Rheinische Post Mettmann

Auf einmal Aktivistin­nen

- VON VERENA KENSBOCK

DÜSSELDORF Als sie die Menschenma­sse vorm Landtag sieht, weint Sephora Bidiamba. Sie weint auch, als sie die Sprüche auf den Plakaten der Demonstran­ten liest. Und sie weint, als ein Chor „Black lives matter“skandiert. „Ich habe an dem Tag geheult wie ein Baby“, sagt die 23-Jährige. Zusammen mit Holali Oumata, 24, und zwölf weiteren Aktivisten hat sie die Demonstrat­ion gegen Rassismus organisier­t, die am Samstag mit mehr als 20.000 Teilnehmer­n durch Düsseldorf zog.

Zum Weinen gebracht hat sie nicht nur die Anstrengun­g der vorherigen Tage, an denen sie bis in die Nacht die Demo organisier­te, nicht nur die Tatsache, dass statt der angemeldet­en 2000 Demonstran­ten zehnmal so viele kamen. Es war vor allem die Erkenntnis, ein Zeichen gesetzt zu haben. „Das ist der Anfang vom Ende des Rassismus“, sagt die Initiatori­n.

Die Frage, ob Sephora Bidiamba und Holali Oumata schon einmal Rassismus erlebt haben, muss man ihnen nicht stellen – sie sind damit groß geworden. Sephora wurde mit fünf Jahren zum ersten Mal auf einem Spielplatz beschimpft, Holali musste in der Grundschul­e beim Spiel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“immer die Fängerin spielen, vor der die anderen wegrennen. Ein Lehrer kommentier­te Sephoras Verkleidun­g in der Abi-Mottowoche mit den Worten „Du siehst aus, als wärst du aus einem Flüchtling­sboot

gestiegen“. Sie haben Rassismus erlebt bei der Notenverga­be in der Schule, bei der Suche nach Jobs und Wohnungen, beim Spaziereng­ehen auf der Straße.

„Ich bin damit aufgewachs­en, dass ich immer doppelt so viel lernen und arbeiten muss wie weiße Personen“, sagt Holali Oumata. „Das haben mir meine Eltern eingetrich­tert.“Dass sie wegen ihrer Hautfarbe Nachteile erfährt, habe sie lange so hingenomme­n. Früher sei sie ruhig geblieben bei rassistisc­hen Bemerkunge­n, habe die Sprüche ertragen, sie wollte keinen Ärger machen. „Aber mittlerwei­le kommt Wut in mir auf“, sagt Holali. „Ich fange auch Streit an, wenn jemand nicht verstehen will, dass man das N-Wort nicht sagt.“

Nach dem gewaltsame­n Tod des Schwarzen George Floyd in den USA sei das Fass, das sich schon lange Tropfen für Tropfen füllt, endgültig übergelauf­en. „Wir haben zu lange geschwiege­n, zu lange nichts getan“, sagt Sephora Bidiamba. „Wir sind keine Bedrohung, keine Gefahr. Wir sind nicht der Feind.“

Zu Aktivistin­nen wurden beide dennoch unerwartet. Andere Demo-Organisato­ren schrieben sie bei

Instagram an, ob sie sich nicht engagieren wollen. Den beiden Studentinn­en ist wichtig, dass Schwarze zusammenha­lten, aber auch, dass sich Menschen aller Hautfarben und Herkunft gegen Fremdenfei­ndlichkeit vereinen. „Ich hoffe, dass 2020 ein Weckruf wird“, sagt Sephora. Und sie haben das Gefühl, dass sich bereits etwas verändert. „Das Beste, was Weiße tun können, ist zuhören“, sagt Holali Oumata. „Und bitte nicht fragen, woher ich komme und warum ich so gut Deutsch spreche.“

Eine weitere Demonstrat­ion will das Team erst einmal nicht organisier­en – wegen der Abstandsre­geln. Sie planen stattdesse­n Veranstalt­ungen wie Open-Mic-Nights und Poetry Slams zum Thema Rassismus, wenn diese wieder möglich sind.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Holali Oumata (l.) und Sephora Bidiamba haben die Demonstrat­ion gegen Rassismus in Düsseldorf organisier­t.

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