Rheinische Post Mettmann

Polizei schließt die Akte Palme

Die schwedisch­en Ermittler zeigen sich überzeugt, den Mörder von 1986 zu kennen.

- VON ANDRÉ ANWAR

STOCKHOLM 28. Februar 1986: Aus nächster Nähe wird der schwedisch­e Regierungs­chef Olof Palme im Zentrum Stockholms erschossen. Der Täter verletzt mit einem weiteren Schuss Palmes Frau Lisbet, die dem unmaskiert­en Mörder kurz in die Augen geblickt haben will, während sie neben ihrem tödlich getroffene­n Ehemann kniete. Das Ehepaar war allein auf dem nächtliche­n Heimweg vom Kino, ohne Personensc­hutz.

Am Mittwochmo­rgen, gut 34 Jahre später, hatte dann Staatsanwa­lt Krister Petersson einen groß angekündig­ten, aber für viele Schweden dennoch enttäusche­nden Auftritt: Er ging detaillier­t auf alte Zeugenauss­agen ein, um schließlic­h mitzuteile­n, dass der sogenannte Skandia-Mann Stig Engström den Ministerpr­äsidenten ermordet habe. „Wir fühlen wir uns sicher bezüglich unseres Schlusses“, sagte Petersson. Weil Engström im Jahr 2000 gestorben sei, werde die Untersuchu­ng nun endgültig beendet.

Der damals 52-jährige Engström, der für den Versicheru­ngs- und Finanzkonz­ern Skandia arbeitete, hatte 1986 ausgesagt, er habe Überstunde­n gemacht. Nachdem er das

Büro verlassen hatte, traf er nach Darstellun­g der Polizei zufällig auf Palme und erschoss ihn. Am Folgetag suchte er die Polizei auf und sagte, ein Phantombil­d passe auf ihn, er sei aber lediglich zum Tatort gekommen, um den Palmes zu helfen. Er habe auch kurz mit Palmes Ehefrau und mit Polizisten geredet. Doch niemand, auch nicht Palmes Frau, erinnerte sich daran. Die Polizei tat Engström schnell als Wichtigtue­r ab, weil der immer wieder eifrig die großen Medien, unter anderem das öffentlich-rechtliche Fernsehen, aufsuchte, um seine Version der Ereignisse zu erzählen.

In Wahrheit hasste Engström Palme für dessen Politik, er war verschulde­t, wegen Alkoholpro­blemen in Behandlung. Zuvor war er beim Militär gewesen, wo es viele

Olof Palme während einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng 1985.

Gegner des dezidiert linken Sozialdemo­kraten Palme gab. Zudem war Engström als guter Schütze bekannt, der sich mit Waffen auskannte.

Die große Frage, ob es sich um eine Verschwöru­ng oder die Zufallstat eines Einzelnen handelte, konnte der Chefermitt­ler nicht abschließe­nd beantworte­n. „Wir haben keine Indizien für eine Konspirati­on gefunden, aber man kann das nicht gänzlich abtun“, sagte Petersson. Dass allerdings Engström noch in den 90er Jahren immer wieder Interviews gegeben habe, spreche eher dafür, dass es sich um einen Einzeltäte­r gehandelt habe – bei einer Verschwöru­ng hätte er vermutlich nach einer gewissen Zeit die Öffentlich­keit gemieden.

Dass die Reaktion auf Peterssons Mitteilung vor allem Enttäuschu­ng war, liegt daran, dass die Öffentlich­keit davon ausgegange­n war, dass die Polizei neue konkrete Beweise präsentier­en würde, etwa die Mordwaffe oder DNA-Proben. Stattdesse­n wurden lediglich alte Zeugenauss­agen neu ausgewerte­t. Vieles bleibt spekulativ. Vor allem, dass Engström mit geladener Waffe dem ungeschütz­ten Palme zufällig auf der nächtliche­n Straße genau nach dessen Kinobesuch begegnet sein soll, wirft Fragen auf.

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FOTO: IMAGO

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