„Vielleicht jährlich eine Corona-Impfung“
Die Chefs von Gesundheitsamt und Feuerwehr sprechen über das erste Jahr mit der Pandemie in Düsseldorf.
KLAUS GÖBELS UND DAVID VON DER LIETH
DÜSSELDORF Die Amtsleiter Klaus Göbels (50, Gesundheitsamt) und David von der Lieth (40, Feuerwehr) organisieren mit ihren Teams in Düsseldorf den Kampf gegen Corona. Homeoffice haben beide keinen Tag gemacht, seitdem genau vor einem Jahr der erste Corona-Patient von der Uni-Klinik aufgenommen wurde. Die beiden Männer arbeiten auf Zuruf zusammen – was bis zum Wunsch gehen kann, doch aus dem Urlaub früher zurückzukommen, wie es im Herbst, als Göbels die Woche in Holland halbierte, geschehen ist.
Am Wochenende war das Rheinufer bei schönem Wetter überfüllt. Was haben Sie bei den Bildern gedacht?
DAVID VON DER LIETH Es wiederholt sich alles. Es sind Bilder wie aus dem letzten Sommer. Es wiederholen sich bei der Pandemie auch die Fragen: Wir haben vor einem Jahr diskutiert, wie wir PCR-Tests großflächig in die Bevölkerung bekommen, jetzt soll dies mit Schnelltests geschehen. Erst ging es um Masken allgemein, jetzt um die FFP2-Masken. KLAUS GÖBELS Es war das erste schöne Wochenende des Jahres, da kann ich das Bedürfnis nachvollziehen, rausgehen zu wollen. Es geht jetzt darum, dass die Menschen bei der Stange bleiben. Man merkt, dass viele mürbe geworden sind, die Menschen wollen jetzt, dass es besser geht. Und die Möglichkeit haben wir ja dank der Impfung.
Sind die Menschen unvernünftig?
In dieser Krise sind die Informationen sehr vielfältig und ändern sich immer wieder. Heute sagen wir, dass man überall dort, wo sich viele Menschen aufhalten, eine Maske tragen sollte. Lange hieß es aber, draußen sei das egal, es könne nichts passieren, und wenn die Sonne scheine, sei es noch egaler. Wir hatten im Sommer auch viele Menschen am Rheinufer, sind aber durch den Sommer geglitten mit niedrigen Infektionszahlen.
Bei der Impfung dauert es aber zu lang, oder?
GÖBELS Die Impfstoffe sind absolute Errungenschaften innerhalb weniger Monate. Bei der Malaria arbeitet man seit 50 Jahren an einem Impfstoff – ohne Erfolg. Beim Dengue-Fieber musste man den Impfstoff wieder vom Markt nehmen, an dem man 40 Jahre geforscht hatte. Ich bin aber auch etwas verwundert, dass man die Impfung jetzt nicht mit maximaler Energie ausrollt. Am 15. Dezember war das Impfzentrum einsatzbereit, bis zur ersten Impfung am 27. Dezember ist nicht viel passiert, da der Impfstoff fehlte. Die Verzögerungen sehe ich wegen der Mutationen kritisch.
Blicken wir zurück: Anfang 2020 rückte die Pandemie näher. Wann war Ihnen klar, dass es ernst wird?
Schon im Dezember haben wir über diese komische Sache in China gesprochen, und zwar mit Blick auf den Flughafen. Im Januar sind wir die Bestände in unserem Pandemie-Lager durchgegangen und haben großvolumig bestellt. GÖBELS Ich hatte die Sorge, meine Hinweise könnten zu stark gewesen sein und dann geht der Schuss nach hinten los. Es ging ja auch um viel Geld.
Die Preise gingen schon extrem hoch, aber die Dinge waren noch verfügbar. Wir haben allein den Bestand an Infektionsschutzanzügen von 30.000 auf 70.000 aufgestockt.
Haben Sie an dieses Ausmaß der Pandemie gedacht?
GÖBELS Nein, nie.
VON DER LIETH Ich weiß noch, wie wir die ersten Szenarien aufgestellt haben. Bild 1: Wir transportieren einen Infizierten von außerhalb in die Uniklinik. Bild 2: Ein Bürger in Düsseldorf ist infiziert. Bild 3: Ein Mitglied der Feuerwehr ist infiziert. Wir haben dann am 25. Februar den ersten Patienten aus dem Kreis Heinsberg in die Uniklinik gebracht, kurz darauf hatten wir den ersten infizierten Kollegen, der dort lebt.
Wie viele Feuerwehrleute haben sich denn bislang infiziert, wie viele sind geimpft?
Die Freiwilligen Feuerwehren mitgerechnet, hatten wir unter 1500 Einsatzkräften bislang 40 Positivfälle, was sehr wenig ist, aber 550 Quarantäne-Fälle. Wir hatten zu Beginn der Krise 100 Mitarbeiter
gleichzeitig in Quarantäne, weil sie aus Hochrisikogebieten kamen. Heute wissen wir viel mehr und arbeiten fast normal. Innerhalb des Düsseldorfer Rettungsdienstes sind bisher 500 Einsatzkräfte zumindest mit der Erstimpfung, teilweise auch schon mit einer zweiten Dosis ausgestattet.
Zu Beginn gab es große Ängste bei niedergelassenen Ärzten, wurde deswegen das Testzentrum eingerichtet?
GÖBELS Die Uniklinik lief mit vergleichsweise banalen Fällen voll. Wir haben dann erst an der Kölnerund dann an der Witzelstraße Tests durchgeführt, bevor es zur Mitsubishi-Electric-Halle ging.
Im Interview, das wir mit Ihnen im März 2020 geführt haben, kündigten wir stolz eine Erhöhung auf 200 Tests am Tag an. Heute sind 2000 Tests möglich. GÖBELS Es ist wichtig, dass wir nach der Pandemie Bilanz ziehen und alles bewerten, das Positive wie das Negative, um daraus zu lernen. Wir müssen uns beim gesundheitlichen Bevölkerungsschutz besser aufstellen, so ein Problem kann schnell wiederkommen oder in 30 Jahren, das weiß keiner.
Wie belastet waren die Kliniken? Mussten einmal innerhalb von zwölf Stunden zusätzliche Intensivbetten bereitgestellt werden?
Zwei oder drei Mal haben wir das angefordert, die höhere Reserve war abgesprochen. Wir wollten keine Bilder wie aus Portugal oder England, wo die Krankenwagen in einer Schlange vor der Notaufnahme stehen. Unsere Düsseldorfer Krankenhäuser, die Ärzte und das Pflegepersonal machen einen riesigen Job!
Wie entwickelt sich die Verbreitung der Virus-Mutationen in Düsseldorf?
GÖBELS Wir haben einem Anteil von ca. 50 Prozent. Die britische Variante wird sich durchsetzen, weil sie viel ansteckender ist. Deswegen haben wir die Quarantäneregeln verschärft, um das Erreichte nicht zu gefährden. Es könnte sein, dass deswegen ganze Klassen oder Kitagruppen in Quarantäne geschickt werden müssen, damit es keine größeren Ausbrüche gibt.
Kommt die Schulöffnung zu früh?
GÖBELS Ich finde sie total wichtig, neben der Infektionsepidemiologie müssen wir auch die sozialen und psychologischen Folgen der Pandemie berücksichtigen.
Die Zunahme der Infektionen und Todesfälle in Altenheimen hat zum Jahresanfang schockiert. Wie konnte es dazu kommen?
GÖBELS Das Schutzniveau ist nie 100 Prozent. Es gab Fälle, wo Mitarbeiter krank zur Arbeit gekommen sind, teils von Fremdfirmen. Es gibt in den Systemen Schlupflöcher für Viren, und es geht um vulnerable Gruppen, die anfälliger für schwere Verläufe sind.
Reicht der Schutz für die alten Menschen nicht aus?
Es wird jetzt viel über mehr Tests gesprochen. Ich denke, die Prävention ist ebenso wichtig, vor allem das Tragen von FFP2-Masken beim Kontakt mit anderen Menschen. Beides gilt auch für die anstehenden Lockerungsdiskussionen.
Es war ein wichtiger Sensibilisierungspunkt, FFP2-Masken an alle Düsselpass-Inhaber zu schicken. GÖBELS Ganz wichtig ist die Impfung.
Seit einem Jahr arbeiten Sie eng zusammen. Herr von der Lieth, was macht Herr Göbels anders als Sie?
Ich denke, wir ergänzen uns sehr gut. Herr Göbels ist in manchen Dingen geduldiger und entspannter als ich.
GÖBELS Der Feuerwehrchef ist viel strukturierter als ich, das liegt wohl an seinem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik, wo ich schon beim Mathe-Schein scheitern würde. Gut ist, dass wir einen kurzen Draht haben, die Dinge offen diskutieren und auch mal abends kurz am Telefon besprechen.
Was glauben Sie: Wann ist die Pandemie besiegt oder so weit im Griff, dass sich das Leben normalisiert?
GÖBELS Ich denke, Coronaviren bleiben ein Begleiter, obgleich jeder Ausbruch irgendwann endet. Vielleicht wird es in der Zukunft zwei Impfungen geben: eine für die Grippe, eine für Corona.
Es hat sich viel verändert, auch gesellschaftlich. Vor einem Jahr war es komisch, jemandem nicht die Hand zu geben, heute ist es umgekehrt. Wenn wir das Impfzentrum abschließen und wir ganz normal mit den Fragestellungen umgehen können, dürften wir es geschafft haben. Das Ende ist da, wenn uns Corona nicht mehr dominiert und Inzidenzwerte keine Alltagsnachricht mehr sind.