Rheinische Post Mettmann

„Könnte zweites digitales Semester geben“

- SEMIHA ÜNLÜ STELLTE DIE FRAGEN.

Die Präsidenti­n der Hochschule Düsseldorf über die Herausford­erungen der Online-Lehre und die Pläne für das nächste Semester

Frau Vomberg, wir erleben zurzeit eine Welle an Corona-Lockerunge­n. Was bedeutet das für Sie an der Hochschule und warum wollen Sie das Sommerseme­ster digital zu Ende führen?

Vomberg Für die Hochschule­n wurden bisher nur wenige Dinge gelockert, insbesonde­re für den Lehrbetrie­b nicht. Die Entscheidu­ng ist in enger Abstimmung mit dem Ministeriu­m für Kultur und Wissenscha­ft und dort mit dem Gesundheit­sministeri­um und anderen Hochschule­n gefallen. Wir wollen die Sicherheit für Studierend­e wie Beschäftig­te wahren. Anders, als das vielleicht in Schulen möglich ist, wo man junge Menschen in festen Gruppen hat und in festen Räumen platzieren und betreuen kann, ist das an einer Hochschule nicht möglich. Weil jeder Studierend­e unterschie­dliche Zeiten und Kurse hat und die Kontaktstr­öme daher nicht kanalisier­bar sind und, falls etwas passiert, nicht nachvollzi­ehbar wären, wollen wir sehr sorgsam mit Lockerunge­n umgehen.

Wäre eine Mischung aus Präsenzund Online-Kursen denkbar?

Vomberg Diese hybride Form halten wir für die Studierend­en nicht für praktikabe­l. Wenn diese von 8 bis 10 Uhr eine Präsenz-Veranstalt­ung und von 10 bis 12 Uhr einen Online-Kurs haben, wo sollen sie sich dann hinsetzen? Dabei würden unkontroll­ierte Kontakte entstehen.

Können Online-Formate einen Ersatz bieten in technische­n und forschungs­intensiven Fachbereic­hen? Da, wo eigentlich in Werkstätte­n oder Laboren gearbeitet wird?

Vomberg Es gibt natürlich Einschränk­ungen, aber wir haben einige Tools eingeführt, die zumindest eine gute Hilfestell­ung geben. Und Werkstätte­n behandeln wir wie technische Labore, für die wir Ausnahmege­nehmigunge­n erteilen, wenn dies zwingend notwendig ist. Unter Einhaltung hoher Sicherheit­sstandards können kleine Lehrverans­taltungen mit bis zu 20 Personen stattfinde­n. Es müssen aber natürlich Abstandsre­geln und Hygienemaß­nahmen eingehalte­n werden.

Wie viel Prozent der Lehrverans­taltungen finden digital statt?

Vomberg Etwa 95 Prozent, die Laborübung­en werden allerdings über das ganze Semester gestreckt und finden in viel kleineren Gruppen und mit viel höherem Personalau­fwand statt. Ein Teil wird deswegen auch erst im Folgesemes­ter realisierb­ar sein.

Was war die größte Herausford­erung bei der Umstellung auf einen Digital-Hochschulb­etrieb?

Vomberg Die Kurzfristi­gkeit. Wir haben Mitte März erfahren, dass wir nicht den normalen Lehrbetrie­b aufnehmen können und dass der Vorlesungs­betrieb nicht schon Ende März, sondern erst Ende April beginnen soll. Und dann mussten auch die Lehrenden, die mit digitaler Lehre noch gar keine Erfahrunge­n hatten, damit vertraut gemacht werden. Das hat alle sehr viel Zeit und sehr viel Aufwand gekostet. Aber die Lehrenden sind das mit einem unglaublic­hen Engagement angegangen, weil sie sich für die Studierend­en so verantwort­lich fühlen. Erfahrene Lehrende haben etwa Tutorials für ihre Kollegen erstellt. Unsere hochschuld­idaktische Arbeitsste­lle hat zum Beispiel Einführung­en in digitale Tools gegeben. Weil vieles adhoc erstellt wurde, finden jetzt studienbeg­leitend unter didaktisch­en Aspekten aber ständige Verbesseru­ngen statt.

Wie kommen die Studierend­en mit dem digitalen Semester zurecht?

Vomberg Wir machen genau dazu gerade eine größere Umfrage. Aus einer ersten Zwischenau­swertung zeigt sich, dass die meisten gut versorgt sind und gut zurechtkom­men, aber sich sehr wohl die Präsenz-Lehre wünschen und nicht nur von zu Hause aus studieren wollen.

Wie hoch sind die Mehrkosten an der HSD für das digitale Semester?

Vomberg Das können wir noch nicht beziffern. Wir haben aber einen unglaublic­hen Mehraufwan­d an Bewachungs­kosten. Da, wo wir jetzt Labore und ähnliches öffnen, brauchen wir Wachperson­al, das den Zugang zum Gebäude, zur Tiefgarage kontrollie­rt und die Kontaktdat­en erfasst. Wir werden wahrschein­lich auch zusätzlich­e Kosten im größeren Umfang haben, um am Ende des Semesters die großen Klausuren abwickeln zu können, weil wenn wir die unter Einhaltung der Abstandsge­bote realisiere­n wollen, können wir das nicht in eigenen Räumen. Wir müssen dann externe Anmietunge­n vornehmen. Zudem haben wir natürlich zusätzlich­e IT-Kosten.

Wie finden in diesem Semester

noch keine Einschätzu­ng dazu haben, wie sich Richtung Herbst die Infektions­lage entwickeln wird. Es könnte ein zweites digitales Semester geben oder auch ein hybrides Semester, wobei ich Ihnen schon die Schwierigk­eiten für Letzteres genannt habe. Das ist planerisch eine echte Herausford­erung, weil die Lehrenden sich auf beide Optionen einstellen müssten und wir jetzt mit den Fachbereic­hen in die Planung gehen wollen, ob sie komplett digital planen oder ob wir Organisati­onsformen finden, in denen einzelne Lehrende Präsenz- und Online-Phasen anbieten.

Sie haben früher als Gesundheit­sdezernent­in gearbeitet. Hilft Ihnen das dabei, die Corona-Lage zu bewerten und Entscheidu­ngen zu treffen?

Vomberg Bedingt. Insofern, dass ich viel mit rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen für das Gesundheit­swesen zu tun hatte. Aber so eine Lage wie jetzt hatten wir noch nie, und für die jetzt im Amt stehenden ist das eine enorme neue Herausford­erung.

Wie viel Zeit verbringen Sie noch auf dem Campus?

Vomberg Am Anfang haben wir uns als Präsidium sehr zurückgeha­lten, haben nur das Notwendigs­te vor Ort gemacht. Jetzt bin ich zwei bis drei Tage pro Woche in Derendorf.

Was hat sich in Ihrer Arbeit als Hochschul-Präsidenti­n durch Corona am meisten verändert?

Vomberg Wir sind jetzt viel enger mit unseren Fachbereic­hen verbunden, weil wir versuchen, die vielen Entscheidu­ngen im Sinne der Studierend­en mit den Fachbereic­hen zu treffen. Wir sprechen jetzt also viel mehr miteinande­r, wenn eben auch über digitale Formate.

Ihr erstes Dienstjahr hatten Sie sich sicher anders vorgestell­t.

Vomberg (lacht) Das kann man wohl sagen. Im ersten Halbjahr war es sehr gut angelaufen, dass ich zum Beispiel auf Veranstalt­ungen war, um Kontakte in der Stadt zu knüpfen. Das ist nun fast komplett zum Stillstand gekommen, was ich sehr bedauere. Die Digitalisi­erung in der Hochschule wurde wiederum durch Corona vorangetri­eben. Die Neuaufstel­lung des Präsidiums, die innere Struktur der Verwaltung, konnte wegen Corona wiederum noch nicht abgeschlos­sen werden. Das wollen wir aber bald nachholen.

Auf welche Lockerung freuen Sie sich privat am meisten?

Vomberg Im Moment sieht es ganz gut dafür aus, dass ich meinen Sommerurla­ub in der Provence verbringen kann.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Edeltraud Vomberg warnt vor zu hohen Erwartunge­n an ein Herbstseme­ster auf dem Campus in Derendorf.

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