„Die Ruhe darf nicht lähmend werden“
Mitten in der Altstadt lebt Pater Elias im Kloster der Dominikaner. Auch im Alltag der Mönche hat sich durch die Corona-Pandemie vieles verändert – und es ist ruhiger geworden. Das versucht er, ganz bewusst zu nutzen.
ALTSTADT Normalerweise ist das Dominikanerkloster ein Ruhepol inmitten der tosenden Altstadt, jetzt wirkt der Platz vor der Andreaskirche wie ausgestorben. Nur wenige Menschen kommen derzeit hierher. Obwohl Ruhe und der Blick nach innen in ihrem Leben traditionell eine große Rolle spielen, ist das auch für die Mönche eine ungewohnte Situation. Einer von ihnen ist Pater Elias, Prior des Klosters und Rektor der Andreaskirche. Kurz vor dem Mittagsgottesdienst hat er sich Zeit für ein Gespräch genommen – und für ein paar Tipps zum Umgang mit der Stille und Reizarmut der Corona-Zeit, die viele Menschen als große Belastung wahrnehmen.
Im Kloster hat der 43-Jährige wie alle anderen ein Einzelzimmer, beginnt und beschließt jeden Tag alleine. Einsam fühlt er sich damit aber nicht, sagt er, vielmehr habe er gelernt, diese ruhigen Momente zu schätzen. Das komme ihm jetzt im Lockdown und überhaupt in der Corona-Zeit zugute. „Ich setze mich dann hin und probiere, Körper und Atem ganz bewusst zu spüren.“Viele empfänden die Pandemie als gesellschaftlichen und persönlichen Stillstand, kreisten immer wieder um dieselben Gedanken. Er versuche, in diesen Minuten Probleme und Sorgen ganz weit weg zu schieben, die Gedanken einfach einmal loszulassen. „Die Ruhe darf nicht lähmend werden.“
Ihm hilft dabei auch, dass die Tage der neun Mönche des Konvents klar strukturiert sind. Zwischen 25 und 81 Jahre sind sie alt, alle haben unterschiedliche Funktionen – aber einen ähnlichen Tagesablauf. Dieser orientiert sich an den Gottesdiensten. Morgens um 7.30 Uhr geht es los – für einen Orden eher spät, wie Pater Elias sagt – und das an jedem Tag außer sonntags. Daran hat auch die Pandemie nichts geändert. Ansonsten hat sich das Leben der Mönche aber stark verändert, wie Pater Elias sagt, „auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht“, sagt er. Neben seiner Doppelfunktion in Kloster und Kirche leitet er das Institut zur Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens im deutschen Sprachraum und ist Mitglied im Vorstand der Düsseldorfer Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Normalerweise ist er ständig unterwegs, ständig im Gespräch. Der persönliche Austausch auch mit Menschen, die mit Kirche wenig oder nichts zu tun haben, ist das, was ihm am meisten fehlt. „Wir engagieren uns auch außerhalb unseres Kirchenraums“, sagt er, „bieten zum Beispiel Vorträge und Lesungen an oder sind bei der Armenküche am Rathaus aktiv.“
Vieles davon fällt derzeit weg, auch Pater Elias arbeitet vor allem von zu Hause aus, nimmt Predigten für die Videos auf, die das Kloster jeden Mittwoch und Samstag ins Internet stellt, forscht und schreibt wissenschaftliche Artikel, beantwortet E-Mails und Anrufe von Menschen, die das Seelsorgeangebot des Ordens in Anspruch nehmen. „Da ist die Einsamkeit natürlich ein großes Thema und anders als sonst nicht nur bei Älteren“, sagt er. In einer Stadt wie Düsseldorf, in der es viele Single-Haushalte gebe, falle das besonders auf.
Ein Generalrezept zum Umgang mit diesen Gefühlen hat er nicht, das ist ihm wichtig. Aber er versucht, die Zeit zum Innehalten zu nutzen. Für ihn sei ein Gebet naheliegend, für andere könnten es zum Beispiel Meditationsübungen sein. Manchmal denkt er aber auch einfach nur an Kunstwerke, die ihn beeindruckt oder bewegt haben. „Ich finde es schrecklich, wenn Theologen oder auch andere gewissermaßen vom bequemen Sofa aus sagen: Seht das Positive in der Krise“, sagt er. Er habe aber die Erfahrung gemacht, dass ein Moment der bewussten Ruhe die Sorgen zwar nicht kleiner mache, aber Kraft gebe für das, was kommt. „Diese Zeit ist eine Herausforderung, das möchte ich nicht kleinreden.“
Er sehe das zum Beispiel bei den Gastronomen und Ladenbesitzern in der Altstadt, von denen viele kurz vor der Pleite stünden, bei Familien, die sich zwischen Homeoffice und Homeschooling zerrieben, für alle, die sich alleine gelassen fühlten. „Als Gesellschaft und auch als Kirche müssen wir versuchen, für diese Menschen da zu sein“, sagt er, „so gut wir eben können.“