So werden wir 2021 mit dem Virus leben
Die Corona-Pandemie wird bis Ende des kommenden Jahres den Alltag und das politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben der Menschen bestimmen. Es gibt aber auch Hoffnung.
DÜSSELDORF Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland die Zahl der Corona-Infektionen die Millionengrenze überschreitet. Am Freitag war es soweit. 1.006.394 Menschen haben sich seit Beginn der Pandemie nachweislich mit dem Erreger Sars-Cov-2 angesteckt. Und bis Weihnachten könnten noch einmal 200.000 bis 700.000 Neuinfektionen dazukommen.
Die Covid-19-Krankheit hat uns fest im Griff. Sie wird noch das gesamte nächste Jahr prägen. Masken, Quarantäne und Reisebeschränkungen werden weiterhin unser Leben bestimmen. Viele Beschäftigte werden im Homeoffice bleiben. Und Videokonferenzen werden viele Geschäftsreisen ersetzen. Erst Ende 2021, so schätzen Experten, wird die tägliche Beschäftigung mit Corona in den Hintergrund treten.
Am stärksten, und das ist die gute Nachricht, dürfte sich künftig der medizinische Fortschritt Bahn brechen. Dauerte es früher zehn bis 20 Jahre, um einen sicheren Impfstoff zu entwickeln, ist das nun innerhalb eines Jahres gelungen. Drei Kandidaten stehen unmittelbar vor der Zulassung. Schon bis Ende Dezember könnten 50 Millionen Impfdosen verteilt werden. Doch bevor es Mitte 2021 zu Massenimpfungen kommt, müssen die Corona-Regeln weiterhin eingehalten werden. „Die ersten Impfungen werden noch keinen allzu großen Effekt auf das Infektionsgeschehen insgesamt haben. Es werden parallel zur Impfquote weitere Maßnahmen notwendig bleiben, um die Fallzahlen nach unten zu bringen“, meint Berit Lange, Leiterin der klinischen Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Hannover.
Dann könnte es jedoch losgehen. Rund 320 Forschungsprojekte laufen, die Verfügbarkeit des Impfstoffes dürfte dann kein allzu großes Problem mehr darstellen. Allerdings ist die Logistik nicht ganz einfach. Der weltgrößte Impfstoffhersteller Serum Institute geht davon aus, dass bis Ende 2024 die gesamte Welt geimpft werden könnte.
Die medizinische Vorsicht wird sich individualisieren. Schnelltests wie der Antigentest werden innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis liefern. Und Handgeräte, die die Krankheit anzeigen, dürften nach Auskunft der Pharmabranche bereits für fünf Euro zu haben sein. 80 solcher Testverfahren werden derzeit entwickelt. Noch ist der Antigentest ungenauer als die PCR-Proben der Labore, weil jeder vierte die Krankheit nicht anzeigt. Aber das dürfte sich ändern. An den Flughäfen wird dann die Temperaturmessung verschwinden und durch Eigentests ersetzt.
Die Ärzte dürften die Behandlung der Covid-Fälle besser in den Griff bekommen. Die Medikamente und die Betreuung auf der Intensivstation werden stetig verbessert. „Der medizinische Fortschritt bei der Behandlung der Covid-Erkrankung ist vorhanden“, hat auch die Epidemiologin Lange festgestellt. „Auch dies führt dazu, dass die Sterberaten zurückgehen.“
Wirtschaftlich prägt das Virus auch das kommende Jahr. Ökonomen schätzen, dass die Corona-Pandemie einen Schaden von acht Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts angerichtet hat. Um vier Prozent geht die Wirtschaftsleistung 2020 weltweit zurück, für Deutschland erwartet der Sachverständigenrat ein Minus von 5,1 Prozent. Für alle Sektoren dürfte es 2021 wieder nach oben gehen, manche wie die digitalen und medizinischen Firmen dürften dabei den größten Schnitt machen. Allein das Hildener Unternehmen Qiagen, das Corona-Schnelltests produziert, erzielte jüngst ein Umsatzplus von 26 Prozent und wird die Belegschaft bis Jahresende um 200 auf 1400 Mitarbeiter erhöhen. Zur gleichen Zeit kündigt der Stahl- und Investitionsgüterhersteller Thyssenkrupp den Abbau von 11.000 Beschäftigten an. Die Banken werden ihr Filialnetz weiter ausdünnen, die Fluglinien unnötige Verbindungen streichen und die Bahn muss längere Züge bereitstellen, will sie trotz
Corona nicht weiter Reisende verlieren. Geopolitisch wird die ökonomische Großmacht China am schnellsten wieder volle Fahrt aufnehmen, während die EU erst wieder 2022 das Produktionsniveau vor der Covid-Krise erreichen wird.
Politisch dürfte die Pandemie weiterhin die Schlagzeilen bestimmen. Der Mainzer Gegenwartshistoriker
Andreas Rödder macht sich bereits Sorgen, dass die Regierenden die Bevölkerung bei der Stange halten können. „Die Politik ist gerade dabei, durch ihr Hin und Her in der Corona-Krise Vertrauen zu verspielen“, warnt der Geschichtsprofessor. Zwar habe bisher das Krisenmanagement gut funktioniert. Aber die Politik müsse den Vertrauensvorschuss, den sie von der Bevölkerung bekommen habe, „mit Transparenz und Berechenbarkeit zurückzahlen“. Auch die Demokratie bleibt herausgefordert. „Das rigide Eingreifen fördert autoritäre Strukturen“, sorgt sich Rödder. „Verhältnismäßigkeit und der Ausnahmecharakter der Maßnahmen müssen immer bewusst bleiben.“
Das Coronavirus wird also medizinisch, politisch und wirtschaftlich weiter unseren Alltag bestimmen. Doch es besteht Hoffnung, dass die Menschheit das Virus in den Griff bekommt. Das käme dann einer zweiten Mondlandung gleich.