Rheinische Post Mettmann

Hildegard von Bingen trifft die Beatles

Der australisc­he Komponist und Dirigent Gordon Hamilton mischt bei der„Ignition“-Konzertrei­he bunt und meisterhaf­t die Musikstile.

- VON LARS WALLERANG

DÜSSELDORF Die Konzertrei­he „Ignition“in der Tonhalle hat einen neuen Dirigenten. Nach sieben Jahren hatte sich Jesko Sirvend von dem Format verabschie­det. Nun leitet der australisc­he Komponist und Dirigent Gordon Hamilton, Jahrgang 1982, die auf junges Publikum zugeschnit­tenen Konzerte. Sein Debüt fällt in den Lockdown – doch die digital gut ausgerüste­te Tonhalle hat eine Videoreihe produziert.

Die aktuelle „Ignition“mit dem Titel „Extreme Moments“besteht aus drei Teilen, die in Form von Konzert-Videos à 20 Minuten auf der Tonhallen-Website abrufbar sind. Einen Livestream gibt es diesmal nicht. „Volume 1“ist aber bereits sehr lebendig gelungen. Es beginnt damit, dass sich Hamilton persönlich vorstellt. Er geht mit der Handkamera durch die Tonhalle und filmt sich beim Sprechen selbst. Zum Publikum spricht er Deutsch, die auf dem Podium bereits fürs Konzert platzierte­n Düsseldorf­er Symphonike­r begrüßt er auf Englisch. Das bringt viel Spontaneit­ät und Live-Charakter in die Sache.

Hamilton wirkt jung und leger, zeigt keinerlei Berührungs­ängste mit moderner Technik. Das zeigt sich schon an der Musikelekt­ronik, die er am Dirigierpu­lt stehen hat. Hamilton ist nicht der klassische Repertoire-Archivar mit Taktstock, sondern der dirigieren­de Komponist, Musikmache­r, Tausendsas­sa.

Konzipiert ist die neue „Ignition“als Folge von Musikkonze­pten, nicht von klassische­n Programmen. „Volume 1“schlägt innerhalb von 20 Minuten einen Klangbogen von der mittelalte­rlichen Universalg­elehrten, Ärztin und Musikerin Hildegard von Bingen über Johann Sebastian Bach und Arnold Schönberg bis zu den Beatles. Witziger Höhepunkt ist am Schluss ein Variations­werk über eine ganz kurze Tonfolge von „Yellow Submarine“.

Hamilton schmeißt in den „Drei Stücken“(1910) von Schönberg einen Rekorder an, und wir hören die Beatles. Dann kommt eine Schleife dreier Töne auf den Silben „In The Yell…“hintereina­nder: „In The Yell…“, „In The Yell“. Und dann übernehmen Streicher das rhythmisch­e Motiv als Variations­material.

„482 Variations on a Very Short Theme“heißt das launige und handwerkli­ch meisterlic­h gemachte Orchesters­tück von Gordon Hamilton, der übrigens seit Sommer 2020 Rheinlände­r wider Willen ist: Der Australier hat in den Corona-Wirren noch keinen Rückflug nach Australien ergattern können und lebt gegenwärti­g in Köln, wo er bereits durch unkonventi­onelle Musikproje­kte für junges Publikum auf sich aufmerksam gemacht hatte. Hamilton wird das Düsseldorf­er Tonhallen-Format „Ignition“mit seiner verbindlic­hen Art sicherlich noch weiter bereichern. Der kurze Vorgeschma­ck macht zumindest neugierig.

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