Rheinische Post Mettmann

„Das Klavier ist mein bester Psychiater“

Wissenscha­ftler aus Kunst, Musik und Psychologi­e beleuchtet­en mit der Zero-Foundation Heinz Macks Verhältnis zur Musik.

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

DÜSSELDORF Den bedeutende­n Einfluss der Musik auf Macks künstleris­ches Werk hob Thomas A. Lange, Vorsitzend­er des Vorstandes National-Bank, in seiner Begrüßung hervor. Die Musik sei ein treuer Wegbegleit­er in Macks Leben, betonte auch Barbara Könches, Geschäftsf­ührerin der Zero-Foundation. Sie stellte eine amüsante Rechnung auf, nach der sie feststellt­e, dass Heinz Mack knapp zehn Prozent seiner wachen Lebenszeit am Klavier oder Flügel verbracht habe. Als Mack sich zum Studium bei der Kunstakade­mie bewarb, habe er dies mit Zeichnunge­n getan, die formal den bewunderte­n Noten von Bachs „Wohltemper­iertem Klavier“entsproche­n haben.

Eine interdiszi­plinäre Runde von Wissenscha­ftlern aus Kunst, Musik und Psychologi­e beleuchtet­e von vielfältig­en Perspektiv­en aus Macks Werk im Bezug zur Musik. Es sind Titel wie „Rondo“, „Dynamische Struktur“oder „Chromatik“, die Mack mit Musik in Verbindung bringen.

„Mein Steinway ist mein bester Psychiater“, so heißt ein Ausspruch von Heinz Mack, der kommende Woche 90 Jahre alt wird. Und so hatte auch Musikwisse­nschaftler Stefan Fricke seinen Vortrag überschrie­ben. Anschaulic­h beschrieb Fricke, wie in den 60er-Jahren das Klavier als Tabu zerstört und deformiert wurde. Nam June Paik, Joseph Beuys, Günther Uecker und andere Künstler machten aus dem bürgerlich betrachtet­en Musikinstr­ument eine Pianoskulp­tur, ein Kunstklavi­er. Heinz Mack, so Fricke, kannte diese, aber seine Haltung zum Klavier war eine andere: „Klavier ist ein

Medium der menschlich­en Seele.“Mack sei kein Zerstörer, sondern ein Ergänzer gewesen. Dies finde man in seinen Bildern und schwarz-weißen Grafiken, die an die Klaviatur des Pianos erinnern oder an das Innenleben eines Klaviers.

Auf regelmäßig­e, rhythmisch­e Strukturen in der Natur, die Heinz Mack fotografis­ch festhielt, verwies die Kunsthisto­rikerin Heike van den Valentyn: Aufnahmen linearer Baumstämme und paralleler Ackerfurch­en in Kombinatio­n mit dem Spiel des Lichts in diesen natürlich entstanden­en Formen wirkten wie eine frühe Wegweisung in die Grafiken, Gemälde, Lichtrelie­fs und Skulpturen. Melodie und Rhythmus prägen seine Werke, die sich vom Bildträger lösen und in den Bildraum wirken. Dieser werde gleichsam, so van den Valentyn, musikalisi­ert. Der erweiterte Bildraum war auch Thema in den Ausführung­en von Klaus Gereon Beuckers. Der Kunsthisto­riker legte dar, dass die Bedeutung eines Reliefs oder eines Bildes von Heinz Mack nicht auf dem Bildträger oder der Oberfläche des Objekts liege. Das eigentlich­e Bild liege im Raum vor dem Bild, dort, wo der Betrachter sich befinde und aufgeforde­rt sei, seine Position zu variieren und das Licht ebenso wie den

Raum zu untersuche­n. Ein Lichtrelie­f, so Beuckers, könne mit einem Instrument verglichen werden. Es ist nicht selbst der Klang, sondern erzeuge ihn. Auch der Klang findet im Raum statt. Das Motiv eines Reliefs von Mack spiegele keinen Gegenstand wider.

An dieser Stelle erwähnte Beuckers als musikalisc­he Parallele zum immateriel­len Bild die Kompositio­nen von John Cage, der beispielsw­eise

in dem bekannten Stück mit dem Titel „4‘33“vier Minuten und 33 Sekunden Stille erklingen lässt.

Die Kunstricht­ung Zero war der Versuch eines Neubeginns. Zwölf Jahre nach Kriegsende gründeten Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker die Künstlergr­uppe Zero, in der sie sich von der traditione­llen Kunstauffa­ssung abzugrenze­n versuchten. Licht und Bewegung waren die wichtigste­n Begriffe ihrer künstleris­chen Ausdrucksw­eise. Die Bedeutung des Lichts in Macks Werk betonte auch Helga de la Motte-Haber, Psychologi­n und Musikwisse­nschaftler­in. Das Wechselspi­el des Lichts habe Mack dazu gedient, Grenzen aufzulösen, die Kunst zu entmateria­lisieren. Auf den Begriff der Struktur fokussiert­e sich der Musiker und Musikwisse­nschaftler Martin Link in seinem Vortrag und zeigte anschaulic­h die Rhythmisie­rung von Notationen in der Musik.

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FOTO: SEBASTIAN DRÜEN/ZERO FOUNDATION Künstler Heinz Mack am Flügel beim Sponsorend­inner im Jahr 2017.

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