Bau-Rekord – aber zu wenig Wohnungen
Der Bund zieht eine positive Bilanz seiner Wohnraumoffensive, kann Kritiker damit aber nicht überzeugen: Ihnen fallen zu viele Sozialwohnungen aus der Preisbindung.
BERLIN Entgegen der teils massiven Kritik von Wohnungsverbänden, Gewerkschaften und Oppositionsparteien hat die Bundesregierung eine überwiegend positive Bilanz ihrer vor gut zwei Jahren gestarteten „Wohnraumoffensive“gezogen. Das Ziel, 1,5 Millionen Wohnungen in dieser Legislaturperiode zu bauen, sei „nicht außer Reichweite“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag. Bauminister Horst Seehofer (CSU) betonte, die Regierung habe „alle zentralen Punkte umgesetzt“. Im vergangenen Jahr seien trotz der Pandemie 300.000 Wohnungen neu gebaut worden. Das sei der höchste Stand seit 20 Jahren. „Schöne Ergebnisse“hätten auch die fünf Milliarden Euro gebracht, die der Bund in dieser Legislaturperiode für den sozialen Wohnungsbau ausgebe. Hier würden 115.000 Wohnungen erreicht und damit so viele wie noch nie.
Anders als die Regierung stellten die Verbände die Lage am Wohnungsmarkt dar: Vor allem bezahlbarer Wohnraum sei weiterhin kaum zu finden, kritisierten der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaften und die Opposition. Das Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen werde um 300.000 verfehlt, hatte der Bundesverband der Wohnungswirtschaft erklärt. Jedes Jahr würden mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung fallen, als neue hinzukommen, beklagten die Kommunen.
Seehofer erklärte, es gebe derzeit Baugenehmigungen für weitere 770.000 Wohneinheiten. Wenn auch nur die Hälfte davon realisiert werde, könne das Ziel von 1,5 Millionen Fertigstellungen erreicht werden. Der CSU-Politiker lobte auch das Baukindergeld, das 310.000 Haushalte beantragt hätten. Ihr Durchschnittseinkommen habe bei 45.000 Euro gelegen. Die Regierung habe sich leiten lassen von dem Grundsatz, „dass die kleinen Leute nicht unter die Räder kommen“. Er nannte auch das bereits zweimal in der Legislaturperiode erhöhte Wohngeld, das nun außerdem automatisch an gestiegene Wohnkosten angepasst werde. Auch das soziale Mietrecht werde fortentwickelt.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte, in dieser Legislaturperdiode habe der Bund Sozialwohnungen mit fünf Milliarden Euro gefördert. Dieses Engagement müsse fortgesetzt werden, jedes Jahr müssten eine Milliarde Euro in den Sozialwohnungsbau fließen. Der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, Ralph Spiegler, hielt diese Summe für deutlich zu gering.
Auch nach Daten der staatlichen Förderbank KfW könnte der Wohnungsbau im laufenden Jahr erstmals seit 20 Jahren wieder die Marke von 300.000 neuen Einheiten knacken. Das reicht allerdings nicht, um den Bedarf zu decken. Die KfW
Baugenehmigungen/Fertigstellungen
Wohnungen in 1000
Baugenehmigungen
Baufertigstellungen
Prognose schätzt ihn auf 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr. Ein Hemmnis bleibe neben dem Mangel an Bauland in Ballungsregionen auch der Fachkräftemangel. Eine Entspannung könnte aus Sicht der KfW erreicht werden, indem weniger dicht besiedelte Regionen wirtschaftlich belebt, attraktiver gemacht und besser angebunden werden.
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warf der Union vor, das von der Koalition geplante Gesetz zur Ausweisung von mehr Bauland zu blockieren. „Obwohl bereits ein Kabinettsbeschluss vorliegt, versucht die CDU/CSU-Fraktion, die Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Baulandmobilisierung mit allen Mitteln zu verhindern“, sagte er. Die SPD poche darauf, dass Städte und Gemeinden künftig leichter ein Baugebot für angespannte Wohnungsmärkte erlassen können, sagte Walter-Borjans. „Damit können sie zum Beispiel Eigentümerinnen und Eigentümer, die ein Grundstück aus Spekulationsgründen brachliegen lassen, zum Bau von Wohnungen anhalten.“Außerdem solle die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in angespannten Wohnungsmärkten erschwert werden.