Unvernunft
Zu „Hohe Schulden für den Neustart“(RP vom 4. Juni): Die Mehrwertsteuersenkung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht das falsche Signal, denke ich. Es gibt keine neue Abwrackprämie, die die Autoindustrie bevorzugt hätte und deren ökologischer Nutzen äußerst fraglich gewesen wäre. Echt überrascht bin ich, dass die Koalition den „Schreiorgien“aus Wolfsburg, München und Stuttgart widersteht. Aber irgendjemand Intelligentes ist auf die Idee gekommen, beizeiten die Ohren dagegen zu verschließen. Wer die finanziellen Möglichkeiten zu kleineren Anschaffungen oder große Sponsoren hat, wird jetzt dazu angestachelt. Ganz egal ob es eine neue Küche, ein neues Auto oder ein neues Fahrrad ist. Ich denke, dass diese Mehrwertsteuersenkung zu einem großen Teil an die Kundinnen und Kunden weitergegeben wird – vertrauen wir mal! Ich meine, wer das nicht macht, wird so auf seinen Produkten sitzen bleiben.
Im Beitrag „Konjukturpaket mit offenem Ende“(RP vom 3. Juni) bin ich einmal mehr über das Credo „Wachstum und Innovation ...“der CDU gestolpert. Während man die Innovationsambitionen nachdrücklich unterstreichen kann, ist das „Wachstum“als Zielsetzung mit Nachhaltigkeit doch geradezu absurd. Es bedarf doch keines IQ von 145, um zu erkennen, dass Wachstum per se auf Dauer nicht funktionieren kann, vielmehr schlimmstenfalls in einem Kollaps endet, bis dahin aber alle Chancen verspielt sind, den nachfolgenden Generationen eine tragfähige Grundlage zu hinterlassen. Das zumindest könnten wir aus dem warnenden Fingerzeig der Corona-Pandemie gelernt haben. In anderen Worten: Braucht die Lufthansa 770 Flugzeuge, muss der Autofahrer alle sechs Jahre (statistisch) ein neues Fahrzeug haben etc.? Entsprechend sollten Politik und Wirtschaft jede Wachstumsambition vergessen, sondern vielmehr Vorgaben machen und Voraussetzungen schaffen, um bei Wachstum Null unseren Wohlstand zu sichern.
Zu „Streit um Start an den Grundschulen“(RP vom 6. Juni): Mit Verärgerung und Verwunderung über die Einsichten der Landesregierung in komplexe Pandemiezusammenhänge habe ich die Ankündigung vernommen, ab dem 15. Juni wieder zum regulären Schulbetrieb in den Grundschulen des Landes zurückzukehren. Diese Entscheidung ist an Planlosigkeit und Unvernunft kaum zu überbieten. Wurden doch in den vergangenen Wochen in tage, nächte- und wochenendlangen Sitzungen konkrete Pläne zur Umsetzung der teilweisen (durch konkrete Vorgaben äußerst komplexen) Öffnung unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln seitens der Schulleitungen und Lehrerschaft entwickelt, wird dies nun zwei Wochen vor den Sommerferien alles über den Haufen geworfen und war nach den zweifelhaften neuen Erkenntnissen der Regierenden überflüssig. Hier wird in NRW (und nur hier!) ein Experiment gestartet mit Familien und Lehrern als Versuchskaninchen, mit dem Risiko, die für alle doch dringend notwendigen Ferien mit einer Quarantäne zu beginnen, welche die zart wachsende Hoffnung auf Urlaub im Ansatz wieder zerstören könnte. Und es wird bewusst in Kauf genommen, dass neue Hotspots gebildet werden, die zu erneuten Schließungen und schlimmen Verläufen führen können. Fazit: Die Errungenschaften der letzten Monate in der Bekämpfung der Pandemie werden populistischen Zwecken geopfert. Und wie machen wir weiter, wenn dies schief geht? Wer hat sich Gedanken über eventuelle Betreuungsmöglichkeiten in den Schulferien gemacht, welche viele Eltern vor weitere Herausforderungen stellt? Wie sieht der Unterricht nach den
Sommerferien aus?