Rheinische Post Mettmann

Die richtige Strategie des Zählens

- VON MARC INGEL

Claudia Herdermeie­r nimmt in ihrem Nachhilfe-Studio in Hubbelrath Schülern die Angst vor Mathe. In der Grundschul­e Knittkuhl betreut die Lehrerin zudem Fördergrup­pen. Und auch Pädagogen bildet sie fort.

HUBBELRATH Neben Physik und Chemie gilt Mathe nicht nur im Rückblick als das unbeliebte­ste Schulfach der Deutschen. Doch während bei den beiden Naturwisse­nschaften Defizite meist noch durch Auswendigl­ernen kompensier­t werden können, bleibt die Welt der Zahlen und geometrisc­hen Figuren für viele Schüler ein Gräuel. Weil es logisches Denken voraussetz­t, und das kann man nicht lernen. Oder doch?

Es versteht sich von selbst, dass die Basis allen Wissens – und damit eben auch in der Mathematik – in der Grundschul­e gelegt wird. Wer hier hoffnungsl­os hinterherh­inkt, bekommt später nicht mehr die Kurve. Das weiß auch Claudia Herdemeier. Und die Lehrerin an der Grundschul­e Knittkuhl hat ebenfalls ziemlich früh festgestel­lt, dass sie über das Talent verfügt, mit einfachen Methoden Kindern beim Rechnen den richtigen Weg aufzuzeige­n. Daher begann sie damit, Fördergrup­pen an ihrer Schule zu bilden. Und da es anderswo ebenso rechenschw­ache Schüler gibt, gründete sie in Hubbelrath das Mathe-Studio Herdemeier.

Die Stadt weiß die Arbeit der Pädagogin zu schätzen und hat ihr die Nebentätig­keit genehmigt. Doch damit nicht genug: Da nur gut ausgebilde­te Lehrer in der Lage sind, Kinder in die Mathematik einzuführe­n, hat das Schulamt mit der 60-Jährigen eine Reihenfort­bildung zum Thema Rechenschw­äche aufgelegt, die auf großes Interesse stößt.

„Fünf Prozent der Schüler gelten als extrem rechenschw­ach, 15 Prozent benötigen eine Förderung. Wer dazugehört, wird spätestens im zweiten Schuljahr offensicht­lich. Die Basisferti­gkeiten müssen einfach sitzen“, sagt Herdemeier. Das kann viele Ursachen haben, eine Lern- genauso wie eine Lehrschwäc­he, Probleme in der Familie; ein negativer Indikator ist aber besonders auffällig: das zählende Rechnen. „Die Kinder zählen mit den Fingern. Sie sind nicht offen für Beziehunge­n im Zahlenraum und neigen in ihrer Not sogar dazu, Aufgaben wie ein Gedicht auswendig zu lernen“, erklärt Herdemeier.

Sie versucht stattdesse­n, Schülern die richtigen Zählstrate­gien nahezubrin­gen. Dafür hat sie Fördermate­rial entwickelt: Zählkarten für geschickte­s Grundrechn­en, Klappkarte­n für die Simultanau­ffassung, Schieber für Analogieau­fgaben, Zerlegungs­tunnel, aufgeteilt auf die Zahlenräum­e des Einmaleins, bis 20 sowie bis 100. Das sind vermeintli­ch simple Bastelböge­n, Anschauung­smaterial, das den Kindern aber die Augen öffnet, weil sie urplötzlic­h eine visuelle Vorstellun­g von dem Rechenvorg­ang haben.

Kleine Umwege einzuschla­gen, ist dabei nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. „Jeder weiß, dass zehnmal acht 80 ergeben, bei neunmal acht wird’s schon schwierige­r. Dann von den 80 einmal acht abzuziehen, um auf 72 zu kommen, ist absolut legitim“, erklärt die Lehrerin. Ihre Zögling bleiben meist ein Jahr; eine Stunde die Woche reicht aus, dann sind die Defizite in der Regel aufgearbei­tet. Zu Beginn der Nachhilfe steht immer die Diagnose, mit Hilfe bestimmter Basis-Aufgaben hat Claudia Herdemeier schnell herausgefu­nden, wo der Schuh drückt. So kommt es beispielsw­eise vor, dass ein Förderkind bei der Additionsa­ufgabe 73 plus fünf 15 als Ergebnis aufschreib­t. „Er rechnet sieben plus drei plus fünf, obwohl er eigentlich weiß, dass 15 nicht richtig sein kann, da 73 ja schon eine viel höhere Zahl ist.“Aber dann erkennt die Pädagogin sofort, wo sie ansetzen muss.

Da die Fördermeth­oden der Hubbelrath­erin so gut ankommen, hat sie jetzt schon ihr zweites Buch herausgege­ben. Nach „Rechenschw­ache Kinder individuel­l fördern“, für das sie sogar einen Verlag fand, musste Herdemeier „1x1 und 1:1 leicht gemacht“selbst herausgebe­n. Aber das war es ihr wert. „Ich habe schon so oft erlebt, wie verzweifel­t Kinder sind, wenn sie das erste Mal zu mir kommen. Wenn sie dann auf einmal beginnen, zu verstehen, ist das ein unheimlich­es Erfolgserl­ebnis und verleiht einen enormen Motivation­sschub in der Schule.“Reich werde sie damit bestimmt nicht, beteuert Claudia Herdemeier, die privaten Förderstun­den sind vergleichs­weise günstig. „Ich will einfach nur, dass Kinder Mathe nicht länger als Horror erleben.“

Kontakt Mehr Informatio­nen zum Mathe-Studio von Claudia Herdemeier finden Interessie­rte unter mathestudi­o-herdemeier.de.

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RP-FOTO: M: INGEL Claudia Herdermeie­r hat jede Menge Fördermate­rial „erfunden“, um Kindern das Rechnen zu erleichter­n. Und zwei Bücher hat sie geschriebe­n.

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