Der Neustart der Grundschulen spaltet Eltern und Lehrer
Neue Vorgaben zum Offenen Ganztag sorgen für zusätzliche Verunsicherung. Von Montag an dürfen Kinder aus verschiedenen Klassen in dieselbe Ganztagsgruppe.
DÜSSELDORF Kann die Komplettöffnung der Grundschulen gelingen? Oder ist sie ein schlecht durchdachtes Experiment? Und was kommt eigentlich ab Montag im Offenen Ganztag auf Betreuer, Eltern und Kinder zu? Die Suche nach den richtigen Antworten dürfte in den kommenden Tagen das beherrschende Thema in vielen Familien sein. Das Wichtigste im Überblick.
Viele Schulleiter fürchten den Tag vor einem Wochenende oder einem Feiertag. Denn dann erhalten sie immer wieder Mails aus dem Schulministerium, die sie vor unerwartete Herausforderungen stellen. Und so war es auch am Mittwoch wieder. „Für den Vormittag (Unterricht) und den Nachmittag (OGS) kann eine voneinander unabhängige Gruppenstruktur etabliert werden“, heißt es in einer nachgereichten Ergänzung zur inzwischen 23. Schul-Mail. Kinder in Ganztagsangeboten könnten, so das Ministerium, ab Montag „täglich zwei konstante Bezugsgruppen haben“. Monika Maraun, Rektorin der Paulusschule in Düsseltal, ist schwer irritiert. „Im Klartext heißt das: Man darf die Kinder aus unterschiedlichen Klassenverbänden nun doch nachmittags mischen, offenbar um ein OGS-Angebot für alle zu ermöglichen“, sagt die Pädagogin, die auch
Sprecherin für die Grundschulen in der Lehrergewerkschaft GEW ist. Bereits am Dienstag hatte sie gemeinsam mit anderen Schulleitern einen Offenen Brief an Ministerium und Schulaufsicht versandt. Tenor des Schreibens: So wie der Neustart umgesetzt werde, gefährde er die Gesundheit von Teilen der Schul-Gemeinde. „Ohne Abstand, ohne Mundschutz soll es laufen und jetzt werden die OGS-Gruppen auch noch gemischt: Wir dürfen Kinder und Lehrer nicht zu Versuchskaninchen machen“, sagt die Pädagogin. Deshalb will sie, dass ihre Schützlinge von Montag an den Mundschutz auch während des Unterrichts anbehalten. Und sie weiß von Schulleitern, die ihren Dienstherrn auffordern wollen, in einem förmlichen Verfahren („Remonstrieren“) die Verantwortung für diese Art der Komplett-Öffnung zu übernehmen.
Die Gründe Dass die taufrische Regelung für den Ganztag für Aufregung sorgt, hat am Mittwoch auch Stefanie Klein mitbekommen. Sie ist bei der Diakonie für insgesamt 24 OGS-Standorte verantwortlich. Die Entscheidung, die Gruppen zu mischen, sei aus Sicht des Landes konsequent. „Wenn man tatsächlich allen Schülern, die dafür angemeldet sind, die Ganztagsbetreuung ermöglichen will, kommt man in vielen Fällen nicht an gemischten Nachmittagsgruppen vorbei“, sagt sie und erklärt das an einem Beispiel: „Hat eine Grundschule acht Klassen und vier OGS-Gruppen, müsste sie bei einer strikten Trennung plötzlich doppelt so viele Gruppen anbieten. Dafür fehlt schlicht das Personal.“Die Diakonie sieht sie für den Neustart im Ganztag gut gerüstet. Allerdings hätten bereits die ersten Schulleiter signalisiert, „dass sie die Mischung von Schülern aus unterschiedlichen Klassen am Nachmittag ablehnen“. Bleiben diese Rektoren dabei, könnten die Folgen vor allem für berufstätige Eltern erheblich sein. „Am Ende müsste man dann womöglich die Hälfte der Klassen in der einen
Woche und die andere Hälfte in der folgenden Woche zur OGS kommen zu lassen“, sagt Klein.
Genau das fände Nele Flüchter, die seit Wochen für einen Neubeginn mit täglichem Angebot für alle kämpft, „absolut inakzeptabel“. Die Wiederaufnahme von Unterricht und Ganztagsbetrieb komme „ohnehin sehr spät“. Jetzt die gerade erst an den Präsenz-Arbeitsplatz zurückgekehrten Eltern an bestimmten Tagen wieder im Regen stehen zu lassen, gehe gar nicht. „Die Folgen für Bildung und Entwicklung unserer Kinder sind erheblich, wir brauchen endlich eine größtmögliche Normalität. Und die sehr niedrigen Infektionszahlen lassen das auch zu“, findet die Mutter, die sich in der Gruppe „Familien in der Krise“engagiert. Angst vor einer Ansteckung oder einer zweiten Corona-Welle hat sie nicht. „Im Bekanntenkreis sehen das alle so“, meint die Mutter eines Zweitklässlers. Doch es gibt auch sehr viel kritischere Einschätzungen. So hat die Schulpflegschaft der katholischen Grundschule in Flehe die Sorgen zahlreicher Eltern in dieser Woche öffentlich gemacht. „Wir vermissen eine nachvollziehbare Handlungsstrategie des Landes und fühlen uns mit dieser Art von Neustart nicht wohl“, sagt Pflegschaftsvorsitzende Dorothea van Üüm und fordert anlasslose Reihentests für Lehrer.