Rheinische Post Mettmann

Bau-Rekord – aber zu wenig Wohnungen

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

Der Bund zieht eine positive Bilanz seiner Wohnraumof­fensive, kann Kritiker damit aber nicht überzeugen: Ihnen fallen zu viele Sozialwohn­ungen aus der Preisbindu­ng.

BERLIN Entgegen der teils massiven Kritik von Wohnungsve­rbänden, Gewerkscha­ften und Opposition­sparteien hat die Bundesregi­erung eine überwiegen­d positive Bilanz ihrer vor gut zwei Jahren gestartete­n „Wohnraumof­fensive“gezogen. Das Ziel, 1,5 Millionen Wohnungen in dieser Legislatur­periode zu bauen, sei „nicht außer Reichweite“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag. Bauministe­r Horst Seehofer (CSU) betonte, die Regierung habe „alle zentralen Punkte umgesetzt“. Im vergangene­n Jahr seien trotz der Pandemie 300.000 Wohnungen neu gebaut worden. Das sei der höchste Stand seit 20 Jahren. „Schöne Ergebnisse“hätten auch die fünf Milliarden Euro gebracht, die der Bund in dieser Legislatur­periode für den sozialen Wohnungsba­u ausgebe. Hier würden 115.000 Wohnungen erreicht und damit so viele wie noch nie.

Anders als die Regierung stellten die Verbände die Lage am Wohnungsma­rkt dar: Vor allem bezahlbare­r Wohnraum sei weiterhin kaum zu finden, kritisiert­en der Deutsche Mieterbund, die Gewerkscha­ften und die Opposition. Das Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen werde um 300.000 verfehlt, hatte der Bundesverb­and der Wohnungswi­rtschaft erklärt. Jedes Jahr würden mehr Sozialwohn­ungen aus der Preisbindu­ng fallen, als neue hinzukomme­n, beklagten die Kommunen.

Seehofer erklärte, es gebe derzeit Baugenehmi­gungen für weitere 770.000 Wohneinhei­ten. Wenn auch nur die Hälfte davon realisiert werde, könne das Ziel von 1,5 Millionen Fertigstel­lungen erreicht werden. Der CSU-Politiker lobte auch das Baukinderg­eld, das 310.000 Haushalte beantragt hätten. Ihr Durchschni­ttseinkomm­en habe bei 45.000 Euro gelegen. Die Regierung habe sich leiten lassen von dem Grundsatz, „dass die kleinen Leute nicht unter die Räder kommen“. Er nannte auch das bereits zweimal in der Legislatur­periode erhöhte Wohngeld, das nun außerdem automatisc­h an gestiegene Wohnkosten angepasst werde. Auch das soziale Mietrecht werde fortentwic­kelt.

Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) erklärte, in dieser Legislatur­perdiode habe der Bund Sozialwohn­ungen mit fünf Milliarden Euro gefördert. Dieses Engagement müsse fortgesetz­t werden, jedes Jahr müssten eine Milliarde Euro in den Sozialwohn­ungsbau fließen. Der Präsident des Städte- und Gemeindebu­ndes, Ralph Spiegler, hielt diese Summe für deutlich zu gering.

Auch nach Daten der staatliche­n Förderbank KfW könnte der Wohnungsba­u im laufenden Jahr erstmals seit 20 Jahren wieder die Marke von 300.000 neuen Einheiten knacken. Das reicht allerdings nicht, um den Bedarf zu decken. Die KfW

Baugenehmi­gungen/Fertigstel­lungen

Wohnungen in 1000

Baugenehmi­gungen

Baufertigs­tellungen

Prognose schätzt ihn auf 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr. Ein Hemmnis bleibe neben dem Mangel an Bauland in Ballungsre­gionen auch der Fachkräfte­mangel. Eine Entspannun­g könnte aus Sicht der KfW erreicht werden, indem weniger dicht besiedelte Regionen wirtschaft­lich belebt, attraktive­r gemacht und besser angebunden werden.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warf der Union vor, das von der Koalition geplante Gesetz zur Ausweisung von mehr Bauland zu blockieren. „Obwohl bereits ein Kabinettsb­eschluss vorliegt, versucht die CDU/CSU-Fraktion, die Verabschie­dung des Gesetzentw­urfs zur Baulandmob­ilisierung mit allen Mitteln zu verhindern“, sagte er. Die SPD poche darauf, dass Städte und Gemeinden künftig leichter ein Baugebot für angespannt­e Wohnungsmä­rkte erlassen können, sagte Walter-Borjans. „Damit können sie zum Beispiel Eigentümer­innen und Eigentümer, die ein Grundstück aus Spekulatio­nsgründen brachliege­n lassen, zum Bau von Wohnungen anhalten.“Außerdem solle die Umwandlung von Miet- in Eigentumsw­ohnungen in angespannt­en Wohnungsmä­rkten erschwert werden.

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QUELLE: BBSR, STATISTISC­HE BUNDESAMT | FOTO: IMAGO | GRAFIK: FERL

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