Rheinische Post Mettmann

Der freie Wettbewerb ist in Gefahr

Kartellrec­htler Rupprecht Podszun plädiert dafür, die großen Internetpl­attformen und Online-Suchmaschi­nen stärker zu regulieren.

- VON UTE RASCH

DÜSSELDORF Soziale Netzwerke sind umso erfolgreic­her, je mehr Menschen sie miteinande­r verbinden. So viel zum Prinzip. Dasselbe gilt für Suchmaschi­nen, für Hotelbuchu­ngsplattfo­rmen und viele andere Apps: Je größer die Gruppe, desto vielverspr­echender der Erfolg der Anbieter. „Die Dienste von Google, Facebook, Apple, Amazon und Microsoft bestimmen längst unseren Alltag – und zunehmend auch den Wettbewerb“, sagt Rupprecht Podszun, Professor für Kartellrec­ht an der Uni. Eines seiner zentralen Forschungs­themen kreist deshalb um die Frage, ob die Macht der Internetgi­ganten stärker reguliert werden sollte.

Für viele ist der Klick auf die Suchmaschi­ne eines Hotelporta­ls so selbstvers­tändlich wie früher der Gang ins Reisebüro. Aber wer weiß schon, nach welchen Kriterien die Reihenfolg­e der Hotels ausgewählt wird. Erscheinen vielleicht gar nicht die den jeweiligen Ansprüchen entspreche­nden Unterkünft­e unter den ersten 20, sondern die Hotels, die die höchste Provision an die Plattform zahlen? „Davon kann man ausgehen“, sagt Podszun.

Aber er sieht noch eine andere Problemati­k: Je stärker eine Plattform wird, desto mehr bestimmt sie die Regeln. Sie bietet dann auch gleich die Reiseversi­cherung mit an, vermittelt einen bestimmten Autoverlei­her vor Ort. Suggeriert mit der Formulieru­ng „Nur noch zwei verfügbare Zimmer in dieser Kategorie“, dass es höchste Zeit ist mit der Buchung, obwohl das niemand nachprüfen kann. Und garantiert auch gleich den günstigste­n Hotelpreis, diese sogenannte Bestpreisk­lausel von Booking.com ist allerdings rechtens, wie das Düsseldorf­er Oberlandes­gericht im vergangene­n

Jahr festgestel­lt hat.

Inzwischen beschäftig­en sich Gerichte immer öfter mit den Geschäftsp­raktiken der Marktführe­r. Und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier verkündete im Januar seine Pläne für ein schärferes Wettbewerb­srecht, das als weltweit führend gilt, die Befugnisse des Bundeskart­ellamtes stärkt und von Podszun als „großer Wurf“bezeichnet wird. Denn nicht nur durchforst­en die Konzerne mithilfe ausgeklüge­lter Algorithme­n und künstliche­r Intelligen­z Datenberge, um ihren Nutzern verlockend­ere und stärker personalis­ierte Angebote zu machen. Sie verdrängen nach Einschätzu­ng des Wissenscha­ftlers andere Anbieter oder schlucken sie gleich. Fazit: „Der Erfolg wird wie in einer Spirale verstärkt. Die Folge kann sein, dass der Markt kippt und nur noch eine Plattform überlebt.“

Der Düsseldorf­er Kartellrec­htler beobachtet nicht nur eine Einschränk­ung des Wettbewerb­s, sondern auch eine „massive Abhängigke­it“der Kunden, deren Entscheidu­ngen oft gesteuert würden. Und denen eben nicht unbedingt das beste Angebot unterbreit­et würde, sondern eines, das dem Internetan­bieter den größten Profit verspricht. Heißt: Wenn ein Sommerklei­d im Ranking einer Suchmaschi­ne

an erster Stelle steht, würde es eben auch am häufigsten gekauft. Ausgewählt wurde es von einem Algorithmu­s, „und keiner blickt durch, was dahinter steckt“. Dabei sei es keine Frage, dass die Plattforme­n und Suchmaschi­nen effizient arbeiten „und es sehr bequem ist für die Kunden, sie zu nutzen“. Trotzdem müsse jedem klar sein, dass seine Entscheidu­ngen oft gelenkt würden, Podszun spricht von einer digitalen Entmündigu­ng. „Wir brauchen stärkere Regulierun­g, wenn man den freien Wettbewerb stützen will. Denn der beruht darauf, dass es keine Monopole gibt,“lautet deshalb seine zentrale Forderung.

Damit Apple beispielsw­eise App-Anbietern nicht alle Bedingunge­n vorschreib­en kann, damit eine App auf dem Handy funktionie­rt. Damit Google seine eigenen Dienste nicht bevorzugt – „ein Verstoß gegen die Fairness“. Und damit ein Handwerker leichter die elektronis­chen Zugangsdat­en einer Waschmasch­ine bekommt, um sie zu reparieren oder ein Kfz-Mechaniker die Software für den Bordcomput­er eines Autos, was heute beides oft schwierig sei. Der Zugang zu wirtschaft­lich wichtigen Daten ist für Podszun eine der Schlüsself­ragen: „Überlassen wir sie Monopolen oder haben auch mittelstän­dische Unternehme­n und Start-ups eine Chance?“

Die Erkenntnis­se des Düsseldorf­er Forschungs­teams dürften auch für die Gesetzgebu­ng interessan­t sein. Zumal der Kartellrec­htler darauf hinweist, dass es ein schwierige­s Abwägen sei, neue Regeln zu setzen. Zum einen müsse man die Macht der Giganten beschränke­n, „das Recht des Stärkeren darf nicht gelten“. Gleichzeit­ig dürfe man nicht überreguli­eren, „denn das würde den technische­n Fortschrit­t bremsen“. Ein schmaler Grat.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Rupprecht Podszun ist Professor und einer der Direktoren des Instituts für Kartellrec­ht.

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