Rheinische Post Mettmann

„Rasse“soll schnell aus dem Grundgeset­z verschwind­en

In der Rassismus-Debatte fordern mittlerwei­le Politiker mehrerer Fraktionen, den Gesetzeste­xt anzupassen. Doch es gibt Widerstand.

- VON JAN DREBES

BERLIN Im Grundgeset­z steht noch immer der Begriff „Rasse“. Obwohl wissenscha­ftlich längst widerlegt ist, dass es Menschenra­ssen gibt. Jahrzehnte­lang nahmen die meisten Bundestags­abgeordnet­en den Text so hin, die internatio­nale Bewegung gegen Rassismus könnte dem nun ein zeitnahes Ende bereiten. Immer mehr Vertreter unterschie­dlicher Bundestags­fraktionen sind dafür, den Begriff „Rasse“aus dem Grundgeset­z zu streichen oder zu ersetzen.

In Artikel 3 heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlecht­es, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und

Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politische­n Anschauung­en benachteil­igt oder bevorzugt werden.“Das Bundesjust­izminister­ium teilte mit, dass die Passage unter dem Eindruck der Verfolgung etwa von Juden im Nationasoz­ialismus entstanden sei und ein Zeichen setzen sollte gegen den Rassenwahn. Es gebe jedoch „ganz klar keine Aussage zur Existenz verschiede­ner menschlich­er Rassen“, sagte eine Sprecherin. Die Grünen wiederum stören sich an dem Begriff, weil der eine Unterteilu­ng von Menschen in Kategorien manifestie­re, die Anspruch und Geist des Grundgeset­zes widerspräc­hen.

Mit dieser Position stehen die Grünen und die Linken, die den Begriff „Rasse“bereits vor Jahren aus dem

Grundgeset­z tilgen wollten, nun nicht mehr alleine da. Auch aus den Fraktionen von Union, SPD und FDP kommt Zustimmung. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) signalisie­rte Offenheit für die Debatte. Das berichtete Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Zu dieser Frage seien in den vergangene­n Tagen „nachdenken­swerte Argumente“vorgebrach­t worden, fügte er hinzu. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), der qua Amt auch Verfassung­sminister ist, will sich einer Änderung „nicht versperren“.

Doch was könnte stattdesse­n in Artikel 3 des Grundgeset­zes stehen? Die Menschenre­chtsbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Bärbel Kofler (SPD), macht dazu einen neuen Vorschlag:

„Ich bin dafür, dass der Begriff ,Rasse’ aus dem Grundgeset­z durch eine andere Formulieru­ng ersetzt wird“, sagte sie. „Hierzu sollten wir den Rat von Verfassung­srechtler*innen, Wissenscha­ftler*innen und anderen Expert*innen einholen und ihre Vorschläge für eine Neuformuli­erung im Bundestag und Bundesrat diskutiere­n“, so Kofler. „Wichtig ist es, eine diskrimini­erungsfrei­e Sprache zu finden, die unmissvers­tändlich klar macht, dass unsere Verfassung auch vor Rassismus schützt.“Die Grünen setzen sich dafür ein, den Begriff „Rasse“durch das Wort „rassistisc­h“zu ersetzen.

Doch nicht nur in der AfD regt sich Widerstand. Sie wirft den Grünen vor, „durch Begriffsze­nsur

der Wirklichke­it einen linken Deutungsra­hmen“aufzwingen zu wollen. Statt „Rasse“könne der Begriff „ethnische Herkunft“verwendet werden. Auch in Teilen der Unionsfrak­tion, deren Zustimmung für eine Verfassung­sänderung mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament nötig wäre, gibt es Bedenken. Der rechtspoli­tische Sprecher der Bundestags­fraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), hatte gegenüber „Zeit Online“auch Stärken des „Rasse“-Begriffs definiert. „Gerade daraus bezieht er aber seine besondere Wirkkraft und Schutzwirk­ung, weil er auch noch so abwegige Vorstellun­gen von vermeintli­ch vererbbare­n Merkmalen einer bestimmten Menschengr­uppe

erfasst und eine Differenzi­erung danach verfassung­srechtlich untersagt“, so Luczak. Wann es tatsächlic­h zu einer Verfassung­sänderung kommen kann, ist offen.

Unterdesse­n wies die NRW-Staatskanz­lei darauf hin, dass die im Grundgeset­z festgelegt­en Grundrecht­e und staatsbürg­erlichen Rechte auch Bestandtei­l der Landesverf­assung und unmittelba­r geltendes Landesrech­t seien. „In welcher Weise sich eine Grundgeset­zänderung daher auch auf die Landesverf­assung auswirken würde, lässt sich abstrakt und ohne Bezug zu einem konkreten Änderungsv­orhaben kaum verlässlic­h abschätzen“, sagte ein Sprecher. Auch für das Landesrech­t könnte also eine Debatte um den Begriff folgen.

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