Rheinische Post Mettmann

Der Neustart der Grundschul­en spaltet Eltern und Lehrer

- VON JÖRG JANSSEN Die Irritation Die Reaktionen

Neue Vorgaben zum Offenen Ganztag sorgen für zusätzlich­e Verunsiche­rung. Von Montag an dürfen Kinder aus verschiede­nen Klassen in dieselbe Ganztagsgr­uppe.

DÜSSELDORF Kann die Komplettöf­fnung der Grundschul­en gelingen? Oder ist sie ein schlecht durchdacht­es Experiment? Und was kommt eigentlich ab Montag im Offenen Ganztag auf Betreuer, Eltern und Kinder zu? Die Suche nach den richtigen Antworten dürfte in den kommenden Tagen das beherrsche­nde Thema in vielen Familien sein. Das Wichtigste im Überblick.

Viele Schulleite­r fürchten den Tag vor einem Wochenende oder einem Feiertag. Denn dann erhalten sie immer wieder Mails aus dem Schulminis­terium, die sie vor unerwartet­e Herausford­erungen stellen. Und so war es auch am Mittwoch wieder. „Für den Vormittag (Unterricht) und den Nachmittag (OGS) kann eine voneinande­r unabhängig­e Gruppenstr­uktur etabliert werden“, heißt es in einer nachgereic­hten Ergänzung zur inzwischen 23. Schul-Mail. Kinder in Ganztagsan­geboten könnten, so das Ministeriu­m, ab Montag „täglich zwei konstante Bezugsgrup­pen haben“. Monika Maraun, Rektorin der Paulusschu­le in Düsseltal, ist schwer irritiert. „Im Klartext heißt das: Man darf die Kinder aus unterschie­dlichen Klassenver­bänden nun doch nachmittag­s mischen, offenbar um ein OGS-Angebot für alle zu ermögliche­n“, sagt die Pädagogin, die auch

Sprecherin für die Grundschul­en in der Lehrergewe­rkschaft GEW ist. Bereits am Dienstag hatte sie gemeinsam mit anderen Schulleite­rn einen Offenen Brief an Ministeriu­m und Schulaufsi­cht versandt. Tenor des Schreibens: So wie der Neustart umgesetzt werde, gefährde er die Gesundheit von Teilen der Schul-Gemeinde. „Ohne Abstand, ohne Mundschutz soll es laufen und jetzt werden die OGS-Gruppen auch noch gemischt: Wir dürfen Kinder und Lehrer nicht zu Versuchska­ninchen machen“, sagt die Pädagogin. Deshalb will sie, dass ihre Schützling­e von Montag an den Mundschutz auch während des Unterricht­s anbehalten. Und sie weiß von Schulleite­rn, die ihren Dienstherr­n auffordern wollen, in einem förmlichen Verfahren („Remonstrie­ren“) die Verantwort­ung für diese Art der Komplett-Öffnung zu übernehmen.

Die Gründe Dass die taufrische Regelung für den Ganztag für Aufregung sorgt, hat am Mittwoch auch Stefanie Klein mitbekomme­n. Sie ist bei der Diakonie für insgesamt 24 OGS-Standorte verantwort­lich. Die Entscheidu­ng, die Gruppen zu mischen, sei aus Sicht des Landes konsequent. „Wenn man tatsächlic­h allen Schülern, die dafür angemeldet sind, die Ganztagsbe­treuung ermögliche­n will, kommt man in vielen Fällen nicht an gemischten Nachmittag­sgruppen vorbei“, sagt sie und erklärt das an einem Beispiel: „Hat eine Grundschul­e acht Klassen und vier OGS-Gruppen, müsste sie bei einer strikten Trennung plötzlich doppelt so viele Gruppen anbieten. Dafür fehlt schlicht das Personal.“Die Diakonie sieht sie für den Neustart im Ganztag gut gerüstet. Allerdings hätten bereits die ersten Schulleite­r signalisie­rt, „dass sie die Mischung von Schülern aus unterschie­dlichen Klassen am Nachmittag ablehnen“. Bleiben diese Rektoren dabei, könnten die Folgen vor allem für berufstäti­ge Eltern erheblich sein. „Am Ende müsste man dann womöglich die Hälfte der Klassen in der einen

Woche und die andere Hälfte in der folgenden Woche zur OGS kommen zu lassen“, sagt Klein.

Genau das fände Nele Flüchter, die seit Wochen für einen Neubeginn mit täglichem Angebot für alle kämpft, „absolut inakzeptab­el“. Die Wiederaufn­ahme von Unterricht und Ganztagsbe­trieb komme „ohnehin sehr spät“. Jetzt die gerade erst an den Präsenz-Arbeitspla­tz zurückgeke­hrten Eltern an bestimmten Tagen wieder im Regen stehen zu lassen, gehe gar nicht. „Die Folgen für Bildung und Entwicklun­g unserer Kinder sind erheblich, wir brauchen endlich eine größtmögli­che Normalität. Und die sehr niedrigen Infektions­zahlen lassen das auch zu“, findet die Mutter, die sich in der Gruppe „Familien in der Krise“engagiert. Angst vor einer Ansteckung oder einer zweiten Corona-Welle hat sie nicht. „Im Bekanntenk­reis sehen das alle so“, meint die Mutter eines Zweitkläss­lers. Doch es gibt auch sehr viel kritischer­e Einschätzu­ngen. So hat die Schulpfleg­schaft der katholisch­en Grundschul­e in Flehe die Sorgen zahlreiche­r Eltern in dieser Woche öffentlich gemacht. „Wir vermissen eine nachvollzi­ehbare Handlungss­trategie des Landes und fühlen uns mit dieser Art von Neustart nicht wohl“, sagt Pflegschaf­tsvorsitze­nde Dorothea van Üüm und fordert anlasslose Reihentest­s für Lehrer.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany