Altmaier spricht von einem „Kraftpaket“
Der CDU-Wirtschaftsminister und Finanzinister Olaf Scholz (SPD) sind überzeugt, dass der Handel die Senkung der Mehrwertsteuer an die Verbraucher weitergibt.
BERLIN 300 Euro pro Kind, die Senkung der Mehrwertsteuer und verbesserte Abschreibungsregeln für Unternehmen – der Staat investiert riesige Beträge zur Bekämpfung der tiefsten Krise der Nachkriegszeit. „Wir wollen aus der Krise raus mit voller Kraft“, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Freitag nach dem Kabinettsbeschluss zum ersten Teil des 130-Milliarden-Euro-Konjunkturpakets. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem „Kraftpaket“.
Verbraucher Herzstück des Pakets ist die Senkung der Mehrwertsteuer
vom 1. Juli bis 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent. Der ermäßigte Satz, der für viele Lebensmittel, Bücher, Zeitungen und Waren des täglichen Bedarfs gilt, sinkt von sieben auf fünf Prozent. Den Steuerausfall von knapp 20 Milliarden Euro trägt der Bund allein. Die Regierung setzt darauf, dass der Handel die Steuersenkung an die Verbraucher weitergibt. „Ich bin zuversichtlich, dass es zu Preissenkungen kommt“, sagte Scholz. Altmaier erklärte, wo die Nachfrage notleidend sei, machten sich Händler schon Gedanken darüber, wie sie über die Steuersenkung hinaus attraktive eigene Angebote machen könnten. Laut einer Empfehlung des Wirtschaftsministeriums sollte der Einzelhandel an den Kassen pauschale Rabatte gewähren. Dann müssten nicht alle Preisschilder in der Nacht zum 1. Juli geändert werden. 85 Prozent der Befragten erwarteten keine oder nur geringe Preissenkungen, ergab das jüngste ZDF-Politbarometer.
Kritik kam vom Verband der Familienunternehmer. „Leider erweist sich insbesondere die Mehrwertsteuersenkung
für weite Teile der Wirtschaft eher als Wachstumsbremse und nicht als Beschleuniger“, sagte Verbandspräsident Reinhold von Eben-Worlée. „Gerade im B2B-Bereich, in dem die Umsatzsteuer nichts weiter als ein durchlaufender Posten ist, müssen jetzt aufwendig die Systeme umgestellt werden – innerhalb der nächsten zwei Wochen und dann nur für ein halbes Jahr bevor alles wieder zurück gedreht wird. Das verursacht enorme Verwaltungskosten und Unsicherheiten. Gut wäre es daher, den B2B-Bereich von der Steuersenkung auszunehmen.“
Familien Eltern erhalten für jedes Kind einen Bonus von 300 Euro. Es wird in zwei Raten im September und Oktober als Aufschlag auf das Kindergeld gezahlt Der Zuschuss wird bei der Einkommensteuer mit den Kinderfreibeträgen verrechnet, aber nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Für Alleinerziehende wird der so genannte Entlastungsbetrag bei der Steuer 2020 und 2021 von derzeit 1908 auf 4008 Euro mehr als verdoppelt. Die Regierung erhofft sich von den Maßnahmen höhere Konsumausgaben.
Unternehmen Die Soforthilfe des Bundes für kleine Unternehmen wird zu einer Überbrückungshilfe für den gesamten Mittelstand weiter entwickelt. 25 Milliarden Euro stellt der Staat für Zuschüsse von bis zu 150.000 Euro pro Unternehmen zur Verfügung. Je nach Höhe des nachgewiesenen Umsatzeinbruchs können Mittelständler für die Monate Juni bis August zwischen 40 und 80 Prozent ihrer Fixkosten – etwa Mieten, Zinszahlungen oder Leasingraten – erstattet bekommen. Zudem enthält das Paket steuerliche Erleichterungen für Unternehmen. Krisenbedingte Verluste im laufenden und im kommenden Jahr von bis zu zehn Millionen Euro können mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnet werden, so dass mit Rückerstattungen und geringeren Vorauszahlungen zu rechnen ist. Zudem können Unternehmen Neu-Anschaffungen 2020 und 2021 mit 25 Prozent abschreiben.
Autofahrer Die Kfz-Steuer richtet sich künftig stärker nach dem CO2-Ausstoß. Dadurch steigt die Steuer für Spritschlucker wie SUVs. Sie sinkt dagegen für Kleinwagen. E-Autos werden bis 2030 komplett von der Steuer befreit. Bei der Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen ohne CO2-Emissionen wird der Höchstbetrag des Bruttolistenpreises von 40.000 auf 60.000 Euro angehoben.
Finanzierung Das Konjunkturpaket soll am 29. Juni vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet werden. „Wir halten nichts von Debatten über ein weiteres Konjunkturpaket. Das ist das Konjunkturpaket“, betonte Scholz. Zur Finanzierung ist ein zweiter Nachtragshaushalt des Bundes und die erneute Aussetzung der Schuldenbremse geplant. Umfang: voraussichtlich etwa 50 Milliarden Euro. Der erste Nachtragsetat vor einigen Wochen hatte bereits ein Volumen von 156 Milliarden Euro, so dass der Bund im laufenden Jahr mehr als 200 Milliarden Euro neue Schulden anhäufen dürfte.