geraten. Dem 0:4 beim BVB folgten binnen sechs Tagen das 0:3 gegen Augsburg, das 1:2 in Düsseldorf und nun das 0:1 gegen Werder.
Angesichts der anhaltenden Talfahrt fand Schneider zudem deutliche Worte. „Unsere Rückrundenbilanz und insbesondere unsere Leistungen seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs sind niederschmetternd“, sagte der Sportvorstand der „Bild“. „Wir alle, sportliches Management, Trainerteam
und Mannschaft, haben die dringende Verpflichtung, diesen erschreckenden Negativlauf umgehend zu stoppen. So können und dürfen wir uns als FC Schalke 04 nicht präsentieren.“
Ähnlich sieht es Wagner. „Ich möchte jetzt Corona nicht als Ausrede, als Alibi oder sonst etwas ausnutzen. Wir haben eine wahnsinnig schlechte Phase“, meinte der Coach. „Natürlich geht so was an den Jungs nicht spurlos vorbei. Es ist jetzt an uns, ihnen das Selbstvertrauen zu geben, dass sie weiter sauber Fußball spielen.“
Sätze, die Wagner seit Wochen gebraucht. Der letzte Schalke-Sieg resultiert aus einer längst vergangenen Zeit, als noch Zuschauer im Stadion zugelassen waren. Am 17. Januar gewann Schalke zum Rückrunden-Start gegen den Champions-League-Kandidaten Mönchengladbach. Nach dem 18. Spieltag war Schalke Fünfter, sieben Zähler hinter Bundesliga-Spitzenreiter RB Leipzig und punktgleich mit Erzrivale Dortmund.
Viereinhalb Monate später hat Königsblau die zweitschlechteste Serie der Historie aus der Saison 1996/1997 eingestellt, rutscht in der Tabelle weiter ab. Der nächste Tiefpunkt lauert schon. Einmal blieb Schalke zwölf Mal nacheinander ohne Sieg – in der Spielzeit 1993/1994. Vor fast 27 Jahren. Am Sonntag müssen die Königsblauen bei Union Berlin antreten. „Wir müssen weiter versuchen, zu punkten“, sagte Alessandro Schöpf mit bangem Blick auf die nächste Herausforderung.
Hätte der Revierklub nicht schon in der Hinrunde 30 Zähler gesammelt – er wäre ein sicherer Abstiegskandidat. Fraglich, ob Wagner noch als Hoffnungsträger taugt oder Schalke (wieder) vor einem Neustart steht. (mit dpa)