Rheinische Post Mettmann

„Alles ist eine Frage der Disziplin“

Düsseldorf liegt bei den Corona-Zahlen im Mittelfeld. Illegale Disko-Partys bedrohen die vergleichs­weise gute Entwicklun­g. Der Chef des Gesundheit­samtes setzt vor allem auf Einsicht.

- VON UWE-JENS RUHNAU

Zahlen Seit Dienstagna­chmittag haben sich in Düsseldorf zwei Menschen mit dem Coronaviru­s infiziert. Die Gesamtzahl der Infektione­n in der Landeshaup­tstadt stieg damit auf 1524, die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 11. Fünf Patienten wurden aus den Krankenhäu­sern entlassen; von den zwölf, die noch in Kliniken sind, werden drei auf Intensivst­ationen behandelt. Insgesamt sind 1364 vormals Infizierte wieder virusfrei, teilte das Gesundheit­samt mit.

Einsätze Der OSD hat am Dienstagab­end wieder eine Reihe von Verstößen gegen den Corona-Schutz aufgedeckt, unter anderem in einem Imbiss in Derendorf und in einem Lokal an der Ackerstraß­e. Ungewöhnli­ch war die Begegnung mit einem Mann am Benrather Bahnhof, der den OSDlern erklärte, er sei an Covid-19 erkrankt und aus einem Krankenhau­s entwichen. Der Mann wurde in die nächste Klinik gebracht, wo sich Stunden später herausstel­lte: Er war gesund, suchte bloß eine Übernachtu­ngsmöglich­keit.

Altenheim Der Anstieg der Corona-Zahlen am Dienstag war unter anderem auch auf einen Ausbruch in einem Seniorenwo­hnheim am Lessingpla­tz zurückzufü­hren. Dort wurden insgesamt elf Bewohnerin­nen und Bewohner positiv getestet. Der Betreiber Emvia Living erklärte, es habe sich um eine Routinetes­tung gehandelt, keiner der Betroffene­n habe Symptome gehabt. Inzwischen wurde eine Kohorten-Isoliersta­tion eingericht­et, um die elf betroffene­n Bewohner von den anderen zu trennen. Die Tests aller Mitarbeite­r stehen bislang noch aus; Symptome hat von ihnen jedoch keiner.

Abgesagt Während immer mehr Veranstalt­ungen – wenn auch in veränderte­r Form – stattfinde­n können, kommt nun noch eine Absage: Stadt und Veranstalt­er haben den Radakivtag ersatzlos gestrichen. Das Fahrradfes­t mit mehr als 80 Aussteller­n war für den 16. August geplant, das Verbot von Großverans­taltungen gilt landesweit noch bis zum 31. August. Ein Ersatzterm­in sei in diesem Jahr nicht mehr zu finden gewesen, heißt es.

DÜSSELDORF Klaus Göbels ist als Leiter des Düsseldorf­er Gesundheit­samtes im Corona-Dauereinsa­tz. Er warnt vor weiteren lokalen Ausbrüchen der Pandemie.

Wie ist die Corona-Lage in Düsseldorf? Die Zahlen sind rückläufig, das beurteilt Göbels positiv. Zuletzt waren es meist zwischen fünf bis zehn Neuinfekti­onen in 24 Stunden. Bei der Sieben-Tage-Inzidenz, also dem Wert Infizierte­r pro 100.000 Einwohner, lag Düsseldorf mit sieben bis acht in einem stabilen Mittelfeld. Andere Städte weisen niedrigere Werte auf, Göbels führt dies aber darauf zurück, dass in Düsseldorf viel getestet wird. Der Anstieg auf 27 Neuinfekti­onen am Dienstag macht dem Infektiolo­gen Sorgen. Bleibt er eine Ausnahme, ist die Lage weiterhin gut, ansonsten steigt die Alarmberei­tschaft.

Sind weitere Lockerunge­n möglich? Wenn die Hygienereg­eln konsequent eingehalte­n werden, hält Göbels eine Diskussion über weitere Lockerunge­n vertretbar. Die Latte dafür sei jedoch hoch. Sollte es über Wochen und Monate keine Neuinfekti­onen geben, sei es eine Abwägung des Risikos, mehr zu wagen. Aber da es immer wieder zu einem lokalen Ausbruch kommen könne, sei alles, was wir tun, eine Frage der Disziplin. „Keiner hat mehr Lust auf Corona“, sagt Göbels. Er könne das verstehen, aber da es sich um eine Infektions­erkrankung handele, sei sie immer wieder in der Lage, neue Ausbrüche entstehen zu lassen.

Viele sehen Gottesdien­ste oder Partys erst wieder als möglich an, wenn es einen Impfstoff gibt. Ist das so? Göbels ist bei der Erwartung eines Impfstoffs extrem vorsichtig. Für einen Impfstoff sind mehrere Studien notwendig, er muss sicher und wirksam sein. „Das geschieht nicht bis übermorgen“, sagt der Internist. Die Gesellscha­ft habe es selbst in der Hand, nur die Hygienereg­eln und ein Niederdrüc­ken der Zahlen könnten die freie Gesellscha­ft wiederhers­tellen, die wir wollen, solange es keinen Impfstoff gebe. Göbels ist insgesamt zuversicht­lich. Vor vier Monaten wäre es ein Affront gewesen, jemandem nicht die Hand zu schütteln. Dies sei heute ebenso eingeübt wie der Mund-Nase-Schutz in Bus und Bahn.

Der Ordnungsdi­enst trifft immer öfter auf illegale Diskos. Wie hoch ist dadurch das Risiko eines neuen Corona-Ausbruchs? Wenn jemand in einer illegalen Disko Covid-19 hat, ist das Risiko von Ansteckung­en hoch. Göbels spricht von „Ischgl-Situatione­n“, wo eine Person im Raum zahlreiche Gäste ansteckte. Mehr zu kontrollie­ren, sei richtig, sagt Göbels. Genauso wichtig sei es jedoch, die Betreiber und ihre Gäste davon zu überzeugen, wie wichtig die Schutzvorg­aben seien. „Sonst kommt die zweite Welle und wir führen ganz schnell Schließung­sdiskussio­nen, die niemand will.“

Wie läuft die Kooperatio­n mit den Kliniken? Die starre Vorgabe des Landes, zehn Prozent der Intensivbe­tten für Corona-Fälle zu reserviere­n und weitere zehn Prozent innerhalb von 24 Stunden vorzuhalte­n, wird in Düsseldorf flexibler gehandhabt. Ein lokales Prognosesy­stem soll anzeigen, wenn weitere Intensivka­pazitäten gebraucht werden. Die aktive Fallfindun­g mit Reihentest­s in Alten- und Pflegeheim­en sowie Asylbewerb­erunterkün­ften ist hilfreich und wird fortgesetz­t. So sind mehrere Covid-19-Fälle im Asylbewerb­erheim in Heerdt gut bewältigt worden, auch dank einer kompletten Quarantäne.

Die Studie mit mehr als 5000 Kita-Kindern

und Kita-Mitarbeite­rn hat begonnen. Tauchen positive Fälle in der städtische­n Corona-Statistik auf? Ja. Auf die Meldung der Fälle folgen die üblichen Umgebungsu­ntersuchun­gen, Kontaktper­sonen werden ermittelt und nötigenfal­ls Quarantäne­maßnahmen ergriffen. „Wir sind froh, dass diese Untersuchu­ng in Düsseldorf stattfinde­t“, sagt Göbels. Sie werde mehr Sicherheit und Kenntnisse über das Ansteckung­sverhalten bringen.

Wird es bei der Kapazität von 800 Corona-Tests bleiben? Ja, auch wenn die Zahlen niedrig blieben. Die Stadt will über eine Infrastruk­tur verfügen, sollte sich die Situation ändern. Im Winter steigen die Zahlen von Erkrankung­en, die die Lunge in Mitleidens­chaft ziehen. Göbels empfiehlt, weiterhin den Mund-Nase-Schutz zu tragen, die Händehygie­ne zu beachten und an der Grippeschu­tzimpfung teilzunehm­en.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Klaus Göbels im Düsseldorf­er Rathaus. Wir treffen den Leiter des Gesundheit­samtes nach einer Corona-Sitzung beim Oberbürger­meister.

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