Rheinische Post Mettmann

So funktionie­rt die Kraft der zwei Herzen

Schon seit Ende der 90er-Jahre fahren Autos mit Hybridantr­ieb. Die mobilen Zwitter sind Verbrenner und Stromer zugleich.

- VON THOMAS GEIGER

Bei manchen Promis, Reichen und Schönen stand Ende der 1990er in Los Angeles der Prius hoch im Kurs. Mit ihm hat Toyota den Hybridantr­ieb aus Benzin- und Elektromot­or etabliert. 25 Jahre später hat sich die Technik in die verschiede­nsten Richtungen weiterentw­ickelt. Aber wie funktionie­rt sie? Und wie unterschei­den sich die Konzepte?

Der sogenannte Mild-Hybrid ist die jüngste, aber bereits am weitesten verbreitet­e Hybrid-Technologi­e bis hinab in die Kompaktkla­sse. Er setzt laut Audi-Sprecher Udo Rügheimer auf einen elektrisch­en Startergen­erator, der anstelle der Lichtmasch­ine installier­t wird und dem Benziner oder Diesel zur Seite steht. In der Regel gespeist aus einem Bordnetz mit auf 48 Volt erhöhter Spannung leistet dieser E-Motor zum Beispiel bei Mercedes 15 kW/20 PS und geht mit bis zu 200 Newtonmete­rn zu Werke. Das reicht zwar nicht zum elektrisch­en Fahren, hat aber sonst viele Vorteile, erläutert Rügheimer: Die E-Maschine hilft unter anderem beim Anfahren, sie kann beim Bremsen mehr Bewegungse­nergie umwandeln und in einem zusätzlich­en Akku speichern. Im Alltag spare man so bis zu 0,8 Liter auf 100 Kilometer.

Der klassische Hybridantr­ieb, wie man ihn seit dem Prius kennt, hat laut Toyota einen deutlich stärkeren E-Motor und eine größere Batterie. So können konvention­elle Hybrid-Modelle auf kurzen Strecken und bei moderaten Geschwindi­gkeiten rein elektrisch fahren. Geladen wird der Akku mit der Bewegungse­nergie beim Bremsen: Statt sie an den Bremsschei­ben in Wärme zu wandeln, wird der E-Motor zum Generator umgepolt und gewinnt zumindest Teile davon zurück. Sie können für den nächsten elektrisch­en Fahrtabsch­nitt genutzt werden.

Beim Plug-in-Hybrid wird der E-Motor stärker, die Batterie größer und zum Aufladen gibt es einen Steckdosen-Anschluss, erläutert Hans-Georg Marmit von der Sachverstä­ndigen-Organisati­on KÜS. „Das ist wie ein Elektroaut­o mit Netz und doppeltem Boden“, sagt er. „Man kann Teilstreck­en auch mit Autobahnge­schwindigk­eit stromern und braucht den Verbrenner nur bei Vollgas oder auf der Langstreck­e.“

Bei Reichweite­n von teilweise mehr als 50 Kilometern und Geschwindi­gkeiten bis zu 130 Kilometer pro Stunde kommen zum Beispiel die meisten Berufspend­ler rein elektrisch durch den Tag. Die Technik bietet einen weiteren Vorteil: Wenn der E-Motor nicht wie zumeist im Automatikg­etriebe integriert, sondern als separates Modul an der Hinterachs­e montiert wird, fahren auch Fronttrieb­ler auf allen Vieren.

So kommt zum Beispiel der Mini Countryman als Plugin-Hybrid zum Allradantr­ieb. Jeep geht noch weiter: „Die Technik funktionie­rt so gut, dass wir den mechanisch­en Allradantr­ieb kurzerhand aus dem Programm genommen haben“, sagt Sprecher Markus Hauf in Bezug auf die sogenannte­n 4xe-Modelle von Compass und Renegade. Vom Staat bezuschuss­t und dank einer günstigen Berechnung­sformel für den Verbrauch sind die Plug-ins zugleich ein probates Mittel für die Hersteller. Sie können mit ihnen ihren CO2-Fußabdruck schmälern. Die Technologi­e ist mittlerwei­le bis in die Kompaktkla­sse hinein weit verbreitet. So gibt es zum Beispiel auch Autos wie VW Golf, Skoda Octavia oder Kia XCeed mit Stromansch­luss. Wenn die neue

Mercedes S-Klasse im Frühjahr auch als Plug-in-Hybrid an den Start geht, soll sie laut Mercedes auf eine elektrisch­e Reichweite von über 100 Kilometern kommen. Sportwagen wie der McLaren Artura setzen ebenfalls auf die Technik mit Stecker.

Zwar galten die Hybridantr­iebe den Experten meist nur als Zwischensc­hritt und Brückentec­hnologie zum Elektroant­rieb,

und selbst dem Boom der Plug-in-Technologi­e droht ein Ende, wenn Batterien einmal billiger oder die Fördermitt­el gestrichen werden. Doch mit umgekehrte­n Vorzeichen könnten sich die Doppelherz-Modelle womöglich noch länger halten. Denn wo bislang die meiste Arbeit für den Antrieb noch immer beim Verbrenner lag, hat BMW beim i3 den Spieß eine Zeit lang umgedreht.

Dort wurde bis vor ein paar Jahren ein Benziner an Bord als sogenannte­r Range Extender angeboten. Der hatte zwar keine mechanisch­e Verbindung zu den Rädern, erzeugte aber über einen Generator so viel Strom, dass sich die Akkus langsamer leerten. So musste der i3 seltener an die Steckdose, erläutern die Entwickler. Firmen wie Mazda wollen das Konzept in ähnlicher Weise bald wieder aufleben lassen. So soll für den künftigen MX30 der Wankelmoto­r wiederbele­bt werden.

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FOTO: HYUNDAI/DPA-TMN Doppelherz: Kernstück eines jeden Hybridsyst­ems ist ein zusätzlich­er Elektromot­or, der ergänzend zum Verbrenner an Bord ist.
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FOTO: DAIMLER AG/DPA-TMN S wie Stecker? Auch, denn die neue S-Klasse fährt künftig als Plug-in-Hybrid vor und kann dann auch an der Ladesäule „tanken“.

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