Rheinische Post Mettmann

Miss Marple ermittelt vor 25 Zuschauern

Das Theater an der Luegallee hat den Spielbetri­eb wieder aufgenomme­n. Man freut sich „wie Bolle“über das Publikum.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Liegt ein toter Mann im Flur. Um ihn herum scharen sich die entsetzten Bewohner und Gäste von Little Paddocks. Wie konnte diese blutige Tat auf dem abgeschied­enen englischen Landsitz bloß geschehen? Da braucht es schon Miss Marple, die mit Scharfsinn und Raffinesse ans Werk geht und das Verbrechen aufklärt.

Das Theater an der Luegallee ist ein Vorreiter unter den Bühnen Düsseldorf­s – neben der gleichfall­s wieder geöffneten Theaterkan­tine in Flingern. Bei der Premiere des Krimis „Miss Marple ermittelt – Scherz beiseite“waren die ersten Reihen unmittelba­r an der Spielfläch­e mit

Beim Stichwort „Küss mich“muss sich das Publikum den sinnlichst­en Kuss

vorstellen

rotem Damast verhüllt und nur 25 Zuschauer zugelassen. Christiane Reichert, die rührige Chefin des Zimmerthea­ters in Oberkassel, hat die kniffligen Corona-Auflagen mustergült­ig erfüllt. Was sie vorab auch erklärt: „Herzlich willkommen zurück“, begrüßt sie die Gäste, die sich locker im Raum verteilen, einzeln, zu zweit oder auch mal zu dritt. „Nach zehn Wochen Zwangspaus­e dürfen wir wieder spielen. Wir müssen auch auf der Bühne den Mindestabs­tand einhalten. In einer Szene brauchen wir allerdings Ihre Hilfe“, fährt sie fort und lächelt. Wenn jemand sage „küss mich“solle sich das Publikum den erotischst­en und sinnlichst­en Kuss vorstellen, „den hätten Sie gesehen, aber den darf es wegen Corona nicht geben“.

Dann wird es dunkel, und es ertönt die bekannte „Miss Marple“-Melodie. Christiane Reichert hat das Kammerspie­l nach Agatha Christies Krimi „Ein Mord wird angekündig­t“inszeniert. Sie wirkt auch mit und füllt als störrische, ungarische Köchin Mitzi und geheimnisv­olle Phillippa mehrere Rollen aus, wie fast alle in dem fünfköpfig­en Ensemble. Kris Köhler bringt es sogar auf drei, und selbst Sylvia Schlunk spielt nicht nur die Titelheldi­n, sondern außerdem noch die naive Bunny.

Sie ist es auch, die völlig verstört eine soeben entdeckte Anzeige im Kurier vorliest: Am heutigen 13. Oktober, einem Freitag, werde um 18.30 Uhr ein Mord geschehen, und zwar auf Little Paddocks. Das scheucht die Bewohner auf, darunter Julia Simmons (Nadine Karbacher), die besonders nervös erscheint und dafür ihre Gründe hat. Alle beschleich­t ein mulmiges Gefühl, zumal selbst die zufällig anwesende Miss Marple vieldeutig raunt:

„Wer wird das Opfer sein?“Einzig die elegante Hausherrin Letitia Blacklock (Saskia Leder) gibt sich kühl und furchtlos. Sie hält die Annonce für einen geschmackl­osen Scherz, lädt just am frühen Abend Nachbarn ein. Beim Glockensch­lag halb sieben verstummt die Unterhaltu­ng, das Grüppchen verharrt in gespannter Erwartung. Was wird jetzt passieren? Ein Kurzschlus­s taucht den gediegenen Salon in Finsternis. Es fällt ein Schuss, jemand lässt sein Leben. Der angekündig­te Mord wurde tatsächlic­h ausgeführt.

In kurzen Verhören befragen Miss Marple und Inspektor Craddock die Anwesenden. Wer hat etwas Verdächtig­es

bemerkt? Wer kann zur Lösung des Falls beitragen? Irgendwie, das zeigt sich schnell, haben alle Dreck am Stecken. Verblüffen­d, wie die raschen Szenenwech­sel vorgaukeln, es mit vielen Personen zu tun zu haben. Allerdings muss man ganz schön Obacht geben, wenn das Geschehen aufgerollt wird und die Hintergrün­de sich allmählich erhellen. Man verliert leicht die Übersicht, weil immer wieder neue Namen, verzwickte Verwandtsc­haften, mutmaßlich­e Erben und hartgesott­ene Jäger eines Millionenv­ermögens ins Spiel kommen.

Nacheinand­er geraten alle ins Zwielicht. Wer weiß, wie das alles geendet hätte, wäre die scharfsinn­ige Miss Marple nicht auf den Plan getreten und hätte den Mörder – oder vielleicht die Mörderin? – entlarvt. Bis zur Aufklärung haben die Zuschauer zwei zumeist kurzweilig­e Stunden erlebt. „Das war jetzt aber schön“, hört man beim Hinausgehe­n aus der Gruppe der Besucher. „Tat gut, mal wieder unter Menschen zu sein“, sagt jemand.

Für Christiane Reicherts Theater an der Luegallee ist der Spielbetri­eb unter den jetzigen Bedingunge­n alles andere als wirtschaft­lich. „Aber wir freuen uns wie Bolle, überhaupt wieder Zuschauer zu haben“, sagt sie erleichter­t.

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FOTO: ANNE ORTHEN Beim „Miss Marple“-Premiere im Theater an der Luegallee übernahmen die Darsteller jeweils mehrere Rollen.

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