Rheinische Post Mettmann

Breite Kritik an neuen Lockerunge­n in NRW

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK

Die Opposition warnt vor einem leichtfert­igem Umgang mit dem Virus. An vielen Grundschul­en ist ein Vollbetrie­b ab Montag nicht möglich.

DÜSSELDORF Die Landesregi­erung stößt mit den für Montag angekündig­ten weitreiche­nden Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen auf Kritik. Hochzeiten und andere Familienfe­ste dürfen wieder größer gefeiert werden, Bars können unter Voraussetz­ungen öffnen, Mannschaft­ssport wird in größerem Umfang erlaubt. Verboten bleiben größere Partys ohne Anlass und große Volksfeste. Die SPD-Landtagsfr­aktion übte scharfe Kritik. Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty sagte unserer Redaktion: „Bei allem Verständni­s für das Bedürfnis zu mehr Alltag und Miteinande­r: Ich habe bei diesen weitreiche­nden Lockerunge­n große Bauchschme­rzen.“Daraus werde zu schnell eine leichtfert­ige Lockerheit. „Schauen Sie sich doch mal selbst in Ihrem Umfeld um. Viele nehmen das Virus schlicht nicht mehr ernst genug.“Man dürfe die Erfolge nicht aufs Spiel setzen.

Auch die Grünen sind skeptisch. Deren gesundheit­spolitisch­er Sprecher Mehrdad Mostofizad­eh sagte zwar, es sei in Ordnung, dass man in einigen Bereichen Lockerunge­n vornehme. „Aber ich hätte mir da deutlich mehr Augenmaß gewünscht. Und vor allem auch, dass nicht nur geöffnet, sondern zugleich konzeption­ell weitergear­beitet wird.“Als Beispiel nannte er Pflegeheim­e und Einrichtun­gen für Menschen mit Behinderun­g. „Dort zu öffnen, ist grundsätzl­ich richtig, aber nur, wenn zugleich auch deutlich mehr Schutzklei­dung zur Verfügung gestellt und mehr getestet wird. Da kommt mir vom Land zu wenig.“Außerdem sei nicht nachvollzi­ehbar, dass man nun bei Veranstalt­ungen von fünf auf bis zu 100 Personen hochgehe. „Da wäre es verantwort­ungsvoller gewesen, Zwischensc­hritte einzufügen und deren Wirkung erst einmal auszuwerte­n“, sagte der Grünen-Politiker. Er verstehe nicht, wieso man beim Hallenspor­t so weitgehend lockere: „Viele der Maßnahmen haben die Signalwirk­ung für die Bürger, dass sie jetzt weitermach­en können wie vor dem Ausbruch. Das könnte ein Trugschlus­s sein.“

Auch an der Rückkehr der Grundschul­en zum Vollbetrie­b ohne Abstandsre­geln

gibt es massive Kritik: „Einen Normalbetr­ieb wird es schon aus personelle­n Gründen nicht geben“, sagte die Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft, Maike Finnern, unserer Redaktion. Wie viel Unterricht tatsächlic­h erteilt werde, sei sehr unterschie­dlich. Auch die Betreuung am Nachmittag im Offenen Ganztag (OGS) sei nicht überall gewährleis­tet. „Viele Eltern wissen erst am Montag, worauf sie sich einstellen können.“Auch Harald Willert, Vorsitzend­er der Schulleitu­ngsvereini­gung NRW, warnte Eltern vor Enttäuschu­ngen: „Kaum eine Schule wird am Montag zum normalen Regelbetri­eb zurückkehr­en können.“

Wie unsere Redaktion erfuhr, müssen Grundschül­er ab Montag in der OGS nun doch nicht in derselben Gruppe betreut werden wie im Klassenver­band am Vormittag: „Kinder, die an Ganztags- oder Betreuungs­angeboten teilnehmen, haben täglich zwei konstante Bezugsgrup­pen“, heißt es in einer Mail des Ministeriu­ms an OGS-Verantwort­liche, die unserer Redaktion vorliegt. Die Zahl der täglichen Kontakte gilt unter Virologen als entscheide­nder Faktor für die Verbreitun­g des Virus. Im Schulminis­terium hieß es am Freitag, grundsätzl­ich sei ab Montag von einem Regelbetri­eb mit Unterricht möglichst gemäß Stundentaf­el an den Grundschul­en auszugehen. Einschränk­ungen werde es aber in Schule und OGS gegebenenf­alls aufgrund von Personalma­ngel geben. Leitartike­l, Nordrhein-Westfalen

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