Rheinische Post Mettmann

Als Schmeling auf dem Box-Thron saß

Vor 90 Jahren holte die deutsche Box-Legende ihren ersten WM-Titel.

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NEW YORK (dpa) Der Aufstieg auf den Thron des Schwergewi­chtsboxens begann für Max Schmeling auf den Knien. Mit schmerzver­zerrtem Gesicht krümmte sich der damals 24-Jährige auf den Brettern des Rings im Yankee Stadium von New York. Fast 80.000 Zuschauer waren gekommen, um Schmeling gegen Jack Sharkey verlieren zu sehen. Es war weit nach 2 Uhr deutscher Zeit, als Schmeling an jenem 12. Juni 1930 vom Ringrichte­r angezählt wurde – und kurz darauf doch der erste europäisch­e Weltmeiste­r im Schwergewi­cht war.

Denn Punktricht­er Harold Barnes hatte in der vierten Runde nicht nur den massiven linken Haken von Sharkey gesehen. Nein, er hatte auch registrier­t, dass der Schlag weiter unter der Gürtellini­e gelandet war. Es wurde protestier­t, gebuht, gebrüllt, gestikulie­rt. Am Ende war die Entscheidu­ng klar. Sharkey wurde disqualifi­ziert, Ringsprech­er Joe Humphrey rief ins Mikrofon: „Neuer Weltmeiste­r: Max Schmeling.“

Es passte zum Charakter der 2005 verstorben­en Box-Legende, dass er mit diesem Verlauf selbst nicht glücklich war. „Das war so, dass ich so enttäuscht war, dass ich also den Titel am selben Abend noch zurückgebe­n wollte und verzichten wollte“, sagte Schmeling einst in einem Interview. Zumal er bis zum Tiefschlag vom favorisier­ten Sharkey klar beherrscht worden war.

Sharkey war für damalige Verhältnis­se ein richtiger Brocken. 93 Kilogramm brachte der Linksausle­ger auf die Waage, war allerdings mit 1,83 Meter gut zwei Zentimeter kleiner als Schmeling. Der als Joseph Paul Zukauskas geborene Sohn litauische­r Einwandere­r beherrscht­e Schmeling in den ersten Runden nach Belieben, deckte ihn immer wieder mit harten Schlägen ein. Schmeling, so hofften seine Fans, würde die Anfangspha­se zur Analyse des Gegners nutzen.

Doch die gewonnenen Erkenntnis­se brauchte er letztlich nicht. Nach dem Tiefschlag von Sharkey wurde Schmeling in seine Ecke gehievt, saß benommen da. Einen Tiefschutz gab es damals nicht. „Ich hatte sehr viel Schmerzen und hab‘ dann auch noch sehr lange darunter gelitten“, erinnerte er sich. Der Kampf war zwar live im Hörfunk übertragen worden, doch Deutschlan­d hatte das Signal wegen technische­r Probleme nicht erreicht. So erfuhren die Leute aus der Zeitung vom Sieg Schmelings. Erst als Schmeling seinen Titel drei Wochen später gegen Young Stribling erfolgreic­h verteidigt­e, galt er als wahrer Champion. Seinen größten Kampf lieferte er viel später und nicht als Weltmeiste­r. Im Juni 1936 schlug er den als unbesiegba­r geltenden Joe Louis in der zwölften Runde k.o. Es war eine wohl noch größere Überraschu­ng als Schmelings Sieg im WMKampf sechs Jahre zuvor.

Schmeling und Sharkey standen sich gut zwei Jahre nach dem ersten Duell erneut gegenüber. Und wieder war das Urteil umstritten. Dieses Mal war Schmeling besser, dominierte Sharkey, ließ aber zwischendu­rch nach. Trotzdem erwarteten die meisten einen Sieg des Deutschen nach 15 Runden. Dann folgte das Urteil: Sharkey gewann nach Punkten. Nach dem „Weltmeiste­r durch Tiefschlag“hatte das Boxen seinen nächsten Skandal. Den fasste Ex-Champion Gene Tunney in Worte. „Ich gebe Sharkey einen neuen Titel, den Titel des ersten Weltmeiste­rs, der durch Davonlaufe­n gewann“, sagte der New Yorker. In Sachen Popularitä­t war Schmelings trotz der Niederlage noch immer einer der Größten.

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SVEN SIMON ?? Die deutsche Box-Legende Max Schmeling in den 20er Jahren.
FOTO: IMAGO/ SVEN SIMON Die deutsche Box-Legende Max Schmeling in den 20er Jahren.

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