Ein Herz für Hochhäuser
Das Amt für Denkmalpflege im Rheinland hat die Wohnanlage Willbecker Straße in eine Inventarliste mit denkmalwürdigen Siedlungen aufgenommen. Es empfiehlt, sie unter Schutz zu stellen.
MIETEN, KAUFEN, BAUEN – WOHNEN IN DER REGION
ERKRATH Und das soll denkmalwürdig sein? Manch einer, der die Häuserzeilen an der Willbecker 51-77 Straße kennt, zieht erst einmal die Nase kraus und guckt ungläubig. Stehen da nicht genau jene Sünden der bauwütigen 70er, die am besten gar nicht entstanden wären? Schuhkarton-Architektur, Stapelhäuser, Plattenbau-Tristesse?
Dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland sind solche Reaktionen nicht unbekannt. Seine Maßstäbe sind allerdings andere, es geht ihm nicht um das, was im landläufigen Sinne als schöne Architektur betrachtet wird. In seiner gerade erschienenen, mehrere Kilo schweren Publikation, die sich mit der Architekturgattung der Siedlung beschäftigt, sind sehr unterschiedliche, aber allesamt für denkmalwert befundene Siedlungen an der Rheinschiene aufgelistet – auch solche, die nach 1945 entstanden sind, darunter 17 aus den „vielfach nicht wertgeschätzten 1960er und 1970er Jahren“, wie es im Vorwort heißt.
Eine davon ist Teil der „Neuen Stadt Hochdahl“, die dem aus den Nähten platzenden Düsseldorf als Entlastungszentrum dienen sollte. Das Projekt auf Weide- und Ackerland, übrigens eines der größten in NRW, sah einen luftigen Mix der Wohnformen vor, geprägt von Einfamilienhäusern. Dann drängte eine größer werdende Nachfrage nach Wohnraum auf höhere Verdichtung. Die steigende Zahl der geplanten Hochhäuser wurde allerdings derart heftig kritisiert, dass die Planungen schließlich unterbrochen wurden und ein neuer Stadtplaner ins
Spiel kam. Ergebnis:Übermäßiger Wohnungs- und Gewerbebau wurde zugunsten eines natürlichen Wohnumfeldes zurückgedrängt, das Bebauungskonzept von Hochdahl basiert auf dem Leitbild der aufgelockerten und gegliederten Stadt, notiert der Landschaftsverband in seiner Publikation.
Ein noch weitgehend (bis auf die
Fenster) original erhaltener Teil der Neuen Stadt Hochdahl ist die genossenschaftliche Wohnanlage Willbecker Straße 51-77. Für den LVR ist sie ein „exemplarisches Beispiel für die moderne Stadtgründung“, mithin denkmalwürdig. Bemerkenswert sei die gestaffelte Reihung der Hochhausscheiben entlang der Verkehrsachse. Trotz verdichteter Bauweise
schafften die Scheiben durch ihre offene Stellung ein aufgelockertes Ensemble mit verschiedenen Blickachsen. Zwischen den Bauten ergäben sich großzügige und fließende, halböffentliche Grün- und Freiräume, die dem damaligen Streben nach Wohnraum im Grünen entsprächen.
Die Bebauung Willbecker Straße
zeuge mit ihren unterschiedlichen Wohnungszuschnitten zudem vom sozialreformerisch motivierten Streben nach einer ausgewogenen Bewohnerschaft. Sie sollte in die Denkmalliste eingetragen werden, da sie für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen bedeutend sei. Ihre Erhaltung und Nutzung liege aus wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und sozi-algeschichtlichen sowie städtebaulichen Gründen im öf-fentlichen Interesse, bilanziert der LVR.
Jetzt ist die Stadt Erkrath am Zug, der Vorgang liegt schon zur Prüfung in der dazugehörigen Amtsstube. Grundsätzlich erfolgen Prüfung und anschließende Eintragung eines Denkmals durch die Untere Denkmalbehörde, in Abstimmung mit dem Landschaftsverband. Wann genau das Eintragungsverfahren (inklusive Prüfung) für die Wohnanlage beginne, könne derzeit aber noch nicht abgeschätzt werden, heißt es aus dem Rathaus.