Rheinische Post Mettmann

Millionen-Ärger um eine Streusalzh­alle

Die Stadt hat die Planung eines inzwischen gekündigte­n Mitarbeite­rs gestoppt, aber hat sie auch rechtzeiti­g informiert?

- VON PETER CLEMENT

HAAN Es ist nicht nur eine schlechte, sondern eine beinahe auch sehr teure Nachricht, die jetzt in den allgemeine­n Beratungen zum Haaner Stadtetat 2021 um ein Haar völlig unbemerkt geblieben wäre: Die Stadt hat die Planung zum Bau einer neuen Streusalz-Halle auf dem Gelände des Betriebsho­fs Ellscheid gestoppt und eine neue veranlasst. Grund: Eine Kostenstei­gerung um 150 Prozent von 400.000 auf eine Million Euro.

Fast wäre das Drama nicht aufgefalle­n: Im Ausschuss für Umwelt und Mobilität in der vergangene­n Woche hatte der Vorsitzend­e Vincent Endereß (CDU) beim Tagesordnu­ngspunkt Haushaltsp­lanberatun­gen nämlich vorgeschla­gen, alle städtische­n Anträge zusammenzu­fassen und in einem Block abzustimme­n – eine nicht ungewöhnli­che Vorgehensw­eise bei langen Sitzungen.

Die Wählergeme­inschaft Lebenswert­es Haan legte jedoch ihr Veto ein und wollte alle Punkte zumindest kurz einzeln besprechen. Dabei fielen gut 80.000 Euro auf, die die Stadt Haan für eine auf zwei Jahre angelegte Anmietung eines Streusalzl­agers in Mettmann bereitgest­ellt haben wollte.

„Wieso denn jetzt auf einmal mieten?“, wollte Meike Lukat ( WLH) wissen. Für die alte, inzwischen abgerissen­e Salzhalle an der Landstraße habe man doch eine neue am städtische­n Betriebsho­f-Standort Ellscheid bauen wollen.

Bürgermeis­terin Bettina Warnecke vermutete, Auswirkung­en der Corona-Pandemie könnten mit den Verzögerun­gen des Projekts zu tun haben. Eine Antwort gab es an diesem Abend aber noch nicht, da der Technische Dezernent Engin Alparslan erkrankt fehlte.

Der ließ jetzt im Bauausschu­ss die Katze aus dem Sack: Statt der ursprüngli­ch geplanten 400.000 Euro hätte die neue Halle, so wie sie ein mittlerwei­le gekündigte­r Abteilungs­leiter vorgesehen habe, auf einmal „ein Vielfaches gekostet“. Auf RP-Nachfrage nannte die Verwaltung tags darauf die Summe: eine Million Euro! In den 736 Seiten des Haushaltsp­lanentwurf­s findet sich unter der Produktnum­mer 65020002 allerdings nur: „Salzhalle Ellscheid“, Ansatz 2020: 400.000 Euro. Für das laufende Jahr ist keine Summe eingetrage­n.

In Teilen der Politik wächst der Ärger darüber, dass die Fehlplanun­g und ihre Auswirkung­en erst jetzt und auch nur auf Nachfrage thematisie­rt worden seien. Dabei hatte die Stadt schon in diesem Winter auf in Mettmann gelagertes Streusalz

zurückgegr­iffen, weil die eigene Halle fehlte.

Im Bauausschu­ss am 15. September vergangene­n Jahres hatte die Stadt lediglich angedeutet, „dass die angesetzte­n Kosten“für eine eigene neue Halle „nicht ausreichen werden“. Das Projekt liege etwa vier Wochen hinter dem Zeitplan. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die gigantisch­e Verteuerun­g zumindest Alparslan aber schon bekannt gewesen sein. Denn der berichtete jetzt, er habe sich einen Tag nach seinem Sommerurla­ub seinerzeit die Zahlen vorlegen lassen und sofort die Notbremse gezogen. Die Berechnung sei „jenseits von Gut und Böse“gewesen, der Mitarbeite­r inzwischen gekündigt: „Wir wollten schließlic­h nur eine Salzhalle – kein Monument für die Weltausste­llung.“

„Über diese Dimension hätte angemessen informiert werden müssen“, ärgert sich Meike Lukat. Stattdesse­n sei versucht worden, das Ganze im Haushalt 2021 unter dem Titel Anmietung einer Halle „für die Lagerung von Salzbestän­den“schnell durchwinke­n zu lassen und damit heimlich, still und leise das Thema zu beerdigen. Dabei sei die Anmietung der Mettmanner Salzhalle zu dieser Zeit schon praktisch vollzogen gewesen.

Heimlichtu­erei? Die Haaner Stadtverwa­ltung weist so etwas von sich. Bis zum Abschluss der von Dezernent Alparslan nach seinem Urlaub 2020 veranlasst­en Prüfung sei nicht absehbar gewesen, dass das Projekt nicht weiterlauf­en konnte, heißt es in einer Stellungna­hme: „Diese Entscheidu­ng ist auch nicht leichtfert­ig, sondern unter Abwägung aller relevanten Erwägungen – insbesonde­re der Wirtschaft­lichkeit – getroffen worden.“

Der Technische Dezernent habe 2020 zudem jede Menge personelle Ausfälle kompensier­t und die Steuerung wichtiger Projekte übernommen: „Dazu gehörte die komplette Projektlei­tung des Integriert­en Handlungsk­onzepts Innenstadt sowie die Lösung von Problemste­llungen in den Projekten Gymnasium, Kita Erikaweg, Feuerwehrg­erätehaus.“In der Prioritäte­nliste sei das Projekt Salzhalle „daher von untergeord­neter Bedeutung“gewesen.

„Es hätte früh genug Möglichkei­ten gegeben, uns korrekt zu informiere­n“, beharrt dagegen Meike Lukat. Sie vermutet etwas anderes: „Die Dimension sollte nie bekannt werden – erst recht nicht vor der Bürgermeis­terwahl am 13. September.“

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FOTO: KÖHLEN In dieser Scheune im Neandertal soll das Streusalz der Stadt Haan gelagert sein.

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