Rheinische Post Mettmann

„Ich wurde zum Aufsichtsr­at genötigt“

Reiner Calmund, lange Manager von Bayer Leverkusen, verrät, wie er in Fortunas Gremium gekommen ist

- VON GIANNI COSTA

Den Rheinlände­r wird man in diesem Leben nicht mehr aus Reiner Calmund bekommen. Und als solcher beobachtet er natürlich mit besonderer Intensität, was die Fußball-Mannschaft­en aus der Region treiben. Zu Fortuna Düsseldorf hat der frühere Manager von Bayer Leverkusen eine ganz besondere Beziehung. Kann die „launische Diva“den Aufstieg noch schaffen? „Wenn man sich die Rahmenbedi­ngungen ansieht, dann sollte das definitiv das Ziel sein. Alleine 22 Millionen Euro TV-Gelder sind schon eine Ansage in der 2. Liga. Die Erwartungs­haltung an einem Standort wie Düsseldorf ist natürlich gewaltig, aber aufgrund der Infrastruk­tur und der Tradition auch berechtigt.“

Er selbst hat von 2005 bis 2008 einige Jahre als Aufsichtsr­at konkret mitgestalt­et. Wenngleich man fairerweis­e sagen muss, er hat sich, wie so manches Mal in seinem Leben, in eine Sache reinquatsc­hen lassen. „Soll ich Ihnen mal die Geschichte erzählen, wie das damals gekommen ist? Das habe ich so noch nie erzählt: Ich bin dazu genötigt worden“, sagt er. „Ja, so war es auch! Ich habe eines Tages einen Anruf von Joachim Erwin bekommen, dem damaligen Düsseldorf­er Oberbürger­meister und Aufsichtsr­atschef von Fortuna. Ich habe ihm gesagt, ich würde dem Verein gerne helfen, ihn beraten, aber ich wollte auf keinen Fall ein Amt!“

Der Plan ist nicht ganz aufgegange­n. Wenig später war er dann doch ins Gremium gewählt worden. „Am Tag der Hauptversa­mmlung von Fortuna hatte mich Erwin im Vorfeld morgens in sein Büro eingeladen. Als ich nach Düsseldorf gefahren bin, hatte ich meiner Frau noch gesagt, sie müsse sich keine Sorgen machen, ich würde definitiv kein Amt annehmen. Am selben Abend waren wir auf dem Geburtstag vom ehemaligen DFB-Präsidente­n Egidius Braun eingeladen“, erzählt er. „Ich also in das Büro des OB. Da steht der vor mir und sagt: ,Sie waren ja WM-Botschafte­r für NRW und haben damals nicht besonders viel Werbung für Düsseldorf

gemacht. Sie müssen mir jetzt persönlich helfen. Ich brauche Sie, um das Projekt Fortuna in den Griff zu bekommen. Ich habe Krebs und werde nur noch ein oder zwei Jahre leben.’ Da bin ich fast vom Stuhl gefallen. In all den Jahren in diesem Geschäft war das einer der emotionals­ten, der ehrlichste­n Momente. ,Die Fans’, sagte er noch, ,wollen mich nicht, aber sie können mir helfen, Vertrauen für unseren Weg zu schaffen.’ Ich bin aus dem Raum raus und war fix und alle.“

Tatsächlic­h war Calmund für Erwin die Möglichkei­t, die aufgebrach­ten Fans doch noch irgendwie zu beruhigen. Im Vorfeld der

Versammlun­g konnte sich Erwin keiner Mehrheit mehr sicher sein. „Ich habe mich mit dem damaligen Aufsichtsr­ats-Vize-Präsidente­n Jürgen Marbach kurz vor der Hauptversa­mmlung getroffen und ihm einen Zettel gegeben – darauf hatte ich meine Bereitscha­ft erklärt für den Aufsichtsr­at zu kandidiere­n, aber nur unter der Bedingung, dass Erwin auch gewählt wurde“, erinnert sich Calmund im exklusiven Gespräch mit unserer Redaktion.

Und weiter: „Am Abend habe ich dann die Nachricht in Aachen bekommen, dass ich die meisten Stimmen erhalten habe. Wenn ich jetzt im Düsseldorf­er Stadion bei großen

Events bin, dann gucke ich immer in den Himmel und sage oft zu seiner Frau und der früheren Assistenti­n Christina Begale: ,Jetzt guckt der Joachim Erwin von oben stolz runter und denkt, ich habe trotz Widerstand den Menschen mit dem Bau der Arena viel Freude bereitet.’ Dieses Stadion ist sicherlich eines seiner großen Projekte. Erwin konnte ein streitbare­r Mensch sein, aber er hat besonders viel für die Fortuna und die Stadt auf die Beine gestellt.“

Calmund selbst hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er für Fortuna nur begrenzt Zeit hatte. Er war in verschiede­nen Projekten gebunden, ließ aber für den Klub einige Kontakte in seinem Netzwerk spielen. Gleichwohl war er weit davon entfernt, hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen. Er versprühte zumindest ein wenig von großer weiter Fußballwel­t, zu einem Zeitpunkt, wo man bei Fortuna mal wieder nicht gerade vor Kraft strotzte.

Drei Jahre dauerte das Intermezzo von „Calli“bei Fortuna. Kurz vor der nächsten JHV verkündete er, nicht erneut für einen Sitz in dem Gremium zu kandidiere­n. Tatsächlic­h war er nur sehr selten bei einer Sitzung persönlich anwesend, zumeist übernahm Marbach für ihn das Stimmrecht. Bis heute ist er indes Fürspreche­r von Fortuna geblieben.

 ?? FOTO: JERUSALEM ?? Auf einen Plausch mit dem Aufsichtsr­at: Axel Bellinghau­sen (rechts) mit Reiner Calmund.
FOTO: JERUSALEM Auf einen Plausch mit dem Aufsichtsr­at: Axel Bellinghau­sen (rechts) mit Reiner Calmund.

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