Mädchen waren im Lockdown fleißiger
Eine Studie hat die veränderten Tagesabläufe von Schülerinnen und Schülern während der Corona-Pandemie untersucht. Der Aufwand fürs Lernen reduzierte sich demnach im Distanzunterricht auf weniger als die Hälfte.
MÜNCHEN Corona hat bei Deutschlands Schülern zu mehr Daddeln und deutlich weniger Lernen geführt. Was in den nie zuvor erlebten Familien- und Schulbedingungen im Shutdown viele fühlten, hat die Wissenschaft nun in einer großen Studie im Kern bestätigt: Die Annahme, dass die Schüler von zu Hause aus ihren Unterrichtsstoff anpacken würden, ging gründlich daneben. Wie das Münchner ifo Institut herausfand, reduzierten die Kinder und Jugendlichen ihre Zeit, die sie für Schule und Lernen verwandten, im Schnitt auf weniger als die Hälfte: von vorher 7,4 auf nur noch 3,6 Stunden täglich.
Die interessanteste Detail-Untersuchung hinter diesen generellen Zahlen stellt den Mädchen ein besseres Zeugnis aus als den Jungs. Während bei beiden Geschlechtern vor Corona das zeitliche Ausmaß der direkten schulischen Aktivitäten gleich gewesen sei, hätten im Lockdown Schülerinnen im täglichen Schnitt eine halbe Stunde mehr dafür aufgewandt als Schüler, berichtete der Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, Ludger Wößmann. Die Jungs widmeten sich derweil mehr den Computer- und Handyspielen. Geschlechter-Unterschiede gab es auch bei den sozialen Netzwerken – diesen widmeten sich die Mädchen mehr.
Die Ergebnisse stehen unter dem Vorbehalt, dass kein Forscher neben den Schülern gestanden und mit der Stoppuhr verfolgt hat, was sie denn gerade so machen. Die Beschäftigungszeiten errechneten die Wissenschaftler allein aus den Angaben der Eltern. Diese sollten zu jedem Freizeitverhalten und zu jeder schulischen Beschäftigung die durchschnittlichen zeitlichen Umfänge pro Tag sowohl innerhalb wie außerhalb der Corona-Zeit nennen.
Substanz haben die Angaben jedoch wegen der großen Anzahl von weit über tausend Eltern, die mitwirkten.
Sie kümmerten sich während der Schulschließungen deutlich intensiver um ihre Kinder – insgesamt 0,9 Stunden täglich bei leistungsschwächeren, 1,2 Stunden bei stärkeren Schülern. Vor Corona hatten sich die einen täglich 0,4, die anderen 0,6 Stunden im Schnitt mit der Unterstützung beschäftigt. Die Lücke in der elterlichen Betreuung zwischen Kindern mit schlechten und jenen mit guten Noten wurde also noch geringfügig größer.
Die Schulangebote waren alles andere als optimal: 57 Prozent der Schüler hatten seltener als einmal pro Woche gemeinsamen Online-Unterricht,
noch schlechter stand es um den individuellen Kontakt zum Lehrer (67 Prozent). Jeder Vierte konnte sich seltener als ein Mal pro Woche oder nie Lernvideos anschauen, bei der Nutzung von Lernsoftware waren es sogar 43 Prozent. Da erscheint es fast erklärlich, dass Fernsehgucken und Computerspielen mehr Zeit im Tagesablauf einnahmen. Das Daddeln nahm im Schnitt von einer auf anderthalb Stunden zu. Kaum ausgeprägt war dagegen das Mehr an Zeit, das die Kinder mit Lesen, kreativem Gestalten und Bewegung verbrachten.
Dass ihre Kinder deutlich weniger gelernt haben, ist den Eltern klar. Zwei Drittel bestätigten, dass dies zutrifft. Sie räumten zu 28 Prozent auch ein, in der Zeit mit den Kindern häufiger gestritten zu haben. Dennoch geben sie ihrer Situation und den Schulen gute Noten. Die Forscher erklären sich das damit, dass die Eltern dieses Mal noch großes Verständnis für die völlig ungewohnten Herausforderungen hatten. Sie stehen mit großer Mehrheit auch hinter den Schulschließungen und unterstützen für die Wiedereröffnung in diesen Tagen eine Maskenpflicht.
Für die Wissenschaftler ergibt sich aus den Daten die Konsequenz, dass der Regelunterricht in der nächsten Krise so lange wie möglich aufrecht erhalten werden müsse. Wenn es dann zu Einschränkungen komme, sollten die Maßnahmen auf Quarantäne für einzelne Klassen oder Gruppen beschränkt werden.