Der Evolution auf der Spur
460 Meter lang ist ein Weg mit 20 Schautafeln, der die Erdgeschichte nachempfindet. Der Aquazoo unterstützt das Projekt, das bis zur früheren Engländerwiese an der Rotterdamer Straße reicht und am Freitag eröffnet wird.
GOLZHEIM Eine neue Tafel nicht weit vom Aquazoo zeigt einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung des irdischen Lebens: Das erste Wirbeltier verlässt seine angestammte Umgebung und geht an Land. Ein Thema, das zu dem auf Fische, Amphibien und Reptilien spezialisierten Naturkundemuseum passt. Und zu einem neuen Weg, der nicht weniger nachzeichnen will als die gesamte Erdgeschichte. 20 Tafeln haben Ricarda Hinz, ihr Mann Jacques Tilly und Sohn Valentin entlang eines „Evolutionsweges“aufgestellt, der vom Aquazoo bis zur Rotterdamer Straße entlang der Grünewaldstraße verläuft. Mit Hilfe von 20 Tafeln kann die Evolution anschaulich nachvollzogen werden: Von der Erstehung des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren über die ersten Spuren des Lebens, die Erfindung der Photosynthese, dem wagemutigen Landgang der Fische bis hin zum Menschen.
Ein wichtiger Punkt ist der Abstand zwischen den Tafeln. Denn er zeigt in Metern, wie lange ein bestimmter Sprung bei der Entwicklung des Lebens zurückliegt. „Der moderne, also sesshafte Mensch nimmt gerade einmal einen Millimeter des 460 Meter langen Weges ein. Und von den ersten Vor-Menschen bis heute sind es auch nur zwei Zentimeter“, sagt Hinz. Die Idee hat die „evolutionäre Humanistin“, wie sie sich nennt, aus dem Rhein-Neckar-Raum übernommen.
Die dortige Regionalgruppe der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung hat bereits den Evolutionspfad entlang eines Wanderwegs aufgebaut. „Uns geht es darum, naturwissenschaftliche Erkenntnisse populär zu machen“, sagt Hinz und bemängelt, dass die Evolution, so wie Charles Darwin und andere sie erforscht haben, „erst im Curriculum für die zehnten Klassen auftaucht“.
Diese Kritik teilt auch Jochen Reiter, Leiter des Aquazoos. „Meine neunjährigen Zwillinge fragen, wie sich die Pflanzen und Tiere entwickelt haben, wie der Mensch entstanden ist, aber in der Grundschule erfahren sie nichts über die Evolution“, sagt der promovierte Biologe. Den Weg entlang der Grünewaldstraße sieht er als Bereicherung und kann sich vorstellen, Schülern, die gemeinsam mit ihren Lehrern kommen, Arbeitsmaterialien zur Evolution an die Hand zu geben. „Auch kleinere Gruppen, die von einem unserer Ehrenamtler geführt werden, kann ich mir vorstellen“, sagt Reiter.
Dass die Giordano-Bruno-Stiftung, deren Mitglieder die Existenz eines Schöpfer-Gottes verneinen, das Konzept für den Evolutionsweg entwickelt hat, stört den in Bayern aufgewachsenen Katholiken nicht. „Die Tafeln fassen in sehr guter Qualität zusammen, was der Stand der
naturwissenschaftlichen Forschung ist, das kann man alles zu 100 Prozent unterschreiben“, sagt Reiter. Der neue Evolutionsweg sei frei von Ideologien oder Dogmatismus und auch deshalb ein gutes Angebot an alle naturwisschenschaftlich Interessierten. Bis heute fasziniert ihn, „dass aus mikroskopisch kleinen Zellen am Ende der Organismus des Menschen entstanden ist“. Einig ist er sich mit Hinz in der Ablehnung des in Teilen Amerikas besonders einflussreichen Kreationismus. „Wer die Grundprinzipien der Evolution und der Entwicklung der Arten leugnet, disqualifiziert sich selbst.“
Hinz hofft, „dass dieser Weg das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Resourcen schärfen kann“. Sie beschäme, dass der Mensch beispielsweise fossile Stoffe, die in zig Millionen Jahren entstanden seien, in nur einem Jahrhundert verbrenne. Auch Reiter ist ein wenig evolutionsskeptisch. „Wir sind dabei, das zu gefährden, was diesen Planeten ausmacht. Der neue Evolutionsweg kann das Bewusstsein dafür schärfen.“