Pan Taus bedenkliche Rückkehr
14 neue Folgen sollen im Herbst in der ARD zu sehen sein. In der Titelrolle ist der britische Comedian Matt Edwards zu erleben. Gedreht wird in Bayern, nicht in Prag. Zudem ist Tom Gerhardt dabei. Das verspricht nichts Gutes.
BAYERN Catweazle war definitiv lustiger. Dieser kauzige, geradewegs aus dem Mittelalter in unsere Zeit gebeamte Magier. Pan Tau aber war doch geheimnisvoller, im besten Sinne merkwürdiger, irgendwie schwer einzuschätzen und unberechenbarer. Unterm Strich: Von beiden „TV-Erziehern“unserer Kindheit war Pan Tau der definitiv bessere Zauberer.
In diesem Herbst soll der mit Bowlerhut, Stresemann-Anzug und Knopfloch-Nelke bestgewandete Gentleman unter allen Magiern ins Fernsehen zurückkehren. Hat die ARD kürzlich versprochen. Doch bei genauerem Hinsehen ist es mehr eine Androhung, denn es geht um eine Neuverfilmung. Der erste Schock: Kein tschechisches Team hat sich dieser heiklen Aufgabe angenommen, vielmehr wurden deutsche und englische Schauspieler für die Episodenrollen angeheuert. Unter anderem wirkt Tom Gerhardt mit. Außerdem wurde überwiegend in Bayern gedreht. Und Pan Tau wird vom englischen Stand-up-Comedian Matt Edwards gemimt. Anlass zur Sorge gibt auch die Verlautbarung, dass man sich bei den 14 neuen Folgen um eine „zeitgemäße Adaption“bemüht habe. Also: Nichts gegen Tom Gerhardt und Matt Edwards und wenig nur gegen Bayern. Aber liebe Leute: Das wird nix!
Nun ist es im Zeitalter der Unvoreingenommenheit zwar nicht statthaft, vorschnell zu urteilen (und das heißt in aller Regel zu verurteilen). Doch machen wir in diesem Fall mal eine Ausnahme, in Erinnerung eigener kindlicher Erlebnisse des Staunens und Fragens. Genau das gab uns der alte Pan Tau mit auf den Weg ins Leben, dieser Kinderbeschützer, der in allen 33 Episoden kein einziges Wort sprach, sondern immer nur so lächelte, als wüsste er einfach alles, und der so erstaunt tat, dass er auch einer von uns zu sein schien. Seine Stärke war das aufmerksame Zuhören, gottlob nicht das Erklären. Denn von den großen Bescheidwissern gibt es im Leben eines Kindes sowieso viel zu viele.
Pan Tau sprach mit den Augen, war vornehm, zurückhaltend, und er zauberte, indem er auf seinen Hut klopfte und mit dem Finger über die Krempe strich. Dann gab es den freundlichen Herrn im Kleinformat, der die Größe einer Ken-Spielpuppe
hatte und sich genauso ungelenk bewegte.
Dieser Pan Tau war auch wegen Otto Šimánek so umwerfend. Der gehörte zum Ensemble des Prager Stadttheaters und lehrte Pantomime am dortigen Konservatorium. Zwölf Jahre nach der letzten Folge von Pan Tau 1978 war er noch einmal zu erleben – im Musikvideo zu Nenas Hit „Du bist überall“. Zwei Jahre später ist Šimánek dann in Prag gestorben. Nur 67 Jahre wurde er alt – unser stiller Kinderbegleiter.
Was wir damals nicht einmal ahnten: Pan Tau ist gar nicht so harmlos, wie die meisten dachten. Als die Serie 1970 startete, lagen die gewaltsame Zerschlagung des Prager Frühlings und die Hoffnung auf ein freies Leben gerade einmal zwei Jahre zurück. Und dann betrat Pan Tau die Bühne, bloß eine Kindergeschichte, auf die niemand offenbar so genau schaute. Der subversive Herr durfte also ungestört sein nachdenkliches Wesen treiben und seine Unangepasstheit in die Köpfe des Nachwuchses bugsieren. In Ost und in West. Unterschiedlich waren bloß die Titel. In der DDR waren die bloß 30 Minuten langen Episoden unter dem Titel „Die Abenteuer des Herrn Tau“zu sehen.
Und warum dieser Abgesang, wo doch die Wiedergeburt bevorsteht? Und hat nicht jede Generation ein Recht auf ihren Pan Tau? Und ist eine neuzeitliche Irritation nicht immer besser und auch entschlossener als nur eine blasse Imitation? Ja doch, das mag ja alles stimmen, doch gibt es auch ein Recht auf Wehmut und Nostalgie.
Doch bevor es unerträglich ungerecht wird, soll an dieser Stelle wenigstens für den unglaublichen Roman von Ota Hofman (1928-1989) geworben werden. Was für ein Buch, das für alle Altersklassen bestens geeignet und noch phantastischer als die Verfilmung ist. Unschlagbar das Vorwort, in dem der Erzähler beschreibt, wie er Pan Tau suchte und schließlich fand, nachdem er um die ganze Welt gereist war. Warum ein solcher Aufwand? „Weil ich die drei Glasmurmeln verlor, die in der Sonne in allen Regenbogenfarben leuchteten“, heißt es geheimnisvoll. Und dann beginnt die tollkühne, zauberhafte Geschichte. Dieses Buch weiß so ziemlich alles – darum auch das: „Manchmal kommt es mir vor, als würde sich Pan Tau langsam wiederholen. Ich meine die Verwandlungen. Etwas in etwas anderes“, heißt es kurz vor Schluss.
Na ja, ein Trost vielleicht. Und ein Hinweis darauf, dass Kindheit nie endet, sondern immer wieder neu beginnt.