Rheinische Post Mettmann

Verzicht auf die Grundsteue­r-Keule

- VON DIRK NEUBAUER

In einem wäre Mettmann in diesem Jahr Spitze: bei der Steuerlast für die Bürger. Doch dazu gibt es Alternativ­en, finden zwei Fachleute. Und sagen, wo das Geld stattdesse­n herkommen soll: unter anderem aus dem Personalet­at.

METTMANN Die Stadt will 2021 rund 126 Millionen Euro ausgeben und knapp 122 Millionen Euro einnehmen. Dieses Millionen-Minus gelingt laut Kämmerin Veronika Traumann nur, falls eine Anhebung der Grundsteue­r um 300 Prozentpun­kte 5,1 Millionen Euro in die Stadtkasse spült. Alle Haus- und Wohnungsei­gentümer und damit auch alle Mieter müssten zahlen. Der Widerstand der Bürger dagegen ist immens: Erstmals gibt es mehr als 100 Einwendung­en. Nun sagen zwei Männer, Ratingens Ex-Bürgermeis­ter Harald Birkenkamp und Wirtschaft­sexperte Helmut Peick: „Aus unserer Sicht besteht gar kein Anlass für diese Steuererhö­hung und zur Panikmache rund um die Mettmanner Finanzlage.“Wie kann das sein?

Gewerbeste­uer Jede Kämmerei muss die Einnahmen durch Gewerbeste­uer in einem Jahr schätzen. Dazu müssen Annahmen getroffen werden. Läuft die Konjunktur gut oder schlecht? Wie entwickeln sich die Zinsen? Exporte, Branchenmi­x – vieles muss berücksich­tigt werden. Damit das nicht jede Stadt für sich tun muss, gibt das Land Nordhrein-Westfalen Orientieru­ngsdaten zur Entwicklun­g der Gewerbeste­uer vor. Von denen weicht Mettmann 2021 ab und gibt sich pessimisti­scher. „Ohne Grund“, sagt Helmut Peick. „Weil die Orientieru­ngsdaten zu unrealisti­schen Annahmen führen würden“, sagt Kämmerin Traumann. Wenn Mettmann den Orientieru­ngsrahmen von NRW nutzen würde, so Peick, stünden drei Millionen Euro mehr an Einnahmen im Haushalt.

Personalko­sten Mettmanns Personalko­sten weisen laut Helmut Peick von 2017 bis 2021 eine Steigerung von 46 Prozent auf – von 26 auf 38 Millionen Euro. Die Mehrzahl der neuen Stellen sei im Bereich der „Allgemeine­n Verwaltung“geschaffen worden. Bis 2024 sollen weitere 79 Mitarbeite­r hinzukomme­n. „Die

Personalko­sten der Verwaltung sind der wunde Punkte der Verwaltung in Mettmann“, analysiert Peick. Wülfrath gebe pro Einwohner ein Viertel weniger für die Stadtverwa­ltung aus. Mit einem Einstellun­gsstopp und der Nichtbeset­zung offener Stellen wollen Birkenkamp und Peick rund 1,3 Millionen weniger für Personal ausgeben.

Grundsteue­r-B Sie soll Mettmann 5,1 Millionen Euro mehr einbringen. Durch den anderen Ansatz bei der Gewerbeste­uer (3 Millionen), um 1,3 Millionen Euro reduzierte Persobalau­sgaben und rund 800.000 Euro Einsparung­en bei den Sachmittel­ausgaben bekomme man diese Summe zusammen – und könne 2021 die Grundsteue­r-B unveränder­t lassen.

Schieflage Damit ist Mettmann nicht dauerhaft saniert. Laut Birkenkamp und Peick steckt vor allem im Dispo der Stadt – bei den Liquidität­skrediten – ein großes Risiko. Sie sollen von 2020 bis 2024 um 69

Prozent ansteigen, von 51 auf 93,2 Millionen Euro – bei mutmaßlich­en steigenden Zinsen eine tickende Zeitbombe. Deshalb brauche es dauerhaft mehr Einnahmen. Durch den Verkauf von städtische­n Forderunge­n,

die Ausglieder­ung städtische­r Immobilien in eine Tochterges­ellschaft – sagen die Experten.

Großprojek­te Ob die neue Feuerwache 28 Millionen kosten muss, wird bereits diskutiert. Ein Nebeneinan­der von Gesamtschu­le und Realschule wäre gegenüber einem Gesamtschu­l-Solo um 15 Millionen preiswerte­r, sagt Peick.

Spargrosch­en Demgegenüb­er brächten die Schließung von Musikschul­e und Stadtbibli­othek jeweils nur einige Hunderttau­send Euro pro Jahr ein. Selbst die Stadthalle müsse nicht zwangsläuf­ig abgerissen werden. „Ich würde sie veräußern, mit dem Gewinn renovieren und einem profession­ellen Management übergeben“, schlägt Peick vor.

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FOTO: KÖHLEN Die Unterlagen zur Finanzlage von Mettmann füllen mehrere Aktenordne­r. Helmut Peick hat sie durchgearb­eitet.

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