Der Umgang mit Geld will gelernt sein
Was tun, wenn man sich dank des ersten Jobs auf einmal mehr leisten kann? Der Wirtschaftspsychologe Guido Kiell gibt Tipps.
Wer studiert oder eine Ausbildung gemacht hat, lebte in der Regel auf Sparflamme. Es war eine Zeit, die zwar schön und erinnerungsträchtig, aber auch von Anstrengung und Entbehrungen begleitet war – letztere meist in finanzieller Hinsicht. Jungen Menschen, die zum ersten Mal einen „richtigen“Job antreten und zum ersten Mal – relativ gesehen – viel Geld verdienen, fällt es oft schwer, mit diesem Geld umzugehen. Obwohl man mit dem Wenigen vorher ganz gut auskam, klappt das auf einmal nicht mehr so gut. Woran liegt das?
„Immer nur Kaufen nach reiner Vernunft halte ich auch nicht für empfehlenswert“
Guido Kiell
Rheinische Fachhochschule Köln
„Wer ein Studium oder eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, will sich meist für die Anstrengung belohnen, dafür, dass er oder sie etwas geschafft hat“, sagt Guido Kiell, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Rheinischen Fachhochschule Köln. „Geld für sich genommen belohnt dabei aber gar nicht.“Es sei eher eine abstrakte Größe, ein Transaktionsmittel, mit dem etwas gekauft werden kann. Das Geld selbst stifte keine Freude. „Freude stiftet der Mensch durch Konsum, also indem er das verdiente Geld ausgibt“, erklärt Kiell.
Dabei müsse man jedoch zwischen zwei verschiedenen Ebenen unterscheiden: der rationalen und der irrationalen Ebene. Erstere bezeichne unumgängliche Ausgaben, wie höhere Mietkosten nach dem Auszug aus der Studentenbude oder größere Anschaffungen, die benötigt werden, etwa Sofa oder Kühlschrank.
„Bei der irrationalen Ebene spielt der Belohnungsfaktor wieder eine große Rolle“, sagt Kiell. „Berufsanfänger können sich auch auf einmal teurere Dinge leisten, ohne eine größere Sparanstrengung unternehmen zu müssen. Das verleitet automatisch dazu, mehr Geld auszugeben.“Einzelne größere Ausgaben seien auch meist nicht ausschlaggebend. Sobald es zu viele teure
Anschaffungen würden, müsse man aufpassen.
Aber warum sind es gerade junge Menschen, denen es schwerfällt, sich zu bremsen? „Die Psychologie unterscheidet zwei ‚Systeme‘ des Denkens“, erklärt Guido Kiell. „Das System-2-Denken ist eher langsam, gründlich und überlegt. Das System 1 arbeitet schnell, automatisch und eher unbewusst – wenn man Fahrrad fährt, denkt man nicht darüber nach, wie man das Gleichgewicht halten muss.“Oft sei das System-1-Denken aber auch getrieben von Emotionen wie Wut, Angst oder Freude. Auch die Vorstellung positiver Emotionen, etwa großer Freude, könne dazu führen, dass gründliches Nachdenken vernachlässigt wird. Hier kommt der Konsum ins Spiel: Denkt man zu sehr an die Freude, die ein gekauftes Produkt verursachen könnte, werden Gedanken an mögliche Nachteile des Kaufs unterdrückt. „Man denkt nicht an das leere Portemonnaie“, sagt Kiell. Für jüngere Menschen sei es oft noch wichtiger, die Freuden des Lebens auszukosten und zu genießen, als für ältere.
Das sei auch vollkommen n Ordnung, sagt Guido Kiell, solange es nicht den Rahmen sprenge. Schlecht sei natürlich, wenn so viel Geld ausgegeben wird, dass am Ende des Monats nichts mehr übrig bleibt. „Ein Problem, das hinzukommt, ist in dieser Hinsicht aber auch, dass es uns immer leichter gemacht wird, Geld auszugeben“, ergänzt Kiell. „Wenn wir beispielsweise Online-Shopping betreiben, sehen wir nicht direkt, wie der
Haufen Geld kleiner wird.“Bei vielen Plattformen im Internet sei der Bezahlvorgang unglaublich einfach geworden. Der Prozess gestalte sich sehr leicht, es gebe keinen
Widerstand. „Den eigentlichen Widerstand, der da sein müsste, den erleben wir nicht, weil wir nicht direkt sehen, wie das Geld von unserem Konto abgebucht wird – der sogenannte Strafreiz bleibt aus“, sagt Guido Kiell.
Er rät Erstverdienern, die dazu neigen, ihr Konto zu überziehen, zum Bezahlen mit Bargeld. „Für diejenigen, die ständig im Dispo sind, wäre das klug“, sagt Kiell. So erhielten sie ein eindeutiges Feedback des Portemonnaies über den ständig kleiner werdenden Haufen Geld. Auch wenn das bargeldlose Zahlen oder die Zahlung per Handy-App auf dem Vormarsch seien: „Die Möglichkeiten sollte man definitiv meiden“, warnt der Experte. Online funktioniert Barzahlung aber nicht. Was dann? „Auch wenn auf Plattformen das Barzahlen nicht möglich ist, geht aber oft noch der Kauf auf Rechnung. Auch wenn das umständlich und altmodisch erscheint, es erhöht das Bewusstsein dafür, dass wir gerade wieder Geld ausgegeben haben“, sagt Guido Kiell.
Für den Anfang sei ein Haushaltsbuch über Einnahmen und Ausgaben auch keine schlechte Idee. „Es hilft, wenn man regelmäßig in der Woche gedanklich durchgeht, was man alles wofür ausgegeben hat“, sagt der Wirtschaftspsychologe. Dafür sollte man sich zunächst bewusst machen, was nach Abzug der festen monatlichen Kosten, wie beispielsweise der Miete und eines bestimmten Budgets für Lebensmittel und Kleidung, überhaupt auf dem Konto übrigbleibt. Diesen Betrag gebe man aber am besten nicht nur für den Konsum aus. „Als junger Mensch sollte man die Entscheidung treffen, einen Teil des Geldes zurückzulegen, für größere Anschaffungen und auch für die Altersvorsorge“, rät Guido Kiell.
Mit seinem Geld vernünftig zu haushalten, mag zu Beginn also nicht ganz einfach sein, es ist definitiv Übungssache. Mit dem Gehalt vernünftig auszukommen, kann man also lernen – auch wenn es mühsam ist. „Das soll jetzt aber kein Aufruf zu einem allgemein asketischen Verhalten sein“, betont Kiell. Wer sich etwas gönnen möchte oder spontan etwas kaufe, kann das tun, dann könne die Freude nach dem Kauf unglaublich befriedigend sein. „Ohne solche Glücksmomente wäre das Leben sicher deutlich langweiliger. Immer nur Kaufen nach reiner Vernunft halte ich deshalb auch nicht für empfehlenswert“, so der Wirtschaftsprofessor.