Anklage gegen Darknet-Bande
Auf „Wall Street Market“soll ein Trio online unter anderem mit Betäubungsmitteln im Wert von 45 Millionen Euro gehandelt haben. Kurz vor Schließung der Plattform überwiesen zwei Angeklagte offenbar jeweils etwa 4,5 Millionen Euro auf ihre Konten.
FRANKFURT/KLEVE Von seinem Jugendzimmer aus soll der 23-jährige T. L. aus Kleve gemeinsam mit seinen Komplizen J. K. (31) aus Bad Vilbel und K.-M. F. aus dem Landkreis Esslingen den weltweit zweitgrößten Marktplatz für Drogenhandel im Darknet, einen geschützten Bereich im Internet, betrieben haben. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat Anklage gegen die mutmaßlichen Betreiber erhoben, die nach Recherchen unserer Redaktion zugelassen wird. Das Trio wird beschuldigt, als Betreiber der Online-Marktplattform „Wall Street Market“von den Verkäufern illegaler Artikel Provisionen kassiert zu haben. Hauptsächlich ging es dabei um Betäubungsmittel, so die Ankläger. Nach Darstellung der Generalstaatsanwaltschaft besitzen die gehandelten Waren einen Wert von mehr als 45 Millionen Euro. Alle Beschuldigten hatten die Taten gestanden.
Bedeutend in dem Verfahren wird sein, wie das Gericht die Taten bewertet. So geht es erstmals darum, ob den Angeklagten allein die Schaffung einer Handelsplattform vorgeworfen wird, oder ob das Gericht sie selbst als Drogenhändler sieht. Die Anwaltschaft wirft der Bande vor, in 85 Fällen Drogen in nicht geringer Menge verkauft zu haben.
Laut Staatsanwaltschaft ging es dem Trio von Beginn an allein darum, einen Internet-Marktplatz aufzubauen, auf dem mit illegalen Waren gehandelt wird. Den Kontakt hatten die Männer in Internetforen hergestellt. Es sei sofort klar gewesen, dass man die Plattform ohne fremde Hilfe betreiben wolle. Jeder war dabei für einen Bereich zuständig. T. L. kümmerte sich um die Technik und ständige Weiterentwicklung. Er soll ebenso für die Ausschüttung der Provisionen verantwortlich gewesen sein. Das verdiente Geld wurde zu gleichen Teilen aufgeteilt. Getroffen haben sich die Männer nie. Der Kontakt habe allein über Internetforen bestanden, so die Ankläger.
2016 schalteten die Angeklagten die Plattform „Wall Street Market“online und sollen darauf im großen Stil hauptsächlich Drogen verkauft haben. Die Palette an Rauschmitteln soll ebenso beträchtlich gewesen sein wie der Absatz. So wurden dort offenbar allein mehr als zwei Tonnen Marihuana, 15 Kilogramm Heroin und Hunderttausende Ecstasy-Tabletten umgesetzt. Nach dem Vorwurf der Strafverfolger wurde auf der Plattform neben Betäubungsmitteln mit weiteren illegalen Waren wie gefälschten Dokumenten oder abgegriffenen Zugangsdaten gehandelt.
Die Beschuldigten hätten die auf ihrem Marktplatz angebotenen Artikel überwacht. So sollen sie etwa die Qualität geprüft haben, aber auch, welche Waren dort angeboten wurden. Demnach sind Waffenangebote durch die Bande ebenso von der Plattform entfernt worden wie kinderpornografisches Material. Für diese Artikel hätten die Betreiber eigens ein Warnsystem eingebaut, so die Staatsanwaltschaft.
Bevor Verkäufer ihre Waren auf der Plattform anbieten konnten, mussten sie sich gegen eine Gebühr registrieren lassen. Nahezu jeder neue Händler startete mit dem Level eins. Je mehr Umsatz er machte und je seriöser sein Geschäftsgebaren war, desto höher kletterte er im Ranking. So mussten laut Staatsanwaltschaft Einsteiger mehr als fünf Prozent des verkauften Warenwertes an Provision zahlen. Mit jedem höheren Level sanken auch die Abgaben an die Betreiber der Plattform. Selbst sollen die Angeklagten die Ware nie besessen haben. Alle Geschäfte wurden lediglich über ihr Portal abgewickelt.
Das Trio soll so mehr als 1,2 Millionen Euro an Provisionen kassiert
Die Bande stellte eine Plattform und verdiente an Provisionen. haben. Abgewickelt wurden Verkäufe nach dem klassischen Treuhandverfahren. Die Zahlung wurde erst dann an den Verkäufer weitergeleitet, wenn der Käufer den Erhalt der Ware bestätigt hatte. Gegen Ende von „Wall Street Market“befanden sich noch mehr als 60.000 Angebote auf der Plattform.
Im März 2019 soll J. K. den „Wall Street Market“verlassen haben. T. L. und K.-M. F. betrieben die Plattform danach alleine weiter. Aus Sicht der Ankläger bereiteten die beiden einen „Exit Scam“vor. Bei einem solchen werden Kunden um ihr Geld geprellt. Dabei haben Käufer bereits bezahlt, aber dafür keine Ware erhalten. Die Betreiber sollen gemerkt haben, dass die Ermittler ihrer Arbeit im Verborgenen nahe waren.
Die Vorbereitungen für die Abschaltung des Marktplatzes hatten die Betreiber nach Ansicht der Ermittler bereits getroffen. Laut Anklageschrift hatten T. L. und K.-M. F. acht Tage vor dem Zugriff mehr als 2000 Bitcoins auf eigene Konten überwiesen. So hätte das Duo zum Abschluss noch einmal richtig Kasse gemacht. Die Kryptowährung hatte umgerechnet einen Wert von mehr als neun Millionen Euro, jeder wäre somit um 4,5 Millionen Euro reicher gewesen.
Kurz vor Auffliegen des Online-Portals befanden sich laut Anklage noch mehr als vier Millionen Euro auf dem Provisionskonto. Wenn die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft vom Gericht bestätigt werden, sollen bei den Tätern mehr als 45 Millionen Euro eingezogen werden.
Vor dem Zugriff hatten die Ermittler die Beschuldigten mehrmals observiert und Testkäufe getätigt. Die mutmaßlichen Betreiber der Handelsplattform wurden am 24. April 2019 festgenommen. Bis zum letzten Tag soll „Wall Street Market“für seine Kunden da gewesen sein: 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.