Zahl der Berufspendler steigt trotz Krise
Obwohl mehr Menschen im Homeoffice sitzen, machen sich inzwischen täglich 13 Millionen Deutsche auf den Weg zur Arbeit.
BERLIN Die Zahl der Berufspendler in Deutschland ist im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr weiter angestiegen, obwohl die Corona-Krise mehr Beschäftigte als zuvor zwang, von zu Hause aus zu arbeiten. Das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor, die die Pendlerströme bis Ende Juni 2020 abbilden und unserer Redaktion vorliegen. Demnach nahm die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die auf dem Weg zur Arbeit ihre Wohnort-Gemeinde verlassen mussten, in der ersten Jahreshälfte 2020 auf 13 Millionen zu (2019: 12,8 Millionen). Neuere Daten liegen der BA noch nicht vor.
Vor allem rund um die Ballungszentren Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt am Main und München vergrößerten sich die Ströme der berufsbedingten Einund Auspendler. Die hohen Mieten und Immobilienpreise in den Größstädten zwingen offenbar immer mehr Berufspendler zu längeren Arbeitswegen.
Pendler-Hauptstadt ist München, wo Mieten und Immobilienpreise Höchstwerte erreichen. 414.000 Beschäftigte pendelten von außerhalb in die bayerische Landeshauptstadt – 78.000 von ihnen sogar aus anderen Bundesländern. Es folgen Frankfurt am Main mit 387.000 Einpendlern und Hamburg (359.000). In den drei Städten nahmen die Pendlerzahlen
im Vergleich zum Vorjahr zu (München: plus sechs Prozent; Frankfurt und Hamburg: plus drei Prozent). Auch in Düsseldorf (266.000) und Köln (284.000) stiegen sie im Vergleich zum Vorjahr um jeweils rund drei Prozent. Bonn zählte im vergangenen Jahr 104.000 Einpendler, Mönchengladbach 45.000.
Die Industriegewerkschaft BauenAgrar-Umwelt (IG BAU) warnte angesichts der steigenden Pendlerzahlen vor den Folgen der Wohnungsnot für Beschäftigte in Ballungszentren und Großstädten: „Weil das Wohnen in Deutschlands Großstädten nach jahrelangen teils exorbitanten Mietsteigerungen für viele Beschäftige nicht mehr bezahlbar ist, bleibt für sie als Alternative oft nur stundenlange Fahrerei“, sagte der Vorsitzende Robert Feiger. Es sei bezeichnend, dass der Anteil der Fernpendler unter den Beschäftigten trotz der zum Jahresbeginn 2020 ausgebrochenen Corona-Pandemie mit 39 Prozent nahezu unverändert hoch geblieben sei.
„Weite Pendelwege spielen dabei längst nicht mehr nur in den Metropolen eine Rolle. Sogar Städte wie Braunschweig, Erfurt oder Heidelberg kommen auf hohe fünfstellige Werte“, sagte Feiger. In der Bauwirtschaft seien lange Anfahrtswege dabei besonders verbreitet. Es dürfe aber nicht sein, dass Menschen, die in den Großstädten Wohnungen bauten, sich diese selbst nicht mehr leisten könnten. Zur Linderung der
Wohnungsnot forderte er eine massive Aufstockung der Fördermittel und dauerhafte Preisbindungen für den sozialen Wohnungsbau.
Auch im bezahlbaren Segment – bei Quadratmeterpreisen zwischen sechs und neun Euro – müsse deutlich mehr und gezielter gefördert werden. „Mehr Wohnungen, die sich in den Großstädten auch Geringund Normalverdiener leisten können, sind ein entscheidender Beitrag, um die Pendlerströme in Deutschland zu verringern. Wenn ein Bauarbeiter oder eine Reinigungskraft heute teils 100 Kilometer für den Weg zur Arbeit zurücklegen muss, dann läuft auf dem Wohnungsmarkt grundsätzlich etwas falsch“, unterstrich Feiger.