Die richtige Strategie des Zählens
Claudia Herdermeier nimmt in ihrem Nachhilfe-Studio in Hubbelrath Schülern die Angst vor Mathe. In der Grundschule Knittkuhl betreut die Lehrerin zudem Fördergruppen. Und auch Pädagogen bildet sie fort.
HUBBELRATH Neben Physik und Chemie gilt Mathe nicht nur im Rückblick als das unbeliebteste Schulfach der Deutschen. Doch während bei den beiden Naturwissenschaften Defizite meist noch durch Auswendiglernen kompensiert werden können, bleibt die Welt der Zahlen und geometrischen Figuren für viele Schüler ein Gräuel. Weil es logisches Denken voraussetzt, und das kann man nicht lernen. Oder doch?
Es versteht sich von selbst, dass die Basis allen Wissens – und damit eben auch in der Mathematik – in der Grundschule gelegt wird. Wer hier hoffnungslos hinterherhinkt, bekommt später nicht mehr die Kurve. Das weiß auch Claudia Herdemeier. Und die Lehrerin an der Grundschule Knittkuhl hat ebenfalls ziemlich früh festgestellt, dass sie über das Talent verfügt, mit einfachen Methoden Kindern beim Rechnen den richtigen Weg aufzuzeigen. Daher begann sie damit, Fördergruppen an ihrer Schule zu bilden. Und da es anderswo ebenso rechenschwache Schüler gibt, gründete sie in Hubbelrath das Mathe-Studio Herdemeier.
Die Stadt weiß die Arbeit der Pädagogin zu schätzen und hat ihr die Nebentätigkeit genehmigt. Doch damit nicht genug: Da nur gut ausgebildete Lehrer in der Lage sind, Kinder in die Mathematik einzuführen, hat das Schulamt mit der 60-Jährigen eine Reihenfortbildung zum Thema Rechenschwäche aufgelegt, die auf großes Interesse stößt.
„Fünf Prozent der Schüler gelten als extrem rechenschwach, 15 Prozent benötigen eine Förderung. Wer dazugehört, wird spätestens im zweiten Schuljahr offensichtlich. Die Basisfertigkeiten müssen einfach sitzen“, sagt Herdemeier. Das kann viele Ursachen haben, eine Lern- genauso wie eine Lehrschwäche, Probleme in der Familie; ein negativer Indikator ist aber besonders auffällig: das zählende Rechnen. „Die Kinder zählen mit den Fingern. Sie sind nicht offen für Beziehungen im Zahlenraum und neigen in ihrer Not sogar dazu, Aufgaben wie ein Gedicht auswendig zu lernen“, erklärt Herdemeier.
Sie versucht stattdessen, Schülern die richtigen Zählstrategien nahezubringen. Dafür hat sie Fördermaterial entwickelt: Zählkarten für geschicktes Grundrechnen, Klappkarten für die Simultanauffassung, Schieber für Analogieaufgaben, Zerlegungstunnel, aufgeteilt auf die Zahlenräume des Einmaleins, bis 20 sowie bis 100. Das sind vermeintlich simple Bastelbögen, Anschauungsmaterial, das den Kindern aber die Augen öffnet, weil sie urplötzlich eine visuelle Vorstellung von dem Rechenvorgang haben.
Kleine Umwege einzuschlagen, ist dabei nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. „Jeder weiß, dass zehnmal acht 80 ergeben, bei neunmal acht wird’s schon schwieriger. Dann von den 80 einmal acht abzuziehen, um auf 72 zu kommen, ist absolut legitim“, erklärt die Lehrerin. Ihre Zögling bleiben meist ein Jahr; eine Stunde die Woche reicht aus, dann sind die Defizite in der Regel aufgearbeitet. Zu Beginn der Nachhilfe steht immer die Diagnose, mit Hilfe bestimmter Basis-Aufgaben hat Claudia Herdemeier schnell herausgefunden, wo der Schuh drückt. So kommt es beispielsweise vor, dass ein Förderkind bei der Additionsaufgabe 73 plus fünf 15 als Ergebnis aufschreibt. „Er rechnet sieben plus drei plus fünf, obwohl er eigentlich weiß, dass 15 nicht richtig sein kann, da 73 ja schon eine viel höhere Zahl ist.“Aber dann erkennt die Pädagogin sofort, wo sie ansetzen muss.
Da die Fördermethoden der Hubbelratherin so gut ankommen, hat sie jetzt schon ihr zweites Buch herausgegeben. Nach „Rechenschwache Kinder individuell fördern“, für das sie sogar einen Verlag fand, musste Herdemeier „1x1 und 1:1 leicht gemacht“selbst herausgeben. Aber das war es ihr wert. „Ich habe schon so oft erlebt, wie verzweifelt Kinder sind, wenn sie das erste Mal zu mir kommen. Wenn sie dann auf einmal beginnen, zu verstehen, ist das ein unheimliches Erfolgserlebnis und verleiht einen enormen Motivationsschub in der Schule.“Reich werde sie damit bestimmt nicht, beteuert Claudia Herdemeier, die privaten Förderstunden sind vergleichsweise günstig. „Ich will einfach nur, dass Kinder Mathe nicht länger als Horror erleben.“
Kontakt Mehr Informationen zum Mathe-Studio von Claudia Herdemeier finden Interessierte unter mathestudio-herdemeier.de.