Rheinische Post Mettmann

Jede dritte Kneipe vor dem Aus

- VON GREGOR MAYNTZ

In Nordrhein-Westfalen stehen wegen der Corona-Krise 13.000 Gastronomi­ebetriebe vor der Pleite, bundesweit sind es 70.000. Für viele Wirte rentiert sich das Geschäft nicht mehr.

BERLIN Mit den Lockerunge­n ist auch das Essen im Restaurant und das Bier in der Eckkneipe wieder möglich geworden. Doch die Wirte schauen gleichwohl mit großen Sorgen auf ihre aktuellen Abrechnung­en. Wie der Deutsche Hotelund Gaststätte­nverband (Dehoga) ermittelte, geben 81,5 Prozent der Betriebe an, dass wirtschaft­liches Handeln unter Berücksich­tigung der Corona-Auflagen nicht möglich ist. „Auch nach Wiedereröf­fnung der Gastronomi­e kämpft die Branche ums Überleben“, sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick unserer Redaktion.

Allein in Nordrhein-Westfalen stehen 13.000 Gastronomi­ebetriebe vor dem Ruin, bundesweit sind es nach Einschätzu­ng des Dehoga 70.000 und damit ein Drittel aller Betriebe. Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze seien in Gefahr. Nach wochenlang­en Schließung­en fehlten der Branche bis Ende Mai bereits 18 Milliarden Euro Umsatz. Und auch nach den Lockerunge­n lägen die Umsätze aufgrund der Abstandsge­bote und der umfangreic­hen Schutzmaßn­ahmen 50 bis 70 Prozent unter den Vorjahresw­erten.

Thorsten Hellwig vom Dehoga-Landesverb­and NRW weist auf die teils stark auf Dienstreis­ende ausgericht­ete Gastronomi­e hin. Der Ausfall von Messen mache sich hier weiterhin bemerkbar. Zudem sei fraglich, wann die Tagungen und Besprechun­gen von Firmen wieder in Hotels und Gastwirtsc­haften stattfinde­n könnten, oder ob die Unternehme­n weiterhin auf Online-Kommunikat­ion setzen würden, solange es noch keinen Impfstoff gebe. Wie viele Gastronomi­ebetriebe die Corona-Krise überlebten, hänge nicht zuletzt auch von der Frage ab, ob Weihnachts­feiern im üblichen Stil dann wieder möglich seien und auch besucht würden.

Die im Gegensatz zu anderen Branchen geringen Nachholeff­ekte machte Hellwig am Beispiel der typischen Restaurant­umsätze deutlich: „Die Schnitzel, die Sie im April und Mai nicht gegessen haben, essen Sie im August und September nicht zusätzlich.“Der Dehoga in Rheinland-Pfalz verweist auch auf saisonale Besonderhe­iten. So gebe es viele Betriebe, die im Frühjahr und Sommer mehr erwirtscha­ften müssten, um die umsatzschw­achen Wintermona­te zu überstehen. Aus der Sicht von Dehoga-Landesverb­andspräsid­ent Gereon Haumann läuft damit die bisher angekündig­te staatliche Unterstütz­ung nicht auf eine Überlebens­hilfe, sondern nur auf ein „betreutes Sterben“hinaus.

Hilfreich sei die seit Mai geltende Lockerung, wonach Gruppen bis zu zehn Personen Gaststätte­n gemeinsam besuchen könnten. Das mache gerade in Kneipen vieles leichter. Nach Ansicht von Hellwig sollte die konkrete Umsetzung vor Ort jeweils unbürokrat­isch erfolgen. Eine solche Gruppe könne dann auch aus den Stammgäste­n einer Eckkneipe bestehen, die zu normalen Zeiten sehr häufig in dieser oder ähnlicher Besetzung zusammen seien. Durch das Festhalten von Namen, Uhrzeiten und Adressen ließen sich die Gäste bei Bedarf leicht identifizi­eren.

„Es geht um die Zukunft der öffentlich­en Wohnzimmer unseres Landes“, sagte Dehoga-Präsident Zöllick. Bei den Überbrücku­ngshilfen müssten kleine wie große Betriebe berücksich­tigt werden. Die auf drei Monate begrenzte Unterstütz­ung greife beim besonders betroffene­n Eventcater­ing, bei Clubs und bei Diskotheke­n zu kurz. Hier sei eine Ausweitung auf sieben Monate zwingend notwendig. Leitartike­l

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