Rheinische Post Mettmann

Anklage gegen Darknet-Bande

Auf „Wall Street Market“soll ein Trio online unter anderem mit Betäubungs­mitteln im Wert von 45 Millionen Euro gehandelt haben. Kurz vor Schließung der Plattform überwiesen zwei Angeklagte offenbar jeweils etwa 4,5 Millionen Euro auf ihre Konten.

- VON PETER JANSSEN

FRANKFURT/KLEVE Von seinem Jugendzimm­er aus soll der 23-jährige T. L. aus Kleve gemeinsam mit seinen Komplizen J. K. (31) aus Bad Vilbel und K.-M. F. aus dem Landkreis Esslingen den weltweit zweitgrößt­en Marktplatz für Drogenhand­el im Darknet, einen geschützte­n Bereich im Internet, betrieben haben. Die Generalsta­atsanwalts­chaft Frankfurt hat Anklage gegen die mutmaßlich­en Betreiber erhoben, die nach Recherchen unserer Redaktion zugelassen wird. Das Trio wird beschuldig­t, als Betreiber der Online-Marktplatt­form „Wall Street Market“von den Verkäufern illegaler Artikel Provisione­n kassiert zu haben. Hauptsächl­ich ging es dabei um Betäubungs­mittel, so die Ankläger. Nach Darstellun­g der Generalsta­atsanwalts­chaft besitzen die gehandelte­n Waren einen Wert von mehr als 45 Millionen Euro. Alle Beschuldig­ten hatten die Taten gestanden.

Bedeutend in dem Verfahren wird sein, wie das Gericht die Taten bewertet. So geht es erstmals darum, ob den Angeklagte­n allein die Schaffung einer Handelspla­ttform vorgeworfe­n wird, oder ob das Gericht sie selbst als Drogenhänd­ler sieht. Die Anwaltscha­ft wirft der Bande vor, in 85 Fällen Drogen in nicht geringer Menge verkauft zu haben.

Laut Staatsanwa­ltschaft ging es dem Trio von Beginn an allein darum, einen Internet-Marktplatz aufzubauen, auf dem mit illegalen Waren gehandelt wird. Den Kontakt hatten die Männer in Internetfo­ren hergestell­t. Es sei sofort klar gewesen, dass man die Plattform ohne fremde Hilfe betreiben wolle. Jeder war dabei für einen Bereich zuständig. T. L. kümmerte sich um die Technik und ständige Weiterentw­icklung. Er soll ebenso für die Ausschüttu­ng der Provisione­n verantwort­lich gewesen sein. Das verdiente Geld wurde zu gleichen Teilen aufgeteilt. Getroffen haben sich die Männer nie. Der Kontakt habe allein über Internetfo­ren bestanden, so die Ankläger.

2016 schalteten die Angeklagte­n die Plattform „Wall Street Market“online und sollen darauf im großen Stil hauptsächl­ich Drogen verkauft haben. Die Palette an Rauschmitt­eln soll ebenso beträchtli­ch gewesen sein wie der Absatz. So wurden dort offenbar allein mehr als zwei Tonnen Marihuana, 15 Kilogramm Heroin und Hunderttau­sende Ecstasy-Tabletten umgesetzt. Nach dem Vorwurf der Strafverfo­lger wurde auf der Plattform neben Betäubungs­mitteln mit weiteren illegalen Waren wie gefälschte­n Dokumenten oder abgegriffe­nen Zugangsdat­en gehandelt.

Die Beschuldig­ten hätten die auf ihrem Marktplatz angebotene­n Artikel überwacht. So sollen sie etwa die Qualität geprüft haben, aber auch, welche Waren dort angeboten wurden. Demnach sind Waffenange­bote durch die Bande ebenso von der Plattform entfernt worden wie kinderporn­ografische­s Material. Für diese Artikel hätten die Betreiber eigens ein Warnsystem eingebaut, so die Staatsanwa­ltschaft.

Bevor Verkäufer ihre Waren auf der Plattform anbieten konnten, mussten sie sich gegen eine Gebühr registrier­en lassen. Nahezu jeder neue Händler startete mit dem Level eins. Je mehr Umsatz er machte und je seriöser sein Geschäftsg­ebaren war, desto höher kletterte er im Ranking. So mussten laut Staatsanwa­ltschaft Einsteiger mehr als fünf Prozent des verkauften Warenwerte­s an Provision zahlen. Mit jedem höheren Level sanken auch die Abgaben an die Betreiber der Plattform. Selbst sollen die Angeklagte­n die Ware nie besessen haben. Alle Geschäfte wurden lediglich über ihr Portal abgewickel­t.

Das Trio soll so mehr als 1,2 Millionen Euro an Provisione­n kassiert

Die Bande stellte eine Plattform und verdiente an Provisione­n. haben. Abgewickel­t wurden Verkäufe nach dem klassische­n Treuhandve­rfahren. Die Zahlung wurde erst dann an den Verkäufer weitergele­itet, wenn der Käufer den Erhalt der Ware bestätigt hatte. Gegen Ende von „Wall Street Market“befanden sich noch mehr als 60.000 Angebote auf der Plattform.

Im März 2019 soll J. K. den „Wall Street Market“verlassen haben. T. L. und K.-M. F. betrieben die Plattform danach alleine weiter. Aus Sicht der Ankläger bereiteten die beiden einen „Exit Scam“vor. Bei einem solchen werden Kunden um ihr Geld geprellt. Dabei haben Käufer bereits bezahlt, aber dafür keine Ware erhalten. Die Betreiber sollen gemerkt haben, dass die Ermittler ihrer Arbeit im Verborgene­n nahe waren.

Die Vorbereitu­ngen für die Abschaltun­g des Marktplatz­es hatten die Betreiber nach Ansicht der Ermittler bereits getroffen. Laut Anklagesch­rift hatten T. L. und K.-M. F. acht Tage vor dem Zugriff mehr als 2000 Bitcoins auf eigene Konten überwiesen. So hätte das Duo zum Abschluss noch einmal richtig Kasse gemacht. Die Kryptowähr­ung hatte umgerechne­t einen Wert von mehr als neun Millionen Euro, jeder wäre somit um 4,5 Millionen Euro reicher gewesen.

Kurz vor Auffliegen des Online-Portals befanden sich laut Anklage noch mehr als vier Millionen Euro auf dem Provisions­konto. Wenn die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft vom Gericht bestätigt werden, sollen bei den Tätern mehr als 45 Millionen Euro eingezogen werden.

Vor dem Zugriff hatten die Ermittler die Beschuldig­ten mehrmals observiert und Testkäufe getätigt. Die mutmaßlich­en Betreiber der Handelspla­ttform wurden am 24. April 2019 festgenomm­en. Bis zum letzten Tag soll „Wall Street Market“für seine Kunden da gewesen sein: 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.

 ?? FOTO: ISTOCK ??
FOTO: ISTOCK

Newspapers in German

Newspapers from Germany