Anwohner kämpfen um jeden Meter
Arbeiten am Neubauprojekt an der Worringer Straße haben begonnen. Nachbarn fordern größere Abstandsflächen zu den Altbauten.
STADTMITTE Es ist kein Bauvorhaben, das von den Anwohnern begrüßt wird, so viel steht fest. Zu protzig, zu hoch seien die Gebäudeblocks, zu intransparent sei die Planung für das Neubauprojekt auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Bahn mit 450 Wohnungen zwischen Worringer und Gerresheimer Straße, Bahnlinie und Wehrhahn. Seit fast vier Jahren sucht eine Interessengemeinschaft das Gespräch mit Stadt und Investor, um Einfluss zu nehmen und aus Sicht der Betroffenen Verbesserungen zu erzielen – ohne wirklichen Erfolg, so heißt es von allen Betroffenen.
Abgelehnt wird eine achtstöckige Bebauung, die zudem viel zu nah an die Bestandsbauten heranrücke. Das schränke die Luftzirkulation ein, führe zur erheblicher Verschattung. Jegliches Grün verschwinde, Parkplätze gebe es nach Fertigstellung viel zu wenige. Und dass die Toulouser Allee an die Worringer Straße angebunden werden soll (unter der Brücke Wehrhahn hindurch), sei unverantwortlich angesichts des schon heute vorherrschenden Verkehrschaos’.
Die Bauarbeiten haben
R G E R M trotz der Corona-Krise inzwischen begonnen, die meisten der 45 Bäume wurden bereits gefällt, verhindern können die Anwohner das Wohnprojekt nicht mehr. „Wir geben trotzdem nicht auf“, sagt Sprecherin Antje Schuh, die unter anderem zumindest erreichen will, dass bei den Abstandflächen zwischen Neu- und Bestandsgebäuden wenigstens drei Meter aufgeschlagen werden, „damit wir künftig nicht komplett im Dunkeln sitzen und die neue Fassade so auch optisch nicht mehr so erdrückend wirkt. Und damit noch Platz für einen Radweg und Baumscheiben ist“, sagt sie. Dafür will sich Schuh noch einmal an die Bezirksvertretung, aber auch an den Projektentwickler Vivawest wenden. Sie gibt nicht auf.
Die alte Mauer sei inzwischen komplett weg, jeden Morgen stünden ab 6.45 Uhr die Lkws für Aushub und Abtransport von Schutt vor der Baustelle. Die Staubentwicklung sei enorm, „das ist wie eine Nebelwand, der Sand gelangt bei mir bis in die fünfte Etage in die Wohnung“, berichtet Karin Frütel. Nur ab und zu komme ein Awista-Wagen, um die Baustelle mit Wasser zu besprengen, sagt Schuh. Wer sich bei den auf dem Bauschild angegebenen Stellen beschweren will, „wird abgewürgt“.
Antje Schuh hat den Eindruck, dass ihre Schallschutzfenster sich durch die Erschütterung der vergangenen Wochen gesetzt hätten. Und dass die ursprüngliche Schallschutzklasse T5 dadurch nicht mehr gegeben ist. „Jedenfalls kann ich jetzt wieder Stimmen von der Straße hören, was nach dem Einbau der Fenster nicht der Fall war, und der Straßenlärm erscheint mir lauter als zuvor.“Auch Frütel bestätigt: „Wenn die aus der Baggerschaufel Steinbrocken fallen lassen, wackeln bei mir die Gläser in der Vitrine.“Damit nicht genug: Im Haus von Antje Schuh an der Gerresheimer Straße 59 wurde urplötzlich eine Undichtigkeit an der Gasverteilung im Kellergeschoss festgestellt, weshalb die Gasversorgung unterbrochen werden musste. „Ist es möglich, dass die Leckagen durch die permanenten Erschütterungen der Baustelle entstanden sind?“, fragt sie sich.
Investor Vivawest erklärt, dass im Rahmen des qualifizierten Bebauungsplanverfahrens sämtliche Aspekte von Verkehr über Stellplätze bis Verschattung geprüft und abgewogen sowie ebenso Anregungen aus der Öffentlichkeit berücksichtigt worden seien. „Die Straßenbäume bleiben bis auf zwei im Bereich der beiden Tiefgaragenzufahrten sowie einen Baum im Bereich der neuen Toulouser Allee erhalten. Für die hier erforderlichen Ersatzpflanzungen kommen wir finanziell auf“, erklärt Sprecherin Katrin Lamprecht.
Die Stadt verweist auf den 2018 vom Rat verabschiedeten Bebauungsplan. Auf dem lässt sich immerhin erkennen, dass es für die Tiefgarage drei Ein- und Ausfahrten geben soll: an der Nord- (VerlängerungToulouserAllee),Ost-(Worringer Straße) und der Südseite (Gerresheimer Straße). Auch das war den Anwohnern lange nicht bewusst.